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„Wenn ich einen kleinen Beitrag leisten kann, ist es den Stress wert“

10.12.2021

Solch eine Konstellation ist mit Sicherheit die große Ausnahme. In der laufenden Hallensaison ist Trainer Niklas Raum gleich für zwei Bundesligateams und eine Regionalligamannschaft zuständig. Der 26-Jährige kümmert sich bei der Hockey Gesellschaft (HG) Nürnberg um die 1. Herren (2. Bundesliga) und zusammen mit Claudia Mack auch um die 1. Damen (1. Regionalliga Süd). Jetzt spielt Raum nach eigenen Worten zudem noch den „Indoor-Lückenfüller“ beim Nürnberger HTC, wo er sich mit Henry Schneider um die Erstliga-Herren kümmert. Im Interview mit DHZ-Redaktionsleiter Uli Meyer erklärt Niklas Raum, wie es dazu kam und wie er das alles unter einen Hut bekommen will.

Herr Raum, wir sprechen uns nach einem für Sie sehr ernüchterndem Wochenende: Ihre beiden Bundesligateams haben alle vier Spiele verloren. Welche Niederlage hat am meisten geschmerzt?

NIKLAS RAUM: Von der Tabellensituation her war es sicher das 2:3 der NHTC-Herren in Frankenthal. Mir persönlich am meisten weh getan hat das Sonntagsspiel der HGN-Herren gegen Ludwigsburg (4:6). Das war vom Spielverlauf her die unnötigste Niederlage. Wir hatten fast die ganze Zeit knapp geführt, haben ein paar Mal die Chance, auf zwei Tore wegzuziehen. Und beim Stand von 4:4 vergeben wir zwei Ecken und kassieren im Gegenzug das 4:5. Am Samstag bei TuS Obermenzing (6:7) waren wir einfach nicht gut, da sind wir weit hinter unseren Möglichkeiten zurückgeblieben.

Dann war das 2:8 mit dem NHTC gegen Frankfurt zu klar, um sich groß darüber aufzuregen?

Wir haben da lange Zeit sehr gut mitgespielt, erst in der zweiten Halbzeit wurde es deutlicher. Und die letzten beiden Gegentore gingen ins leere Tor, weil man eben alles probiert. Der SC80 ist in der aktuellen Besetzung kein Gegner, den wir unbedingt schlagen müssen. Die sind schon einen Tick stärker als wir. Aber ein 2:8 ist natürlich kein schönes Ergebnis.

Am kommenden Wochenende haben Sie in der 1. BL zwei Heimspiele, erst gegen TSV Mannheim, am Tag darauf gegen Münchner SC. Liegt da der Fokus von vornherein auf dem Sonntagsspiel, weil das ein „Sechs-Punkte-Spiel“ um den Klassenerhalt ist und man gegen den Tabellenführer TSV sich lieber nicht voll verausgabt?

Es sind tatsächlich unterschiedliche Voraussetzungen an beiden Tagen. Gegen den TSV werden wir natürlich versuchen, nicht so unter die Räder zu kommen wie neulich gegen den anderen Mannheimer Erstligisten. So etwas wie das 5:19 gegen den MHC soll sich nicht wiederholen. Ein kleiner Vorteil für uns könnte sein, dass wir am Wochenende mal wieder in der BBZ-Halle spielen, wo der Boden ein schnelles Tempohockey kaum zulässt, weil die Bälle rasch ins Hoppeln kommen und Gästemannschaften oft noch mehr Probleme haben, sich darauf einzustellen, als das bei den Nürnberger Heimmannschaften schon der Fall ist. Trotzdem wird es wahnsinnig schwer für uns gegen das starke TSV-Hallenteam. Andererseits ist klar, dass unser Fokus vor allem auf den beiden Heimspielen jetzt gegen München und im Januar gegen Frankenthal liegt. Das werden wohl die Partien sein, wo der Süd-Absteiger ausgespielt wird. Wenn auswärts in Frankfurt und zweimal in Mannheim noch viele Punkte für uns herausspringen sollten, käme das dann schon eher überraschend.

