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Rückblick 2021: Noch ein Coronajahr

23.12.2021

Im zweiten Coronajahr herrschte zwar im Hockey längst nicht mehr so viel Ausfall und Stillstand wie in den ersten Monaten der Pandemie. Doch von Normalität konnte auch 2021 nicht die Rede sein. So fanden die großen Events allesamt (von einer Ausnahme abgesehen) ohne Zuschauer statt. Und wie fällt die Jahresbilanz für das deutsche Hockey aus?

Beim Leuchtturm Olympia konnte man leider nicht mit Erfolgen aufwarten: keine Medaille in Tokio. Die beiden Silbermedaillen für Damen und Herren bei den Europameisterschaften flogen da fast schon unterm Radar. Auch die DHB-Junioren hatten in ihrem Endspiel kein Glück: WM-Silber; die Juniorinnen durften erst gar nicht ihren Weltmeister ausspielen. Blieben als einzige deutsche Titelgewinner die U19-Mädchen und -Jungen als strahlende Europameister. Strukturell hat das deutsche Hockey ein beachtliches Veränderungsjahr hinter sich: Erstmals in der 112-jährigen Verbandsgeschichte wird der DHB von einer Doppelspitze geführt, genauso neu ist die Auslagerung der Bundesliga in die Obhut eines Ligaverbandes. Und die für überholt gehaltenen Altersbezeichnungen „Knaben“ und „Mädchen“ wurden aus dem offiziellen Vokabular gestrichen. Nachstehend nach Themen geordnete Notizen zum abgelaufenen Hockeyjahr 2021.

Olympia: Geplatzte Träume

Mit großen Hoffnungen reisen beide deutschen Teams Mitte Juli nach Tokio. Die Gruppenphase überstehen die Damen etwas souveräner als die Herren, die nach zwei Wacklern aber stets gleich wieder ihr besseres Gesicht zeigen. Beide DHB-Auswahlen ziehen als Gruppenzweiter ins Viertelfinale ein, wo der Gegner jeweils Argentinien heißt. Für das Damenteam von Xavier Reckinger gerät gleich das erste von möglichen drei K.o.-Spielen zur großen Pleite. Mit 0:3 und einer im Vergleich zur Vorrunde unerklärlich schwachen Leistung platzen alle Medaillenträume. Es ist ein tiefer Fall, schließlich hatte der belgische DHB-Damentrainer vor dem Turnier davon gesprochen, „dass wir mit Gold nach Hause kommen können“. Besser machen es die Herren, die den argentinischen Goldgewinner von 2016 sicher mit 3:1 eliminieren. Aber auch das Team von Kais al Saadi bekommt danach keine Hand an die Medaille. Trotz eines Chancenplus sowohl im Halbfinale gegen Australien (1:3) als auch im Spiel um Platz 3 gegen Indien (4:5) gehen beide Spiele verloren. Am Ende feiern die amtierenden Weltmeister Niederlande (Damen) und Belgien (Herren) ihren Olympiasieg, Deutschland muss sich mit den Plätzen vier und sechs zufriedengeben. Erstmals wieder seit Sydney 2000 gibt es keine olympische Medaille für den DHB.

Die Olympischen Spiele in Tokio bringen am Ende mehr Leid als Freud für das deutsche Hockey. Aus den erhofften Medaillen wird nichts, die Damen werden Sechster, die Herren Vierter. Foto: Worldsportpics

A-Teams: EM-Silber läuft ziemlich unterm Radar

In einem olympischen Jahr verblassen alle anderen Events. So werden die (wenigen) Spiele in der FIH Pro League 2020/21 und selbst die Europameisterschaft 2021 unwillkürlich zu kleineren und größeren Vorbereitungsmaßnahmen in Richtung Tokio degradiert. Bei der EM in Amsterdam Anfang Juni schaffen es beide deutschen Mannschaften ins Endspiel, Gegner sind – in einem mit erlaubt 3500 Zuschauern gut gefüllten Stadion - in beiden Fällen Gastgeber Niederlande. Die DHB-Damen fordern den „unschlagbaren“ Weltmeister stark, müssen sich am Ende trotzdem 0:2 geschlagen geben. Bei den Herren fehlen neun Sekunden zum Triumph. Bei einer 2:1-Führung kassiert die deutsche Mannschaft noch ein spätes Strafeckentor, im fälligen Shoot-out sind die Holländer dann mit 4:1 nervenstärker. Als im Herbst in Brüssel die neue Saison der Pro League beginnt, werden die Belgien-Spiele zugleich die Abschiedsvorstellungen der beiden Bundestrainer. Sowohl Kais al Saadi als auch Wochen später Xavier Reckinger geben bekannt, dass sie zum Jahresende ihren Posten räumen werden. Mit André Henning als neuer Herren-Chefcoach kann der Verband kurz vor Weihnachten wenigstens eine Lücke vor Jahresende schließen.

