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Stan Huijsmans: „Struktur geben und mit einfachen Prinzipien arbeiten“

05.05.2022

Seit vergangenem Wochenende steht fest, dass die Damen des Berliner HC ins DM-Viertelfinale einziehen werden. Nach seinem 4:1-Erfolg bei Club Raffelberg hatte das Team von Trainer Stan Huijsmans bereits vor dem letzten Spieltag Gewissheit, nicht in die Abstiegsrunde zu müssen. Im Interview mit DHZ-Mitarbeiterin Claudia Klatt spricht der Niederländer über die aktuelle Situation und was alles passen müsste, damit seine Mannschaft in der Play-off-Phase gegen einen höher platzierten Gegner eine echte Chance auf den Einzug ins Final-Four haben kann.

Die DM-Endrundenteilnahme wäre ein wunderbares Abschiedsgeschenk, denn nach drei Jahren bei den BHC-Damen wird der 38-jährige Trainerprofi (seit 2015 EHF High Performance Coach; seit 2019 mit der A-Trainer-Lizenz des DHB ausgestattet) im Sommer die deutsche Hauptstadt verlassen und in Hamburg die Nachfolge von Jens George beim Club an der Alster antreten.

Herr Huijsmans, was bedeutet das zurückliegende Spielwochenende für Sie und Ihr Team?  

STAN HUIJSMANS: Dieses Wochenende war für uns natürlich sehr wichtig, weil wir am Samstag das Viertelfinale schon erreicht haben. Das war erst einmal wichtig. Dazu kommt noch, dass wir gegen Flottbek letzte Woche nicht unsere beste Leistung gezeigt haben, weil wir nicht das gespielt haben, was wir draufhaben. Das war enttäuschend und wir wollten es gegen Raffelberg einfach gut machen und zeigen, was wir können, und das hat auch geklappt. Am Sonntag gegen Mannheim haben wir auch ein gutes Spiel gemacht, wir haben viel verteidigen müssen. Wir müssen auch ehrlich sein, MHC hat eine sehr gute Mannschaft mit sehr viel Qualität. Das hat sich auch im Spiel gezeigt. Trotzdem denke ich, dass wir Chancen gehabt haben und gut verteidigt haben, dass wir auch offensive Szenen und Kreisszenen gehabt haben. Damit müssen wir jedoch nun auch noch clever umgehen und es versuchen umzusetzen, in Torschüsse oder Ecken.

Haben Sie nach dem Wochenende davor, insbesondere nach der Niederlage gegen Flottbek, gedacht, dass Sie die Play-offs nicht erreichen könnten?

Nach dem Spiel gegen Flottbek war es eher so, dass wir einfach enttäuscht waren. Wir waren in dem Spiel die meiner Meinung nach deutlich bessere Mannschaft. Wir haben viel Ballbesitz gehabt und haben viel gedrückt und haben sehr viele Kreisszenen gehabt, auch Ecken. Dass wir diese Chancen einfach nicht genutzt haben, war in meinen Augen am meisten enttäuschend. Ich habe nicht gezweifelt, dass wir das Viertelfinale erreichen oder wir nun nach unten gucken müssen, weil wir eben genügend Chancen hatten. Ich bin stolz auf die Mannschaft, dass sie einen Tag später gegen Harvestehude, was eine schwer zu bespielende Mannschaft ist, eine gute Reaktion gezeigt haben. Die Mädels sind da sehr gut mit umgegangen, wir haben noch einmal kurz miteinander gesprochen und sehr schnell den Fokus auf HTHC gehabt. Die Mädels haben den Spielplan gut umgesetzt, im Kreis sehr effektiv gespielt und das Spiel gewonnen. Ich war sehr zufrieden damit, und ich glaube, dass das sehr wichtig war nach dem verlorenen Spiel gegen Flottbek.

Wie gehen Sie in das letzte Ligaspiel?

