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Jamilon Mülders: „Meine Person war in dieser Geschichte zweitrangig“

Mit einer kleinen Co-Trainer-Rolle fing es im September 2021 an. Zehn Monate später hatte Jamilon Mülders als Interims-Cheftrainer die niederländischen Damen zum Weltmeistertitel geführt. Jetzt ist der 46-jährige Deutsche die weltweit erst dritte Person, die als Spieler und Trainer Hockey-Weltmeister geworden ist. Was Mülders dazu sagt, wie er den Weg zum jüngsten WM-Titel erlebt hat, wie er die Performance der Danas gesehen hat, was das erfolgreiche Projekt mit seiner Masterarbeit zu tun hat und wie es vielleicht mit ihm beruflich weitergeht, hat er im ausführlichen Gespräch mit DHZ-Redaktionsleiter Uli Meyer erzählt.

Herr Mülders, der WM-Sieg der niederländischen Damen mit Ihnen als Cheftrainer ist jetzt zwei Wochen her. Quillt die Mailbox oder der Briefkasten noch über vor Glückwünschen, oder herrscht bei Ihnen längst schon wieder Alltag?  

JAMILON MÜLDERS: Da kommt immer noch genug an. Zuletzt von Menschen, die sich bewusst ein bisschen später melden und nicht im Trubel unmittelbar nach dem Endspiel.

Wer gesehen hat, wie das Oranje-Team den WM-Titel holte und draußen am Spielfeldrand ein Coach stand, der eine harmonische Einheit mit Staff und Spielerinnen bildete, kann sich kaum vorstellen, dass vor einem halben Jahr keiner diesen Job machen wollte. Warum war das so?

Schön, dass Sie das so wahrgenommen haben. Das freut uns alle sehr. Der Zeitpunkt einer Neubesetzung war im Januar 2022 höchst unglücklich. Da stehen alle, die irgendwo in Frage kommen, im Normalfall unter Vertrag. Irgendwelche Kompromisse mit Clubtrainern machen zu müssen, wäre aus Sicht des Verbandes nicht so glücklich gewesen. Gespräche sind sicher geführt worden. Da hat beim einen das Timing nicht gestimmt, beim anderen war vielleicht der Respekt vor der Aufgabe zu groß. Fakt war einfach, dass meine Bereitschaft zunächst auf drei bis fünf Wochen ausgelegt war und dann letztendlich deutlich wurde, dass sich bis zur WM niemand findet. Dann sind wir gemeinsam zu einer Entscheidung gekommen.

Sie haben dann die Sache entgegen Ihrer ursprünglichen Planung fortgeführt. Warum?

Ich hätte mich auch umdrehen und gehen können. Keiner hätte mir das krumm nehmen können. Ich habe aber in meiner Zeit hier wunderbare Menschen angetroffen, die es auch verdient haben, dass ich sie unterstütze. Auf der anderen Seite habe ich auch gesehen, dass ich der Gruppe geben kann, was sie nötig hatte. Nach Gesprächen mit Verband und Mannschaft haben wir irgendwann gemerkt: Eine andere Lösung gibt es gerade nicht. Am Ende ist im Rahmen unserer Pro-League-Maßnahme in Valencia Anfang Februar die Entscheidung bei mir gefallen, und ich habe meine Familie über die bevorstehende Veränderung informiert.

Jamilon Mülders am 17. Juli hinter dem WM-Pokal, begleitet von seinem Staff (von links) mit Stefan Hoogewerff (Physio), Marieke van Doorn (Ärztin), Franc Backelandt (Physio), Dillianne van den Boogaard (Teammanagerin), Shaffy Cohen (Analyst), Erik van Driel (Co-Trainer) und Joost Bitterling (Co-Trainer). Zum engeren Kreis gehören auch Matthey Eyles (Athletik), Zimon Zijp (TW-Trainer), Richard Dick, Doris van Laan (beide Diagnostik), Carlien Dirkse van de Heuvel und Roel van Brakel (beide Physio). Foto: Worldsportpics

Verständlich, hatten doch die Verlängerung und dann ja auch Ausweitung Ihres Engagements beim holländischen Verband für Sie ja auch ziemliche familiäre Auswirkungen. Waren Sie eigentlich die ganze Zeit in den Niederlanden?

