04.08.2021 - Uli Meyer in Tokio
Meine Zeit in Tokio neigt sich dem Ende zu. Nach dem Chaos der ersten ein, zwei Tage hatte sich schnell eine Routine eingespielt, die sich in der darauffolgenden Woche täglich quasi immer fast erschreckend gleich abspielte. Man ging morgens aus seinem Hotelzimmer, einem speziell für olympische Medienvertreter abgetrennten Gebäudetrakt, stellte sich an die Haltestelle, wo einen die Media-Transport-Buslinie im Ein-Stunden-Takt einsammelte und zum zentralen Olympia-Busbahnhof fuhr. Von dort ging es dann weiter an die jeweiligen Wettkampfstätten. Und meist spät am Abend spielte sich das Gleiche in umgekehrter Reihenfolge wieder ab.
Die japanische Küche gilt als exzellent. Die Sandwiches sind auf Dauer allerdings ganz schön eintönig. Bild: Meyer
Bei den ersten Fahrten guckt man noch aus dem Fenster und sammelt Eindrücke, schon bald nutzte man aber die in der Summe knapp zwei Stunden, um zu arbeiten oder sich am Smartphone oder Laptop über das laufende olympische Geschehen zu informieren. Denn in allen Bussen gab es ein top-funktionierendes WLAN-Netz. Entweder hatte ich ein von sehr wenigen Journalisten belegtes Hotel erwischt oder mir außergewöhnliche Pendlerzeiten herausgesucht, jedenfalls ging die Anzahl der Touren, die ich als einziger (!) Fahrgast in einem großen Reisebus zurücklegte, in die Dutzende.
Weil ich meinen knapp zwei Wochen gefühlt noch keinen einzigen Japaner angetroffen habe, der keine Gesichtsmaske trägt, fällt es mir noch schwerer als ohnehin, hier irgendjemand wiederzuerkennen. Aber ich als europäischer Lulatsch mit über 1,90 Meter Körpergröße scheine bei manchem Einheimischen offenbar schnell einen gewissen Wiedererkennungswert erlangt zu haben. Kürzlich begrüßte mich einer der Busfahrer ganz freudig mit der Nennung meines Hotelnamens. Freundlich begegnen einem die Leute hier ohnehin immer. Kein Volunteer, aber auch keine Security-Mitarbeiter und noch nicht einmal Polizisten, die die nicht mit dem Kopf nicken, wenn man an ihnen vorbeiläuft. Diese Freundlichkeit steckt an.
Allein im großen Bus. Bild: Meyer
Kulinarisch halten sich meine Erlebnisse in engen Grenzen. Weil man als ausländischer Olympiagast in den ersten 14 Tagen seines Aufenthalt keinerlei Schritte außerhalb der festgelegten Blase machen darf (und dies auch streng überwacht wird), ist ein Gang in einen Supermarkt oder ein Restaurant für mich bis unmittelbar vor meiner Rückreise nach Deutschland tabu. Ein paar Mal habe ich mir vom Hotelservice was aufs Zimmer bringen lassen, aber meist befriedigt man seine Hungersnot innerhalb des Pressezentrums seiner Wettkampfstätte, in meinem Fall das Hockeystadion. Weil es manchmal umständlich ist, in der kleinen Kantine etwas zu kaufen, und man ja als Schwabe auch eine grundsätzliche Sparsamkeit in seinen Genen trägt, greift man oft auf das in allen Pressezentren gleiche kostenfreie Grundangebot zurück: Bananen und Sandwiches in Erdnussbutter- und Marmeladen-Variante. Manch Kollege sprach von einem „Kulturschock“, doch die labbrigen Weißbrot-Fladen erfüllten ihren Zweck. Die Freude auf eine Scheibe Vollkornbrot spare ich mir noch ein paar Tage auf.
Uli Meyer