Nachwuchs: Top in Europa, Vize bei der WM

Die deutschen U-Teams scheinen die Pandemiebeeinträchtigungen (komplett ausgefallenes Maßnahmenpaket im Jahr 2020) gut weggesteckt zu haben. Bei der um ein Jahr verschobenen U18- und dann eben U19-EM in Valencia im Juli sind sowohl die Mädchen als auch die Jungen für alle anderen Gegner nicht zu bezwingen – Deutschland wird Doppel-Europameister! Ein halbes Jahr später stehen die U21-Weltmeisterschaften an. In Bhubaneswar kämpfen sich die deutschen Junioren ins Endspiel. Argentinien verhindert mit beeindruckender Effizienz bei den Strafecken den zum Greifen nahen siebten deutschen WM-Titelgewinn in dieser Altersklasse. Bitter für die Juniorinnen: Drei Tage vor dem Abflug nach Potchefstroom sagt der Weltverband das WM-Turnier ab, weil gerade in Südafrika eine neue Virusvariante die Welt in Alarmbereitschaft versetzt. Ob und wann es eine Neuansetzung der WM gibt, steht erst einmal in den Sternen, auch wenn die 16 Teams vehement um ihr Turnier kämpfen.

Michel Struthoff (in weiß) erlebt ein Jahr auf der Überholspur: erst U19-Europameister, dann Deutscher Meister mit der U18 des UHC Hamburg und schließlich U21-Vizeweltmeister. Foto: Worldsportpics

National: Erster Feldtitel für Düsseldorf

Nach der abgesagten Hallensaison 2020/21 bleibt es im Kalenderjahr 2021 bei nur einer nationalen Meisterschaftsentscheidung. Nach der längsten Feldsaison der Bundesliga-Geschichte, im September 2019 gestartet und bis April 2021 gestreckt, haben die vier Mannschaften der Damen und Herren, die am 8./9. Mai schließlich beim Final-Four-Turnier in Mannheim dabei sind, immerhin 27 Ligaspiele und zwei oder gar drei Viertelfinalpartien auf dem Buckel. Im 75. DM-Endspiel der Damen geht es zwischen Düsseldorfer HC und Gastgeber Mannheimer HC nach 1:1 ins Shoot-out, wo der DHC 3:1 triumphiert und erstmals im Feld den blauen Wimpel holt. Das 78. Finale der Herren ist ein West-Duell, bei dem sich Rot-Weiss Köln mit 1:0 gegen Uhlenhorst Mülheim durchsetzt und seinen neunten Feldtitel feiert.

Beim Nachwuchs wird die Deutsche Feldmeisterschaft zum großen Triumphzug für Hamburg. Fünf der sechs Titel gehen in die Hansestadt. Alleine dreimal triumphiert der Harvestehuder THC (WU18, MU16, WU14), die Nachbarn Uhlenhorster HC (MU18) und Club an der Alster (MU14) vervollständigen den großen Hamburger Wurf. Der einzige blaue Meisterwimpel nach “woanders“ geht an die WU16 vom Club Raffelberg. Die Länderpokale gewinnen Hamburg (Franz-Schmitz-Pokal; MU16) und Westdeutschland (Hessenschild; WU16).

Bundesliga: Im zweiten Anlauf klappt es

Im ersten Anlauf, die Bundesliga mit all ihren Pflichten aber auch Chancen aus dem großen und für viele eben trägen Verbandsbetrieb herauszulösen, reichte es nicht ganz. Beim Bundestag 2019 in Grünstadt bekam ein entsprechender Antrag zwar die Mehrheit der Delegiertenstimmen, aber eben nicht ausreichend für eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Und die hätte man gebraucht, um eine entsprechende Änderung der DHB-Satzung vorzunehmen. Noch am Ort des Scheiterns gründeten die Liga-Aktivisten wie zum Trotz den Verein Hockeyliga. In diesem Zusammenschluss von Erst- und Zweitligaclubs wurde der zweite Versuch sorgsam vorbereitet.

