23.03.2022
Sie hatten darum gekämpft, aber so richtig offenbar nicht mehr daran geglaubt. Als Ende November vorigen Jahres die 9. Juniorinnen-Weltmeisterschaft wenige Tage vor dem geplanten Beginn kurzerhand abgesetzt wurde, weil ausgerechnet im WM-Ausrichterland Südafrika die neuartige Omikron-Variante des Coronavirus in großem Stil ausgebrochen war, da herrschte bei den U21-Talenten Enttäuschung vor.
Sie fürchteten, ohne ein WM-Erlebnis ihre Jugendhockeyzeit abschließen zu müssen. Schließlich lag die letzte Juniorinnen-Weltmeisterschaft lange fünf Jahre zurück, wo noch keine aus der heutigen Generation hätte mitwirken können. Vier Monate später nun gibt es doch noch ein Happy End. Das Turnier in Potchefstroom wird nachgeholt und beginnt am 1. April.
„Nach der Absage im November war erstmal große Unsicherheit und Enttäuschung“, gibt Bundestrainer Akim Bouchouchi Einblicke in die Stimmungslage im deutschen Lager. Man hatte die Koffer schon gepackt, ehe man durch die Turnierabsage kalt erwischt wurde. Doch schnell erwuchs damals auch Tatkraft, zusammen mit den anderen 15 WM-Teams sich nicht einfach still dem Schicksal beugen zu wollen, sondern beim Weltverband FIH um einen Nachholtermin zu kämpfen. Die weitere Entwicklung der Pandemie stand einem Gelingen der Aktion „Please let us play!“ genauso im Weg wie ein recht gut gefüllter Terminkalender auf allen Ebenen des Hockeysports. „Umso erfreuter waren wir dann, dass die Neuansetzung des Turniers doch noch zustande kam“, so der Bundestrainer.
Die deutsche U21 im November 2021 in Sevilla beim Abschlusslehrgang zur ursprünglichen WM. Foto: Ebert
Die Neuterminierung der WM auf 1. bis 12. April brachte natürlich auch für die einzelnen Nationen viel Aufwand mit sich. Vor allem nationale Spielpläne galt es kurzfristig anzupassen und eine Kollision mit der EHL an Ostern zu entzerren. Nicht alle Verbände bekamen das auf die Reihe. Und so gaben Spanien, Belgien und Japan ihre Startplätze für Potchefstroom zurück. Längerfristig hatten ja bereits Australien und Neuseeland wegen der strengen Reisevorschriften ihrer Länder im Zuge der Pandemie ihren Teilnahmeverzicht erklärt. Ganz aktuell kam noch der von der FIH verfügte Ausschluss der russischen Mannschaft als Zeichen des internationalen Sports gegen die russische Kriegsinvasion in der Ukraine.
Apropos Ukraine. Noch ist nicht sicher, ob das ukrainische U21-Team tatsächlich die Reise nach Südafrika wird antreten können. Falls es aber doch klappt, haben die Hockeyverbände von Polen und den Niederlanden durch bewundernswerte logistische und finanzielle Unterstützung der Ukraine-Delegation entscheidenden Anteil.
Auch in Deutschland war ein ziemlicher Kraftakt vonnöten, um Freiräume für das U21-Nationalteam zu schaffen. Am ersten April-Wochenende hätte die Damen-Bundesliga in ihre Feld-Rückrunde starten sollen. Der Plan musste komplett revidiert werden. „Man hat auf allen Seiten sofort gemerkt, dass da ganz viel Unterstützung vorhanden ist“, sah Akim Bouchouchi ein gutes Zusammenspiel zwischen dem Hockeyliga e.V., den Bundesligaclubs, dem DHB und den Bundestrainern, um den Juniorinnen ihre WM-Teilnahme doch noch zu ermöglichen. Mit dem Ergebnis, dass die höchste Damenliga ihr Programm nun erst am 23. April beginnt und die Erstligisten dann auch mit den WM-Fahrerinnen planen können, die in vielen Teams ja zum eigentlich unverzichtbaren Stammpersonal gehören. „Danke an alle Beteiligten, es ist auch ein Beispiel für das gute Miteinander aller Ebenen“, lobt Bouchouchi.