Und vor den beiden Erstligaspielen mit dem NHTC gibt es für Sie am Samstag noch die Zweitligapartie der HGN gegen Stuttgart.

Das findet alles in einer Halle statt und passt zeitlich zusammen. Nur deshalb ist es ja für mich auch möglich, beide Jobs zu machen. Das Spiel gegen Stuttgart ist überraschend zum Kellerduell geworden. Das hätte wohl kaum jemand vermutet, dass sowohl die HGN als auch die Kickers aus dem ersten Doppelwochenende jeweils mit null Punkten rausgehen. Da steckt jetzt am Samstag schon Brisanz drin, weil man nicht gerne mit drei Niederlagen in die Saison starten will und man sich dann im Abstiegskampf befinden würde, statt wie erhofft vorne mitzuspielen. Die Spielabfolge am Wochenende ist für mich gut: Am Samstag das wichtige HGN-Spiel und am Sonntag das wichtigere der beiden NHTC-Spiele. Von den Emotionen ist das etwas einfacher zu managen, als wenn man zwei Do-or-Die-Spiele am gleichen Tag direkt hintereinander hätte.

Haben Sie sich denn in Ihrer aktuellen Doppelrolle als Herren-Trainer wenigstens in dieser Hallensaison von Ihrem weiteren Amt als Trainer (neben Claudia Mack) der HGN-Damen zurückziehen können?

Das fällt mir schwer, da ich die Mannschaft seit mittlerweile sieben Jahren trainiere und ich mich den Mädels auf alle Fälle verbunden und verpflichtet fühle. Das stand ehrlich gesagt auch nie zur Diskussion. Wir haben vor Saisonbeginn natürlich die Spielpläne intensiv studiert und festgestellt, dass ich durch mein zusätzliches NHTC-Engagement kein HGN-Damenspiel mehr verpassen würde als ohnehin schon durch die Überschneidung mit den Terminen der HGN-Herren. Das ist ja unter anderem dem Umstand geschuldet, dass die Saison in der 1. Bundesliga schon am 9. Januar beendet sein wird, während die 1. Regionalliga Süd bis Ende Februar spielt. Kommendes Wochenende ist dort beispielsweise komplett spielfrei. Und vom Training her ist es so, dass beide Vereine hintereinander in den gleichen Hallen trainieren. Das ist einerseits praktisch, andererseits werden meine Arbeitstage derzeit einfach wahnsinnig lang. Ich bin an manchen Tagen der Erste in der Halle und zugleich derjenige, der am Ende das Licht ausschaltet.

Machen Sie das hauptamtlich, oder gibt es nebenbei etwa noch einen Job oder ein Studium?

Man mag es kaum glauben: Offiziell bin ich Student und befinde mich tatsächlich in den letzten Zügen des Masters-Studiums (Finance & Accounting). Da kommt mir zurzeit tatsächlich Corona entgegen: Nach einer Woche Präsenzunterricht wurde in diesem Semester sofort alles wieder auf Online-Homeschooling umgestellt. Bei der HG Nürnberg habe ich einen 20-Stunden-Vertrag als Trainer, beim NHTC übe ich ehrlich gesagt gar keine offizielle Funktion aus. Ich würde es als Indoor-Lückenfüller bezeichnen.

Zusammen mit Claudia Mack (Mitte) ist Niklas Raum auch für die HGN-Damen als Trainer zuständig. Ein Bild aus dem Sommer 2019. Foto: Imago

 

Wie kam es denn zu der Zusammenarbeit mit dem Erstliga-Nachbarn?