Von Januar an standen alle unsere Pläne als Familie Kopf. Zuvor, von September bis Januar, war es für mich als Co Trainer noch sehr entspannt. Sonntags habe ich Hoofdklasse geguckt, um die Spielerinnen und die Liga kennenzulernen, am Montag und Dienstagvormittag haben wir in Amsterdam oder Utrecht trainiert, und am Dienstagabend war ich meistens schon wieder zuhause. Ab Januar wurde es dann als Interim und Chef deutlich intensiver. Da war ich auch mal zwei bis drei Wochen am Stück dort, dann wieder kurz ein paar Tage zuhause und wieder los. Je nachdem, wie wir trainieren konnten und wie die Liga- und Pro-League-Termine lagen beziehungsweise welche Themen auf der Agenda standen.

Von einer „Angstkultur“ war im Ergebnis einer Untersuchungskommission die Rede, die rund um das holländische Damenteam und die langjährige Cheftrainerin Alyson Annan geherrscht haben soll. Was war Ihr Eindruck?

Das Einzige, was ich dazu sagen kann: Im September und Oktober habe ich davon nichts bemerkt, und ich rate allen weiterhin davon ab, von außen Urteile zu fällen, ohne inhaltlich Kenntnis zu besitzen.

Nachdem Sie dann interimsweise die Cheftrainerrolle übernommen haben: Haben Sie das Thema ignoriert oder bewusst aufgearbeitet?

Ignorieren kann man das nicht. Es lief durch die Presse, eine unabhängige Untersuchung wurde gestartet, und es war schließlich der Grund, warum wir überhaupt miteinander die Arbeit aufgenommen haben. Es war jeden Tag sichtbar. Vom 1. November an hat uns der gesamte Prozess wahnsinnig viel gemeinsame Zeit genommen und zusätzlich Trainingszeit und Energie gekostet.

Wie haben Sie es geschafft, sich Vertrauen und Respekt beim Team zu verschaffen? Beispielsweise mit dem Erlernen der niederländischen Sprache?

Ob ich mir durch das Erlernen der Sprache Respekt verschafft habe? Keine Ahnung, da müssen Sie die Mädels fragen. Wichtig war einfach zu verstehen, dass ich Vertrauen nur geben kann und niemals danach fragen werde oder kann. Ich habe jedem Mitarbeiter und jeder der 31 Spielerinnen mein Vertrauen gegeben und nach nichts gefragt. Ich war für jeden zu jederzeit erreichbar. Bis zum Ende. Meine Person war in dieser Geschichte zweitrangig, und ich war Bondscoach und Krisenmanager zugleich, der durch seine Managerin, Mitarbeiter und Berater liebevoll und herausragend unterstützt wurde. Nebenbei bin ich allerdings auch kein Nachtwächter von nebenan. Die Mädels haben schnell verstanden, dass man auch mit mir über Hockey sprechen kann.

Bei den Gruppenspielen und im Viertelfinale im Wagener-Stadion in Amsterdam wurden die niederländischen Damen samt ihrem Coach von einer begeisterten Masse auf den Rängen unterstützt. Foto: Worldsportpics

Die Erwartungshaltung im holländischen Damenhockey ist maximal. Auch diesmal hat nichts anderes als der Titel gezählt. Der Druck ist damit riesig. Andererseits sieht man von außen auch nie Selbstzweifel oder Unsicherheit im Team. Ist das auch intern so?

Was man von außen sieht, ist immer das, was man sehen will. Und jeder sieht etwas anderes. Die hohe Erwartungshaltung kommt ja nicht einfach so, sondern basiert auch auf etwas. Das sind einfach die besten Spielerinnen der Welt. Auf jeder Position und in jedem Bereich der Mannschaft ist Schnelligkeit, Qualität, Erfahrung und einfach Weltklasse vorhanden. Und es gibt auch eine Masse an Qualität, die man so nirgendwo anders vorfindet. Trotzdem ist das Gras nicht immer grüner auf der anderen Seite. Dass da immer eine hohe Erwartungshaltung herrscht, ist ja fast logisch. Das wird von uns auch als Wertschätzung entgegengenommen und löst keinerlei Stress aus. Wir haben es umarmt und damit gearbeitet. Somit war die Erwartung von uns vor dieser 15. Damen-WM ebenso eindeutig: den Titel gewinnen! Aber mit einer von uns veränderten und geschätzten Kultur.

Wie blicken Sie mit etwas Abstand auf das Turnier zurück? Was war für Sie und Ihr Team der kritischste Moment auf dem Weg zum Titel? Gab es überhaupt einen solchen?