Eine große Unterstützung erhielt der U21-Coach auch vom Bundestrainerkollegen Valentin Altenburg. Der neue Damen-Cheftrainer bot Bouchouchi an, die auf 12./13. März terminierten Pro-League-Spiele der deutschen Damen in Indien quasi dem Juniorinnen-Team zur WM-Vorbereitung zu überlassen und die älteren DANAS stattdessen bei einem Arbeitslehrgang weiter kennenzulernen und auf die nächsten Aufgaben vorzubereiten. „So war es für beide Seiten eine Win-Win-Situation“, sah Akim Bouchouchi ausschließlich Vorteile.
Den Gruppensieg als Zwischenziel
Wertvoll war die in Bhubaneswar gemachte „super Erfahrung“ (Bouchouchi) nicht nur wegen der achtbaren Ergebnisse gegen den Olympia-Vierten Indien (zweimal 1:1; siehe Seite 4/5), sondern auch, um praktische Erfahrung mit dem asiatischen Spielstil zu bekommen. So etwas ist im Nachwuchsbereich eine absolute Rarität. Und schließlich kommen mit Malaysia und Indien die ersten zwei der drei deutschen WM-Gruppengegner aus Asien. Der europäische Nachbar Wales ist der dritte Konkurrent in der ersten Turnierphase, wo in allen vier Gruppen die Tabellenersten und -zweiten weiter im Titelrennen bleiben. „Wir wollen als Gruppenerster ins Viertelfinale. Platz eins in der Gruppe D ist ein realistisches Ziel, darauf konzentrieren wir uns erst einmal“, nennt der Bundestrainer den Fahrplan. Wenn alles normal läuft, dürfte man damit auch WM-Titelverteidiger Argentinien als klarem Favoriten in der Gruppe C aus dem Weg gehen können und stattdessen im Viertelfinale am 8. April auf Korea oder Uruguay oder die für Russland kurzerhand ins WM-Feld gesprungenen Österreicherinnen treffen.
Sollte das erste K.o.-Spiel erfolgreich überstanden werden, ginge es für die DHB-Auswahl dann im Halbfinale gegen den Gewinner des Viertelfinalspiels zwischen dem Sieger der Gruppe B und dem Zweitplatzierten der Gruppe A um den Einzug ins Endspiel. „Ins Halbfinale und letztlich in den Medaillenbereich zu kommen, ist für die Qualität unseres Teams schon ein realistisches Ziel“, sagt der Bundestrainer, betont aber zugleich: „Wir sind nicht so vermessen, ein großes Ergebnisziel auszurufen, weil die aktuelle Spielstärke einer U21-Konkurrenz immer ganz schwer vorherzusagen ist, vor allem jetzt zu Pandemiezeiten.“
Auch Mannschaftskapitänin Lisa Nolte gibt zu bedenken, dass es schwierig sei, konkrete Platzierungserwartungen zu stellen, weil man noch nie gegen Teams aus den anderen Kontinenten gespielt habe. Dennoch gibt sich die Düsseldorferin in der WM-Vorschau des Welthockeyverbandes selbstbewusst. „Nach so langer Zeit ist es der richtige Moment, um wieder auf dem Podium zu stehen“, spielt Nolte dort auf die überschaubare Medaillenausbeute deutscher Juniorinnenteams bei Weltmeisterschaften an. Zuletzt vor 17 Jahren stand da eine deutsche U21-Vertretung auf dem Podest (Silber 2005; mehr zur Bilanz auf Seite 11).
Personell ist der deutsche WM-Kader praktisch unverändert gegenüber dem 20er-Aufgebot vom November. Akim Bouchouchi: „Es war klar, dass kein neuer Nominierungsprozess eröffnet wird.“ Trotzdem wurde aus gesundheitlichen Gründen noch ein Austausch auf einer Position nötig. So rutschte Inma Hofmeister (für Yara Mandel) ins Team.
Hofmeister zählt zu den sieben Vertreterinnen des Jahrgangs 2000, für die mit der WM die Zeit in Nachwuchskadern definitiv endet. Für alle jüngeren wartet in vier Monaten mit der U21-Europameisterschaft 2022 bereits das nächste internationale Event. „Damit geht es dann nach Ostern los“, sagt der Bundestrainer, der sich nach der WM mit dem Kollegen Altenburg auch dahingehend zusammensetzen will, um für alle Kandidatinnen auszuloten, wer mittelfristig eine Perspektive hat, um bei den Danas eine Rolle zu spielen. Schließlich sei es „bis Paris 2024 auch nicht mehr so lang“.
Am 26. März geht die Reise nach Südafrika los. Vorort sind bis zum WM-Start noch zwei Testspiele vereinbart. lim
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