Da haben wir Alster auswärts und gehen ganz entspannt hin. Auch dort muss man realistisch sein, von der Qualität her ist Alster ebenfalls eine sehr gute Mannschaft. Auch in diesem Spiel wird es wichtig sein, Ballgewinnsituationen und Konterchancen zu nutzen, um ein gutes Ergebnis mitzunehmen nach Berlin.

Was ist es für ein Gefühl, gegen Ihre zukünftige Mannschaft zu spielen?

Für mich persönlich ist es noch nicht so etwas Besonderes, der Fokus liegt natürlich auf der Aufgabe, die ich mit dem BHC habe. Das bedeutet, dass wir am Sonntag gegen einen Gegner spielen, gegen den wir etwas holen wollen. Für mich ist es eigentlich ein ganz normales Spiel, und wenn die Saison vorbei ist und die Aufgaben mit dem BHC erledigt sind, dann freue ich mich auf die neue Aufgabe, die ich mit Alster habe. Dann geht es nach Hamburg, und dann geh ich da an die Arbeit mit dieser Mannschaft, aber erst liegt der Fokus auf dem BHC.

Engagiert an der Seitenlinie: Stan Huijsmans, niederländischer Cheftrainer der Bundesligadamen des Berliner HC, am vergangenen Sonntag beim mit 0:2 verlorenen Auswärtsspiel beim Tabellenführer Mannheimer HC.  Foto: Foto2press


Wie wertvoll ist Ihre Erfahrung aus der Hallensaison für das Feld-Viertelfinale?

Das war schon sehr wertvoll für uns. Ich glaube, dass es generell immer gut ist, als Sportlerin oder Sportler Entscheidungsspiele oder K.o.-Spiele zu spielen. Das ist in der Halle und auch auf dem Feld so. Wir müssen daraus lernen, wir haben da ja auch ein Spiel gegen Köln gehabt, wo mehr drin war. Wenn es so läuft, wie es jetzt aussieht, dann haben wir vermutlich ein Viertelfinale gegen Düsseldorf. Dort sind wir wohl noch deutlicher Underdog, als wir es in der Halle gegen Köln waren. Es wird vom Spiel her schon noch einmal etwas anderes sein. Aber trotzdem müssen wir daraus etwas mitnehmen, und was für uns tatsächlich der wichtigste Punkt ist, den wir da rausziehen können, ist, dass so ein Spiel in Details entschieden wird, also Eckenherausgabe, Eckenstopp, Eckenschlenzer, das individuelle Abwehrverhalten im Kreis, ganz kleine detaillierte Sachen. Dabei müssen wir einfach wach sein und das gut machen, und dann haben wir, glaube ich, auch gegen Düsseldorf eine Chance.

Was sind die Stärken Ihrer Mannschaft, und wie hat sie sich in Ihrer gemeinsamen Zeit entwickelt?

Ich glaube, dass wir uns generell so über die letzten zweieinhalb, drei Jahre sehr gut entwickelt haben. Der Kader ist größer geworden, die Konkurrenzsituation ist größer geworden, man muss mehr im Training untereinander kämpfen, das hat sich verstärkt in den letzten Jahren. Dazu kommt, dass der BHC defensiv eine unglaublich starke Mannschaft ist, die Mädels kämpfen gerne miteinander und füreinander. Nun kommt noch dazu, dass ich in meiner gesamten Zeit beim BHC noch nie erlebt habe, dass wir gegen einen Gegner gespielt haben, gegen den wir keine Chance hatten. Es ist immer so, dass wir Chancen haben, dass wir offensive Szenen haben, dass wir Kreisszenen haben, dass wir nach vorne was machen und dass wir da auch versuchen, Tore zu erzielen. Das Defensive ist eine Stärke, der Kampfgeist und ich glaube, generell haben wir große spielerische Fortschritte gemacht. Offensiv haben wir jetzt mehr Szenen nach vorne, da haben wir auch viel dran gearbeitet über die letzten Jahre, was auch in einer sehr starken Hinrunde resultiert hat, die wir gespielt haben. Das macht die Mannschaft aus. Wir nehmen das auch mit in die letzten Saisonspiele und freuen uns sehr darauf.

