DEUTSCHE
HOCKEY ZEITUNG

Mit Hockey erhalten Sie wertvolle Tipps und Informationen rund um den Hockeysport.

Auch Alfons Hörmann bringt kein Glück

07.08.2021

Uli Meyers Hockey-Tagebuch aus Tokio - Fortsetzung (4. bis 6. August)

4. August: Holländische Revanche und Machtdemonstration

Im ersten Halbfinale der Damen gelingt den Niederländerinnen nicht nur eine Revanche für die in Rio 2016 im Shoot-out des Endspiels erlittene Niederlage. Das 5:1 über den damit entthronten Olympiasieger Großbritannien ist auch eine weitere Machtdemonstration an die verbliebene Konkurrenz. Mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks überfahren die Holländerinnen ihren Gegner.

Albers und Keetels bringen mit einem Doppelschlag die 2:0-Halbzeitführung, die Verschoor und nochmal Albers zum 4:0 ausbauen. Der britische Eckentreffer von Ansley zum 1:4 ist nur ein Strohfeuer, weil Matla bald danach den fünften Treffer für den Weltmeister nachlegt.
Im Zweifel richten es die alten Hasen, besser gesagt die routinierten Löwinnen. Dank Torhüterin Succi (35) und Eckenschützin Barrionuevo (37) zwingt Argentinien das Überraschungsteam aus Indien im zweiten Halbfinale mit 2:1 in die Knie. Die Asiatinnen spielen so frech wie bei ihrem siegreichen Viertelfinale gegen Australien schicken sich nach einem frühen Eckentor von Kaur an, den nächsten Favoriten zu eliminieren. Weil Argentiniens Haupteckenschützin Gorzolany nach einem Zusammenprall zweier Köpfe offenbar nicht mehr den rechten Durchblick hat, obwohl sie mit einem dicken Kopfverband wieder zurück in die Partie kommt, darf Barrionuevo wieder bei den Ecken ran. Dass die frühere Schützin nichts von ihren alten Künsten verlernt hat, beweist sie mit zwei Treffern. Doch der Finaleinzug ist erst perfekt, nachdem Succi in den letzten Minuten noch zwei gefährliche indische Bälle auf ihren Kasten mit Glanzparaden unschädlich gemacht hat.

5. August: Belgien holt sich Gold, auch ohne Eckentor

DOSB-Präsident Alfons Hörmann (rechts) mit Turnierleiter Christian Deckenbrock, DOSB-Vizepräsidentin Uschi Schmitz und den deutschen Schiedsrichtern Ben Göntgen und Michelle Meister (von links). Bild: Meyer