Anfangs mündet das eher in einen Konfrontationskurs contra Verband, der nach personellen Wechseln zunächst selber Probleme hat, sich in dieser Frage zu positionieren. Irgendwann raufen sich dann aber doch alle zusammen und beginnen mit der gemeinsamen Suche nach Lösungen. Ende Januar steht schließlich ein Papier, das die künftige Zusammenarbeit zwischen DHB und eigenständigem Ligaverband regelt. Dieser Kooperationsvertrag wird in allen möglichen Gremien vorgestellt und abgesegnet, so dass am Ende der eigentliche Beschlussakt auf dem Bundestag 2021 fast nur noch eine kleine Formalie ist.

Mit Startschuss der Feldsaison 2021/22 Anfang September übernimmt der Hockeyliga e.V. die Geschäfte der Bundesliga, nach 50 Jahren ist ein neues Kapitel aufgeschlagen.

Bundestag: Alles digital und am Ende ganz klar

Der 54. Ordentliche Bundestag soll im Mai in Berlin stattfinden. Die Pandemie macht den Planungen einen Strich durch die Rechnung. Man verlegt sich auf eine reine Digitalveranstaltung. Aber sonst läuft alles wie geplant: Der DHB bekommt mit Carola Morgenstern-Meyer und Henning Fastrich erstmals in seiner Geschichte zwei gleichberechtigte Präsidenten an der Spitze. Ebenso widerspruchslos und fast ohne Gegenstimmen wird die Bundesliga-Reform im zweiten Anlauf durchgewunken. Digital hat schon ein paar Wochen vorher die Jugend getagt. Andreas Knechten folgt auf die nicht mehr kandidierende Anette Breucker als Bundesjugendwart. Auf seinen Antrag hin wird ein alter Zopf bei der Bezeichnung der Jugendaltersklassen abgeschnitten.

Schiedsrichter: Es läuft gut in Tokio

Deutlich zufriedener als die deutschen Mannschaften kehren die beiden nominierten DHB-Schiedsrichter aus Tokio zurück. Beim Karrierehöhepunkt Olympia bekommen Michelle Meister und Benjamin Göntgen beide ihren Halbfinaleinsatz und gute Kritiken. Olympianovize Göntgen pfeift außerdem das EHL-Endspiel. Der 37-Jährige tritt immer mehr aus dem Schatten von Christian Blasch. Die jahrelange Nummer eins der deutschen Unparteiischen ist auch für Tokio nominiert gewesen. Mit der fünften Olympiateilnahme seine grandiose internationale Laufbahn beenden – Blaschs Meniskus hat was dagegen. Absage. Nicht immer ist Corona schuld, wenn was nicht zustande kommt.  

Und sonst: Pleite bei der EHL, FIH-Wahl kurios

Eine ziemliche Pleite für die deutschen Teilnehmer wird das Finalturnier der Euro Hockey League 2021. Bei der auf vier Teams zusammengeschrumpften Veranstaltung über die Osterfeiertage in Amsterdam scheitern die Damen vom Club an der Alster und die Herren des HTC Uhlenhorst Mülheim als deutsche Meister 2019 im Halbfinale jeweils an spanischen Gegnern, auch das Spiel um Platz 3 verlieren beide. So bleibt es bei einem singulären deutschen EHL-Gewinner in Person von Florian Fuchs, der mit dem HC Bloemendaal zum zweiten Mal die europäische Vereinskrone holt. Bei den Damen geht die EHL-Premiere im Miniformat ebenfalls an ein niederländisches Team (HC Den Bosch).

Wenig Gelegenheiten, sich in Coronazeiten sportlich zu betätigen, haben die Seniorinnen und Senioren aller Altersklassen. Sämtliche internationalen Wettbewerbe für 2021 sind schon im Vorjahr gecancelt worden. So ist man in der deutsche Mastersszene schon froh, wenn auf nationaler Ebene in kleinerem Rahmen etwas läuft, wie zum Beispiel beim Silberschild der M50 in Bad Kreuznach, beim ein oder anderen Löwenpokalspiel der Städteseniorenteams oder bei kleineren deutsch-holländischen Austausch.

Dass bei der weltweiten Wahl der besten Hockeysportler des Jahres 2021 die Siegerpreise in acht Kategorien allesamt nach Indien wandern und Vertreter der Olympiasieger-Nationen Niederlande und Belgien komplett leer ausgehen, empfinden viele als Witz des Jahres. Der Weltverband FIH gerät für den Wahlmodus seiner „FIH Hockey Stars Awards“ ziemlich unter Beschuss.    

lim