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Katrin Kauschke: "Wir sind an einer qualitativ sehr guten Lösung interessiert"

25.10.2021

INTERVIEW:  Die DHB-Vizepräsidentin Leistungssport über die Suche nach einem Nachfolger für Bundestrainer Kais al Saadi und erste Erfahrungen in ihrem Ehrenamt

Die dreiifache Olympiateilnehmerin  (1992, 1996, 2000) Katrin Kauschke wurde im Mai 2021 zur Vizepräsidentin Leistungssport im Deutschen Hockey-Bund gewählt. Neben der Silbermedaille 1992 zählte der Gewinn der U21-Weltmeisterschaft 1989 zu den größten sportlichen Erfolgen der gebürtigen Braunschweigerin, die 190 A-Länderspiele absolvierte. Die 50-Jährige arbeitet als Ärztin am Institut für Sport- und Bewegungsmedizin der Universität Hamburg und ist mit dem früheren Nationalspieler Hendik Lange verheiratet, das Paar hat zwei Kinder.

 

Frau Kauschke, Sie stecken als Ärztin mitten im Berufsleben. Was bringt einen dazu, dann ein Ehrenamt wie das einer Vizepräsidentin Leistungssport im Deutschen Hockey-Bund zu übernehmen?

KATRIN KAUSCHKE: Tatsächlich habe ich wegen des zeitlichen Faktors erst einmal nicht gleich „Ja“ gesagt, als man mich gefragt hat. Aber irgendwie fühlte ich mich dem Hockey dann doch sehr verbunden und wollte etwas dazu beitragen, dass es ein toller und erfolgreicher Sport bleibt. Für mich selber bleibt jetzt zwar ein bisschen weniger Zeit, aber es macht ja auch Spaß, sich wieder im und mit Hockey zu beschäftigen.

 

Wieviel Abstand vom Hockey hatten Sie denn nach Ende Ihrer Aktivenzeit?

Ich habe nach Abschluss von Nationalmannschafts- und Bundesligalaufbahn zunächst etwas Abstand vom Hockey gewonnen, zumal unsere Kinder kein Hockey spielen. Später habe ich dann wieder just for fun Hockey gespielt, und wichtige Ereignisse der Nationalteams habe ich natürlich immer mit Interesse verfolgt.

 

Als für den Leistungssport zuständige Vizepräsidentin wären Sie normalerweise bei den Olympischen Spielen vor Ort gewesen. Fiel die Tokio-Reise dann wegen der besonderen Umstände flach?

Das hatte verschiedene Gründe. Als ich im Mai ins Amt gewählt wurde, war die Urlaubsplanung bei meiner Arbeit bereits abgeschlossen, und ich konnte nicht ohne weiteres Urlaub nehmen. Außerdem hieß es vom DOSB, dass aufgrund der Corona-Beschränkungen gar nicht so viel Plätze in den Delegationen zur Verfügung stünden. Auch gab es keinerlei repräsentative Aufgaben vor Ort. Vor diesem Hintergrund war mir wichtig, dass wir unsere Ressourcen bestmöglich für die Teams einsetzen. Als Funktionärin habe ich daher in Absprache mit Präsidium und Vorstand auf die Reise verzichtet.

 

Aber das olympische Hockeyturnier haben Sie dann von der Heimat aus schon verfolgt?

Ja, wobei ich nicht jede Nacht aufgestanden bin. Man kann sich nicht die Nächte um die Ohren schlagen, wenn man morgens um 8 Uhr zu arbeiten anfängt. Die Spiele, die zeitlich gut verfolgbar waren, und auch die Entscheidungsspiele habe ich aber live gesehen.

 

Woran hat es Ihrer Meinung nach gelegen, dass das deutsche Hockey diesmal ohne Medaille geblieben ist?

Am Ende sind es meist Kleinigkeiten, die den Ausschlag auch über Platzierungen und Medaillen geben. Ich bin daher vorsichtig mit einer einfachen Bewertung anhand von Platzierungen. Nach meinem Eindruck haben die Herren spielerisch am Ende mehr überzeugt als die Damen. Bei denen ist im Viertelfinale gegen Argentinien die eigene Spielidee nicht aufgegangen, und man hatte – so zumindest von außen den Eindruck – keinen Plan B zur Hand, weder beim Team selbst noch von draußen. Das war wie ein kollektiver Blackout. Natürlich hat man in solch einem K.o.-Spiel viel Druck, aber das Team wirkte an diesem Tag wie paralysiert und konnte nicht das abrufen, was wir uns erhofft hatten.

 

Vor knapp zwei Wochen verkündete der DHB, dass man den zum Jahresende auslaufenden Vertrag mit Kais al Saadi einvernehmlich nicht verlängert, weil man in einigen wichtigen Punkten nicht zusammengefunden habe, wie es in der Pressemitteilung hieß. Wo lagen denn die Knackpunkte?

Wir sind in die Gespräche mit Kais mit der Idee gegangen, mit ihm als Herren-Bundestrainer weiterzuarbeiten. Weil wir ihn für einen guten Trainer halten und er in den zwei Jahren eine ganze Menge geleistet hat. Von beiden Seiten wurden in den Gesprächen Bedingungen für die weitere Zusammenarbeit geäußert, die dann aber letztendlich so nicht erfüllbar waren. Und wenn dann eine zu große Lücke klafft, kommt man nicht zusammen.

 

Wie steht es um die Neubesetzung?

