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Selin Oruz: Kandidatin für „Sportstipendiat:in des Jahres“

Nach starker Leistung bei den Europameisterschaften 2021 und dem Gewinn der Silbermedaille endeten die Olympischen Spiele in Tokio 2021 für Hockeyspielerin Selin Oruz mit einem sechsten Rang. Doch direkt nach den Spielen meisterte die 25-jährige Medizinstudentin – Tochter zweier Ärzte – eine Vielzahl an Klausuren und bestand auch das zweite Staatsexamen. Im Mai 2022 begann sie ihr Praktisches Jahr im Klinikum und kommt ihrem Traumberuf als Ärztin immer näher. Jetzt ist Selin Oruz in den Kandidatenkreis bei der Wahl „Sport-Stipendiat:in des Jahres“ aufgenommen worden.

Deutsche Bank und Sporthilfe vergeben die Auszeichnung für Spitzenleistungen in Sport und Studium. Nachstehend ein Interview mit der Stiftung Deutsche Sporthilfe.

Selin, bei Deinen zweiten Olympischen Spiele 2021 sprang für die „Danas“ am Ende Rang sechs heraus – sicherlich nicht das, was Ihr Euch erwartet hattet. Was hast Du dennoch Positives von den Spielen in Japan mitgenommen?  


SELIN ORUZ: Die Enttäuschung in der Mannschaft war sehr groß. Natürlich hätten wir uns alle eine Medaille gewünscht, vor allem, nachdem die Gruppenphase wirklich super gelaufen ist. Rückblickend bleibt aber ein positiver Eindruck aus Tokio. Olympische Spiele sind für uns Amateursportler das Allergrößte, die Japaner waren sehr gastfreundlich und als Team sind wir während der Corona-Pandemie noch enger zusammengewachsen. Insgesamt waren es daher andere, weniger magische Spiele als 2016 in Rio, aber immer noch großartig.

Nach den Olympischen Spielen hast Du Dich schnell wieder in Dein Medizinstudium gestürzt. Wie sahen die Wochen und Monate nach Tokio aus?

Während Tokio lief noch mein Semester, ich hatte daher ein paar Folien dabei und immer wieder zwischendurch reingeschaut. Im Wintersemester habe ich die Klausur, die ich wegen der Spiele verpasst hatte, direkt nachgeholt, daneben musste ich noch für weitere sehr intensive Abschlussklausuren und das zweite Staatsexamen lernen. Das war so viel, dass ich bis April dieses Jahres im Lernmodus war, von morgens bis abends Bücher wälzen musste. Daneben habe ich aber auch schnell wieder mit Bundesliga-Hockey in meinem Team in Düsseldorf angefangen. Dieser Ausgleich war und ist mir sehr wichtig.


Wie gelingt es Dir, schon seit Jahren diese Doppelbelastung zu meistern?

Das werde ich von jüngeren Hockeyspielerinnen oft gefragt – und ich frage mich das eigentlich auch selbst, weil ich manchmal durchaus mit der Doppelbelastung aus sehr aufwendigem Studium und Leistungssport gehadert habe. Auch als Leistungssportler musste ich an 80 Prozent der Veranstaltungen anwesend sein, das ist kaum zu schaffen. Das Studium erfordert sehr viel Struktur, Disziplin, Vorausplanung und es bleibt vieles auf der Strecke, etwa Freunde, Familie oder Freizeit. Trotzdem hat mich die Berufsaussicht immer angespornt, weil der Arztberuf mein ganz großes Ziel war und noch immer ist.

Selin Oruz auf ihrem „Heimplatz“, dem Kunstrasen des Düsseldorfer HC. Die Nationalspielerin und Medizinstudentin hat eine Vielzahl an Herausforderungen zu stemmen - die Stiftung Deutsche Sporthilfe hilft dabei.  Foto: Sporthilfe


Du bist im Mai direkt ins Praktische Jahr gestartet. Wie viel Platz ist im Leben einer Ärztin noch für den Leistungssport?

Ich bekomme es über eine Mitspielerin in der Nationalmannschaft mit, die bereits als Ärztin arbeitet. Ob das auf Dauer etwas für mich ist – keine Ahnung. Ich bin neben dem Sport schon mein ganzes Leben lang zweigleisig gefahren, habe alles gegeben, um eine Duale Karriere hinzulegen. Aber eine volle Stelle plus Leistungssport mit den vielen Reisen und Lehrgängen, das ist extrem tough. In Frage käme für mich am ehesten eine Teilzeitstelle, denn bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris möchte ich schon noch weitermachen.

Auf Deinem Weg bekommst Du seit sieben Jahren Unterstützung von der Deutschen Sporthilfe und durch das Deutsche Bank Sport-Stipendium. Was bedeutet Dir diese Förderung?

Das ist die Grundlage dafür, überhaupt den Sport ausüben zu können. Ich habe das Glück, Eltern hinter mir zu haben, die mich im Zweifel auch auffangen würden. Dieses Netz möchte ich aber nicht in Anspruch nehmen, ich bin eine Person, die gerne früh auf eigenen Beinen stehen will. Einen Nebenjob neben Sport und Studium hätte ich niemals hinbekommen, deshalb kann ich guten Gewissens sagen: Ohne die Sporthilfe wäre ich bestimmt nicht da, wo ich jetzt bin.

Du hast Paris 2024 bereits angesprochen – was treibt Dich an, weiterzumachen?

Diese Frage habe ich mir auch gestellt. Viele im Team haben bereits Rio erlebt, nun Tokio und der Alltag ist wirklich sehr anstrengend. Unter dem Strich treibt mich neben dem Spaß und der Leidenschaft vor allem die Entwicklung des Teams über die Jahre an. Als Danas verdienen wir mehr als Platz sechs aus Tokio, ich hatte das Gefühl, das kann es jetzt noch nicht gewesen sein. Wir wollen und müssen jetzt noch einmal allen zeigen, was wirklich in uns steckt.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Bis zum 10. Juli 2022 kann jede:r unter www.sportstipendiat.de den oder die Nachfolger:in von Leonie Meyer, Kitesuferin und angehende Ärztin, wählen. Unter allen Teilnehmer:innen des Online-Votings wird ein iPad verlost. Als Stimme für eines der Talente zählen zusätzlich die Likes unter den jeweiligen Social-Media-Posts der Athlet:innen.
 

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