15.06.2021
Auch wenn am Ende weder die Damen noch die Herren den greifbar nahen Titel in den Händen hielten, kann das deutsche Hockey die Europameisterschaften in Amsterdam als sportlichen Erfolg verbuchen. Zwei EM-Silbermedaillen sind der verdiente Lohn, der nebenbei erstens die erwartete Qualifikation für die nächsten Weltmeisterschaften und zweitens ganz viel Rückenwind in Richtung Tokio brachte. Damit waren die im Vorfeld geäußerten Ziele erreicht. Beide deutschen Teams „waren in den Finals auf Augenhöhe mit den Niederlanden“, stellte DHB-Präsident Henning Fastrich fest und folgerte daraus eine „gute Ausgangslage für Olympia, die Mut macht“. Beides zweifellos zutreffende Einordnungen.
Die Damen hatten den unangefochtenen Branchenführer Holland mehr in Bedrängnis gebracht, als diesem lieb sein durfte. Es bleibt gerade nach solchen Duellen die alte Erkenntnis, dass man seine Chancen nutzen muss, um solch einen Giganten auch wirklich mal zu Fall bringen zu können, zum Beispiel in Tokio. Doch die EM zeigte auch, dass die Reckinger-Truppe immer noch gelegentlich den Faden verliert und dann in Nöte gerät (die erste Halbzeit im Halbfinale als Beleg), in die ein Team wie die Niederlande mutmaßlich so nie kommt. Solche Phasen in den Griff zu bekommen ist noch eine Baustelle, aber unterm Strich stimmt der Kurs Richtung Jahreshöhepunkt Olympia. Das trifft für die deutschen Herren fast noch mehr zu. Nach fünf Jahren konnte in Amsterdam der Fluch gebannt werden, aus einem K.o.- bzw. Entscheidungsspiel immer als Verlierer rausgehen zu müssen. Das stärkt die alten Haudegen, die seit Rio 2016 viele bittere Niederlagen einstecken mussten, genauso wie die jungen Kräfte, die bei der EM gut einschlugen. Im Hinblick auf Tokio hilft auch eine Erfahrung wie die erste Halbzeit gegen Frankreich (mit dem historischen Rekord von fünf Gegentoren) enorm weiter. Unter Kais al Saadi ist eine neue Einheit entstanden, der wirklich ganz viel zuzutrauen ist.
Über 90 000 User beim Herren-Endspiel und knapp 50 000 beim Damen-Finale verfolgten am Wochenende per Livestream die Übertragungen auf der Internetseite sportschau.de, wo auch sämtliche anderen EM-Partien der beiden deutschen Mannschaften zu sehen waren. Gewiss keine schlechten Zahlen, doch es wäre ein ungleich größeres Publikum gewesen, wenn die Endspiele vom Rechteinhaber ARD ins Fernsehprogramm geholt worden wären. Dies war so geplant, wenn zumindest eines der beiden deutschen Teams den Finaleinzug schafft. Doch kurzfristig nahm das Erste Abstand, sehr zum Ärger auch des DHB, der von einer „riesigen Enttäuschung“ sprach.
Uli Meyer