Bei der weiblichen U21-Nationalmannschaft sind Sie ebenfalls aktiv. Wie spannend ist das?

Es ist natürlich ganz anders als meine Rolle beim BHC. Dort bin ich Co-Trainer, und beim BHC habe ich die Verantwortung für die ganze Mannschaft. Es war eine richtig coole Erfahrung bei der Weltmeisterschaft mit einer sehr talentierten Mannschaft, die auch gute Leistungen gebracht hat. Ich glaube sogar, dass da noch mehr drin war, unsere Mannschaft war sehr gut drauf, und wir haben auch viele besondere Spielerinnen, die die Spiele für uns entscheiden können. Die Balance in der Mannschaft war generell sehr gut. Ich hatte das Gefühl, wenn wir unsere Leistung im Finale voll abgerufen hätten, dann hätten wir auch gegen Holland gewinnen können. Der Unterschied zwischen den Niederlanden und Deutschland ist dort vor allem, dass die holländischen Spielerinnen schon ein Basisniveau haben, zum Beispiel im technischen Bereich, das absolute Weltspitze ist. Alle können richtig gut alle Bälle, die in ihre Reichweite kommen, direkt kontrollieren und können mit Vor- und Rückhand Pässe spielen, das macht das Verteidigen anders und schwieriger. Es war eine richtig coole Erfahrung, und Vizeweltmeister ist eine Leistung, auf die wir stolz sein können.

Was treibt Sie persönlich an?

Das ist einfach Ehrgeiz. Ich bin sehr ambitioniert und möchte gern mit meiner Mannschaft viel erreichen. Dabei fange ich immer mit den kleinen Sachen an, damit die Spielerinnen besser werden, und davon bekomme ich Energie. Es müssen nicht große Schritte sein, um direkt das perfekte Spiel zu spielen. Aber wenn jede Spielerin in der Mannschaft Schritte vorwärts macht und sich entwickelt, um eine bessere Bundesliga- oder Nationalspielerin zu werden, dann freut mich das immer und gibt mehr sehr viel Energie.

Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Trainer aus?

Ein guter Trainer versucht, auch selbst zu lernen und sich zu verbessern. Wenn wir Trainer von Spielern und Spielerinnen erwarten, dass sie sich Mühe geben, trainieren, Spielbesprechungen umsetzen, Ziele erreichen und lernen, dann müssen wir uns als Trainer auch selbst entwickeln. Ich habe in den Niederlanden ein Studium zum Sportlehrer absolviert, und das ist pädagogisch, didaktisch und methodisch eine gute Grundlage. Dazu habe ich immer extra Kurse, Workshops und Fortbildungen gemacht und lerne gerne etwas Neues. Als Trainer ist es wichtig, Prioritäten zu setzen, in jedem Spiel laufen Sachen gut und manche nicht gut. Man kann nicht alles in kurzer Zeit verbessern. Man sollte die Punkte rausfiltern, die einem wichtig sind und dann das Thema ein paar Wochen trainieren, entweder in verschiedenen Übungen oder Spielformen. Ich versuche dabei, selbst immer positiv zu bleiben. Das bedeutet, dass ich in Videobesprechungen meiner Mannschaft auch zeige, was wir gut machen und natürlich auch die Themen, woran wir noch arbeiten müssen. Hockey kann sehr kompliziert und detailliert sein. Für mich ist es wichtig, meiner Mannschaft Struktur zu geben und mit einfachen Prinzipien zu arbeiten. Dann wissen alle Spielerinnen, was sie voneinander erwarten können, und dann ist da auch Raum fürs Mitdenken und die Kreativität von allen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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