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Auf gepackten Koffern platzte der WM-Traum

03.12.2021

In einem am vergangenen Freitag spontan einberufenen Krisengespräch entschieden der Veranstalter des FIH Hockey Women’s Junior World Cups 2021, der Hockeyweltverband FIH, und der ursprünglichen Ausrichter, die North-West University of Potchefstroom in Südafrika, den Interkontinentalwettbewerb „zurückzustellen“, so der offizielle Wortlaut. Sie reagierten damit auf die gerade in Südafrika verstärkt aufgekommene neue Coronavirusvariante. Die deutschen Juniorinnen erreichte die kurzfristige Absage quasi auf dem Sprung auf den afrikanischen Kontinent. Zu möglichen Alternativen äußerte sich der Weltverband bisher nicht.

Es ist wieder Corona, es ist wieder ein Verschieben – und doch ist so vieles anderes bei der Absage der Juniorinnen-Weltmeisterschaft im Vergleich zum coronabedingten Verlegen der Olympischen Spiele in Tokio vom Jahr 2020 auf das Folgejahr. Gab es um Tokio viel Vorlauf, ein langes Warten auf die einzig logische Konsequenz, erreichte das Team um die beiden Mannschaftskapitäninnen Lisa Nolte und Lilly Stoffelsma die Nachricht von der Absage der U21-WM im südafrikanischen Potchefstroom im wahrsten Sinne des Wortes auf gepackten Koffern.

Teamspirit soll die Enttäuschung auffangen

Am Montag hätte es mit dem Flieger nach Südafrika gehen sollen. Daraus wird nun nichts. Wie es international weitergeht, ist auch erst einmal unklar, die FIH schweigt bisher dazu. Die Missstimmung bei den deutschen Nachwuchsdamen ist verständlicherweise groß: „Die Stimmung ist den Umständen entsprechend bescheiden“, stellt Lisa Nolte fest und ergänzt: „Wir sind natürlich alle sehr enttäuscht und traurig.“ Eine Stimmungsachterbahn, vor der auch U21-Bundestrainer Akim Bouchouchi seine Spielerinnen nicht schützen konnte: „Das war der härteste Fall, der eintreffen konnte. Donnerstag war noch alles verpackt und verteilt, Freitag bereits alles abgesagt. Das so kurz vorher zu erfahren, in einem Zoom-Meeting, wo nicht alle beieinander sein konnten, das war schon hart für die Mannschaft“, erinnert sich Bouchouchi.

Nach einer kurzen Phase der persönlichen Enttäuschung fand das Team schnell einen gemeinsamen Weg: „Wir haben uns Montag in Düsseldorf getroffen und direkt gegenseitig aufgefangen. Nun verbringen wir dort bis Mittwoch als Mannschaft drei Tage gemeinsam“, berichtet die DHC-Spielerin, und ihre Teamkollegin Lilly Stoffelsma ergänzt: „Wir wollen die Enttäuschung zusammen bewältigen. Daher haben wir uns für diese Tage vorgenommen, uns Zeit zu nehmen und darüber zu sprechen, gemeinsam essen zu gehen und zu versuchen, das gemeinsam zu verarbeiten. Das ist auf jeden Fall einfacher, als wenn jede das für sich alleine zu Hause tut.“ Auch das Team aus Trainern und Betreuenden lässt seine Schützlinge in dieser Phase nicht allein: „Es ist verständlich, dass wir für die Mädels da sind, so gut es geht. Zudem sehen wir uns auch in der Funktion, die Interessen der Mädels so gut wie möglich zu vertreten“, unterstreicht Bouchouchi.

Unklare WM-Situation erschwert die Motivation

Damit spielt der Bundestrainer auch auf ein weiteres Problem an, das die kurzfristige Absage hinterlässt: „So lange keine Info zum weiteren Ablauf der WM kommt, herrscht natürlich ein Spannungsabfall.“ Gleichzeitig wünscht sich Bouchouchi, dass die akute Situation auch von einer anderen Seite betrachtet wird: „In der Vorbereitungsphase, auf den Lehrgängen, haben sich die Mädels nämlich toll entwickelt. Auch das Umfeld muss erkennen, dass uns die persönliche Entwicklung einer jeden auf diesen Weg gebracht hat. Daher hätten wir zu gerne bewiesen, wo wir stehen.“ Gleichzeitig wünscht sich der Bundestrainer auch, dass es dem Team gelingt, nach vorne zu schauen: „In der Hoffnung, dass die FIH eine Lösung findet. Aber gleichzeitig auch in der Hoffnung, Stück für Stück in den Alltag zurückkehren können.“

Diese unklare Situation sorgt auch bei Stoffelsma für Herausforderungen, die Motivation hochzuhalten, bietet aber genauso neue Perspektiven: „Aufgrund der Ungewissheit ist es schwer, die Motivation hochzuhalten. Allerdings hat jetzt jeder auch wieder Lust, Halle zu spielen – die einen vielleicht mehr, die anderen weniger. Wir versuchen, wieder einzusteigen und in der Halle Anschluss zu finden, damit man halt weiterhin ein Ziel vor Augen hat.“

Enger Austausch auch zwischen den Mannschaften und den Trainerstäben

Eine Situation, mit der auch die Spielerinnen und der Staff der anderen 15 WM-Mannschaften klarkommen müssen. Einige Teams waren im Moment der Absage sogar schon auf dem Weg nach Südafrika. Dieser Umstand macht aus Gegnern auf dem Spielfeld einmal mehr Verbündete. „Es ist von Trainerseite beeindruckend zu sehen, wie alle Beteiligten, die sonst Konkurrenten sind, sich gegenseitig unterstützen und trösten“, konnte Bouchouchi bald nach der FIH-Entscheidung feststellen, auch mit Blick auf die Spielerinnen: Die Teams waren auch in Kontakt und supporten sich gegenseitig, um eine Stimme zu kriegen, damit diese WM bei der FIH nicht unter den Tisch fällt.“ Lisa Nolte kann das bestätigen: „Über Instagram sind wir im Austausch mit den anderen Nationen, und vereinzelte Spielerinnen sind auch privat mit anderen Spielerinnen befreundet. Im Grunde sind wir alle total enttäuscht. Der Austausch tut aber gut, weil man doch merkt, dass wir alle das Gleiche fühlen.“

WM-Frage bleibt offen, Alternativen hatte die FIH nicht

Während also die deutschen U21-Damen - sei es durch das Zusammenfinden in Düsseldorf, durch den Austausch mit den ebenfalls betroffenen gegnerischen Mannschaften oder durch den Fokus auf die Halle - Wege aus der Enttäuschung finden, steht doch die brennende Frage im Fokus, wie es tatsächlich weitergeht mit der U21-WM für die Juniorinnen.

Kurzfristig möchte Spanien in die Bresche springen und ein Nationenturnier anbieten. Das wäre allerdings keine WM, und das deutsche Team ist sich noch unschlüssig, ob es daran teilnehmen will. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist also noch völlig ungewiss, ob die U21-Auswahl von 2021 in diesem oder im kommenden Jahr noch eine WM spielen wird. In der Verlautbarung der FIH heißt es dazu etwas lapidar: „Die FIH wird die Situation weiter beobachten und eine Entscheidung über die mögliche Austragung der FIH-Hockey-Juniorinnen-Weltmeisterschaft 2021 treffen, sobald dies möglich ist.“ Wann das sein wird, weiß nur der Weltverband, einen Plan B gab es also nicht.              

Andrej Oelze

 

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