Im Kampf um die Bronzemedaille bringen Deutschlands Herren unter den Augen von DOSB-Präsident Alfons Hörmann (eine exklusives Interview mit ihm lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Hockey-Zeitung hier) eine 3:1-Führung nicht nach Hause. Innerhalb von sieben Spielminuten (unterbrochen durch die zehnminütige Halbzeitpause) müssen sie vier Gegentore schlucken. Von diesem brutalen Zwischentief erholen sie sich nicht mehr vollständig. Es gelingt zwar noch der Anschlusstreffer zum 4:5, aber Indien bringt den knappen Vorsprung über die Ziellinie. Die Emotionen der indischen Spieler (und Funktionäre) ist fast größer als die der Goldmedaillengewinner am Abend. Was einfach damit zu erklären ist, dass die große Hockeynation Indien lange 41 Jahre auf solch ein Erfolgserlebnis hat warten müssen.
Deutlich torärmer verläuft Stunden später das Finale. Mit Australien und Belgien stehen sich die beiden ungeschlagenen Gruppensieger gegenüber. Beide Seiten zeigen exzellente, lange Zeit völlig fehlerfreie Abwehrarbeit, so dass es kaum Torschüsse und lange auch keine Ecken gibt. Eigentlich erstaunlich, weil beide mit einem Trefferdurchschnitt von jenseits vier pro Spiel ihren Weg ins Finale gestaltet haben. Nach 32 Minuten fällt dann fast wie aus dem Nichts das belgische 1:0, als van Aubel nach einem abgelenkten Flankenball vor Torwart Carter am Ball ist und diesen über die Linie drücken kann. Der Rückstand belebt die Australier, die bis dahin absolut kein Licht gegen Belgiens Defensive sahen. Ein erster Warnschuss ist Ogilvies Stecher an den Posten (39.), 60 Sekunden später fischt Vanasch die einzige australische Ecke mit einem Wahnsinnsreflex aus dem unteren Eck. Aber nach 47 Minuten ist dann auch der belgische Hexer mal überwunden. Über links hatten sich die Australier in den Kreis gespielt. In Zalewskis Schlenzer aus kurzer Distanz hält van Doren noch seinen Schläger rein, so dass der Ball in einer Bogenlampe über Vanasch ins Aus zu fliegen scheint. Aber am langen Pfosten drückt Wickham das Spielgerät runter ins Tornetz. Was ist eigenglich mit Torschützenkönig Hendrickx? Einen Doppelversuch in der ersten Halbzeit hat der belgische Eckenspezialist nicht nutzen können, acht Minuten vor Ende bietet sich die dritte Chance. Tatsächlich versuchen die Belgier, diesmal mit einer Stechervariante statt mit Hendrickx‘ Schussgewalt zum Siegtreffer zu kommen. Es misslingt, und so bleibt es beim leistungsgerechten 1:1.
Erstmals in der Geschichte des olympischen Herrenhockeys muss ein Shoot-out über die Vergabe der Gold- und Silbermedaillen entscheiden. Für Australien treffen nur Ogilvie und Brand, während Govers und Simmonds an Vanasch scheitern. Weil Belgien neben seinen erfolgreichen Schützen van Aubel, de Sloover und Hendrickx (letzterer per Siebenmeter nach Foul an Wegnez) nur einen Fehlschützen (Denayer) hat, muss Australiens letzter Schütze Whetton treffen, um sein Team im Spiel zu halten. Der Australier setzt den Ball an den Pfosten, Jubel bricht auf belgischer Seite aus. Doch der von Australien angeforderte Videobeweis friert die Emotionen umgehend wieder ein. Der deutsche Videoschiedsrichter Ben Göntgen erkennt tatsächlich auch eine Behinderung des Schützen. Weil diese aber nicht siebenmeterreif ist, gibt es lediglich eine Wiederholung des Versuchs. Und diesmal wehrt Vanasch ganz regulär ab. Jetzt kennt der Jubel keine Grenzen mehr. Belgien hat gewonnen und vereinigt nun Olympiagold (zum ersten Mal) und WM-Titel in einer Hand.

6. August: Noch ein torreiches Spiel um Platz 3

Wie ihre Herren am Vortag gegen Deutschland, so beweisen auch die Damen von Indien Aufholqualitäten. Im Spiel um Platz 3 unter Leitung der deutschen Schiedsrichterin Michelle Meister drehen die Asiatinnen ein britisches 2:0 (Rayer, Robertson) innerhalb von vier Minuten durch zwei Eckentreffer von Kaur sowie Katariya in eine eigene 3:2-Pausenführung um. Anders als die deutschen Herren in ihrem kleinen Finale schaffen es aber die britischen Damen, den Spieß noch einmal herumzudrehen. Pearne-Webb und Balsdon per Ecke bringen wieder Großbritannien mit 4:3 in Führung. Das reicht und beschert den Europäerinnen nach Gold 2016 jetzt immerhin noch eine Bronzemedaille.

Uli Meyer

 

Die Hockey-Zeitung ist für Sie hautnah bei den Olympischen Spielen dabei. Redaktionsleiter Uli Meyer begleitet die Spiele trotz aller Corona-Widrigkeiten für Sie vor Ort. Mit den E-Paper Sonderausgaben halten wir alle Hockeyfreunde auf dem Laufenden, außerdem gibt es regelmäßig Infos in unserer News-Rubrik und natürlich auf unseren Social Media Kanälen auf Facebook und Instagram.

Außerdem gibt es in unserem Podcast "Schusskreis" - powered bei Upchoice - spannende Analysen mit Chris Faust, Sören Wolke und natürlich mit Uli Meyer.