Der Prozess läuft auf Hochtouren. Ich hatte angeregt, dass wir die Personalentwicklung im Bereich Leistungssport auf breitere Schultern stellen. Also nicht nur den Sportdirektor zusammen mit mir als Vizepräsidentin Leistungssport suchen und entscheiden zu lassen, sondern sich auch Rat zu holen bei renommierten und erfahrenen Trainern. Wir haben Markus Weise und Uli Forstner in die Gruppe geholt, die wir Personalentwicklungsteam nennen. Wir tauschen uns regelmäßig aus, wie wir unser Personal weiterentwickeln wollen, wo wir Stärken und Schwächen jedes einzelnen sehen und wie wir den Teamgedanken auch unter der Trainerschaft weiter fördern können.

 

Spätestens bis zum Jahresende braucht man eine Lösung bei den Herren, schließlich kommen die ersten Events gleich im Januar.

Wir versuchen das so zügig wie möglich hinzubekommen, fühlen aber nicht die Pistole auf der Brust, zumal wir viele gute Coaches im DHB haben. Wir sind an einer qualitativ sehr guten Lösung interessiert, die dann auch wieder langfristig Perspektiven bietet.

 

Los geht es im neuen Jahr mit der Hallen-EM und -WM. Sollte Ihrer Meinung nach das Personal, Trainer wie Spieler, getrennt werden in Feld- und Hallenhockey, um die Belastung zu verteilen?

In den letzten knapp zehn Jahren wurde auf dem Feld kein großer Titel mehr geholt. Unser Anspruch ist es, Titel zu gewinnen. Die Hallen-EM und -WM bieten dafür eine gute Gelegenheit. Noch dazu spielen wir die EM vor eigenem Publikum in Hamburg. Daher sollte in unser aller Interesse sein, die Teams bestmöglich zu besetzen. Wie man das dann optimal gestaltet, ist sicher ein Abstimmungsprozess, an dem viele Gruppen beteiligt sind. Auch die Liga wird hier eng mit einbezogen.

 

Bei der nach Tokio durchgeführten Analyse und Bewertung der 26 olympischen Sommersportverbände seitens des DOSB hat Hockey mit Rang 6 recht gut abgeschnitten. Kann man beim DHB mit dieser sogenannten PotAS-Studie leben?

Letztendlich berücksichtigt die PotAS-
Studie die gesamte Arbeit unseres Verbandes. Auch wenn beim olympischen Turnier diesmal keine Medaillen gewonnen wurden, wurde erkannt, dass das Potenzial grundsätzlich vorhanden ist. Wir haben guten, starken Nachwuchs. Ich glaube, dass wir auch mit unseren Rahmenbedingungen weiterhin die Chance haben, immer wieder Medaillenanwärter zu sein. Natürlich mit dem Wissen, dass es auch mal nicht klappen kann, wie jetzt in Tokio.

 

Andere Nationen setzen auf Professionalisierung.

Das Thema Professionalisierung im Hockey gibt es, solange ich denken kann. Und auch wir haben uns ständig weiterentwickelt, unter anderem Trainer- und Spezialisten-Teams erweitert und bessere Bedingungen für alle geschaffen. Parallel ist der Aufwand gestiegen. Wirkliches Profitum ist und sollte auch nicht unser Ziel im deutschen Hockey sein. Statt nur auf die anderen Nationen zu schauen, sollten wir gucken, dass wir innerhalb unseres Systems die Bedingungen weiter optimieren. Dass es weiterhin möglich ist, diese Parallelität zwischen Ausbildung/Beruf und Leistungssport zu fahren. Dass es aber auch mal möglich sein muss, im Studium oder im Job eine Weile kürzerzutreten, um bei einem Olympiazyklus mitmachen zu können. Da müssen wir als Verband unterstützend zur Seite stehen.

 

Gibt es weitere Themen, die Ihnen bei ihrem Engagement in der Verbandsspitze wichtig sind?

Ich bin ein Freund der Teamaufstellung, verstehe uns als Gesamteinheit DHB mit diversen Unterteams. Wir arbeiten alle am Gesamtziel, unsere Mannschaften an Medaillen heranzuführen. Jeder, der an irgendeiner Stelle im System beteiligt ist, kann mit seiner Initiative und Kraft dazu beitragen, dass am Ende das Ergebnis richtig gut ist. Um das zu erreichen, muss man respektvoll und rücksichtsvoll miteinander umgehen. Zur Kultur des positiven Feedbacks gehört auch die Fähigkeit, sachliche Kritik annehmen zu können. Und dazu gehört auch, dass zum Beispiel der Leistungssport die Bedürfnisse von Liga aber auch des Breitensports anerkennt und umgekehrt.

 

Am Wochenende war Bundesratssitzung in Hamburg. Die erste Zusammenkunft des Präsidiums und Vorstands mit den Landesverbandsvorsitzenden nach langer Zeit, in der aufgrund der Coronabeschränkungen nur virtuell getagt werden konnte. Wie war das für Sie?

Ich finde es bemerkenswert, wie viele Personen den Hockeysport voranbringen wollen und sich ehrenamtlich engagieren. Bei ganz vielen guten Ideen sind allerdings die Finanzen der limitierende Faktor. Man steht unter Druck, eigentlich viel mehr machen zu wollen, aber nicht ausreichend Mittel dafür zu haben oder gar mit Kürzungen leben zu müssen. Andererseits sieht man Ideen und Möglichkeiten, wie man das abfedern kann. Von der Grundstimmung war es eine sehr positive Veranstaltung mit vielen guten Diskussionen.

 

Vielen Dank für das Gespräch!                            

Uli Meyer

 

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