Beim eigentlichen NHTC-Herrentrainer Ben Howarth, der im Feld meines Erachtens einen Superjob macht, war von vornherein klar, dass er kein Hallentrainer sein wird. Das schien man beim NHTC wohl ein bisschen verdrängt zu haben, jedenfalls kam relativ kurzfristig Hockeyvorstand und Kapitän Frederic Wolff auf mich zu und fragte, ob es für mich vorstellbar wäre, das NHTC-Bundesligateam zu unterstützen. Es waren erstmal nur die Trainingseinheiten angedacht, weil wir ja ohnehin in der gleichen Halle sind. Ich habe dann gesagt, dass ich es als komische und für mich unbefriedigende Situation betrachten würde, nur etwas mit dem Trainingsbetrieb zu tun zu haben und nichts mit den Spielen am Wochenende. Auch wenn ich aufgrund der Gesamtkonstellation natürlich nicht das Zeitbudget anderer Bundesligatrainer zur Verfügung habe, um Videos zu gucken und Training vorzubereiten, versuche ich es eben nebenher so gut es geht zu schaukeln.

Und mit NHTC-Damentrainer Henry Schneider haben Sie noch jemand zur Seite gestellt bekommen. Wie sieht die Zusammenarbeit aus?

Henry hat sich dankenswerterweise bereiterklärt, mich zu unterstützen. Wenn wir derzeit unter der Woche interne Trainingsspiele machen, dann sitzt Henry beim NHTC auf der Bank, ich bei der HGN. Die restlichen Trainingseinheiten mache ich, ich kümmere mich so gut es geht um den Videoschnitt. Wenn ich mal nicht kann, wie am vergangenen Samstag beim NHTC-Spiel in Frankenthal, dann vertritt mich Henry. Ansonsten bemühen wir uns, auch mal gemeinsam zu coachen wie am Sonntag gegen Frankfurt. Wir gehen vorher zusammen den Videozusammenschnitt durch und bereiten den Matchplan und die Teambesprechung vor.

Aber im Überschneidungsfall haben die HGN-Herren Vorrang?

Ja. Das war von vornherein klar und mit allen Seiten so abgesprochen. Im Frankfurt-Spiel des NHTC bin ich nach der Halbzeitpause gleich weiter zur Vorbesprechung mit den HGN-Herren und bin dann erst wieder zum Ende des dritten Viertels zurückgekommen. Wegen des schmalen Zeitfensters zwischen beiden Spielen blieb keine andere Möglichkeit.

Wie bekommen Sie es hin, gedanklich von einem Team so schnell zum anderen um- und wieder zurückzuschalten? Und wie steht es um die Stressbewältigung?

Gute Frage. Das versuche ich gerade selber herauszufinden. Vom Gefühl her ist es so, dass es zwischen den Spielen tatsächlich nicht so schwierig ist. Aber danach belastet einen das Ganze schon doppelt. An diesem Sonntagabend oder auch Montagmorgen war es tatsächlich ein großes Loch, in das man nach vier Niederlagen mit seinen Teams ein wenig hineingefallen ist. Gut, dass wenigstens die HGN-Damen am Sonntag gewonnen haben, so dass es wenigstens kein komplett verkorkstes Hockey-Wochenende für mich war.

Solch einen Stress will man sich normalerweise nicht für lange antun, oder?

Stimmt. Den 20. Dezember habe ich im Terminkalender schon mit rot markiert. Ab diesem Datum gibt es mal für eine Woche kein Hockey, keine Organisationstelefonate. Die Organisation von zwei Bundesligamannschaften ist wahnsinnig aufwendig. Das darf man nicht unterschätzen. Ich will nicht sagen, dass ich mich insgesamt übernommen habe, aber mein aktuelles Programm läuft derzeit schon an der Belastungsgrenze.

Was sagen eigentlich die die beiden Clubs zu der Situation? Gibt es da kein böses Blut?

Ich habe selbstverständlich alles mit der HGN abgesprochen und nicht im Alleingang beim NHTC zugesagt. Natürlich ist die Sache bei HGN-Vereinsmitgliedern sehr unterschiedlich aufgenommen worden. Da gibt es auch Leute, die das nicht gut finden und das offen ansprechen, aber damit musste ich rechnen. Der Hockey-Standort Nürnberg wäre durch einen Erstligaabstieg des NHTC noch weiter auf dem absteigenden Ast, auf dem er sich ohnehin schon befindet. Da müssen wir gegensteuern, und das geht nur miteinander. Wenn ich da einen kleinen Beitrag leisten kann, dann ist es den aktuellen Stress wert.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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