Nee, den gab es nicht, oder ich habe ihn verpasst. Kann auch sein. Ich war noch nie in meinen 20 Trainerjahren nach einem großen Turnier so entspannt und erholt wie jetzt. Es ist halt auch immer eine Frage, wie man das als Team und individuell anfliegt und welche Arbeitsteilung und Auffassung man miteinander hat. Zusätzlich haben wir vorher nicht viel Zeit miteinander gehabt, um bestimmte Dinge zu besprechen, und daher wussten wir, dass es anfangs vielleicht ein bisschen rumpelig wird. Dann gewinnen wir halt nicht 6:0 oder 7:0, sondern nur 1:0. Wir hätten sogar das Cross-over dankend in Kauf genommen. Wir haben uns in der gesamten Hockey Pro League und auch im Rahmen der WM immer aufs Neue mit uns beschäftigt. Die Gegner haben bei uns kaum eine Rolle beziehungsweise eine sehr untergeordnete Rolle gespielt.
Wir sind im gesamten Jahr ruhig geblieben, auch wenn wir nicht so flüssig Hockey gespielt haben, wie wir es gerne gemacht hätten. Trotzdem wurde die ganze Zeit die Entwicklung von der Mannschaft selber vorangetrieben, und es gab viele verdeckte Highlights, die wir, aber nicht die Außenstehenden, gesehen und gefeiert haben.
Ich kann festhalten, dass ich mit Joost Bitterling, Shaffy Cohen und Erik van Driel drei überragende Co- Trainer hatte. Dazu eine medizinische, athletische und diagnostische Abteilung, die dafür verantwortlich ist, dass alle jederzeit einsatzbereit waren, Eva de Goede sechs Monate nach Kreuzbandriss und Marloes Keetels mit Teilruptur zur Verfügung standen, aber wir vor allem die fitteste Mannschaft im Welthockey sind. Wenn ich mir dann noch die Administration des Verbandes und meine Managerin ansehe, dann ist es am Ende auch hier ein wahnsinnig hohes Niveau, bei dem Menschen konstant damit beschäftigt sind, fürsorglich zu sein, ihr Ego außen vor zu lassen und gleichzeitig die beste Version ihrer selbst zu sein. Fakt ist, wir waren ab einem bestimmten Zeitpunkt am Ende einfach in allen Bereichen wieder auf einem neuen Weltklasse-Niveau.

... mit einer Mannschaft, die dann auch noch fertig wird mit dem ganzen öffentlichen Hype?
Uns schwappte in Amsterdam eine Begeisterung, ja Liebe entgegen, die uns auch positiv überrascht hat. Jedes unserer Spiele im Wagener-Stadion war mit 10.000 Leuten auf der Tribüne nicht nur ausverkauft, sondern einfach stimmungsvoll und begeisternd. Die Mädels sind dabei freundlich, zugewandt, nehmen sich viel Zeit für die Fans und genießen die Aufmerksamkeit inklusive aller Verpflichtungen bei den Medien.

Nochmal: Es gab nie die leiseste Sorge, dass das Vorhaben WM-Sieg nicht gelingt?

Natürlich hat man auch mal Zweifel, dass es nicht leistungsmäßig klappt oder die Zeit zu eng wird. Uns war aber immer klar, dass wir Wochen vorher schon unsere persönlichen Goldmedaillen in verschiedenen Momenten erlangt haben, und das hat uns große Ruhe gegeben.
Diese Frauen haben gemeinsam mit dem Staff viel verarbeitet und haben trotzdem wieder als weltbestes Team Gold gewonnen. Wir waren im Februar klinisch tot und auf der Intensivstation mit wenig Chancen auf lebensverlängernde Maßnahmen. Entschuldigen Sie diese drastische Sprache, aber so beschreibt es unseren Zustand am besten. Hockey war irrelevant.

Gibt es denn eine Art Übergabegespräch mit Ihrem Nachfolger Paul van Ass?

Das kommt nach dem Urlaub. Ich bin dann nochmal eine Woche drüben. Ich habe immer gesagt: Ich bin ausschließlich die Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft. Dafür konnten sie mich gebrauchen, und das haben sie auch als Verband sehr intelligent und gut gemacht. Unabhängig vom WM-Titel haben wir das Projekt gemeinsam erfolgreich auf die Schienen gesetzt und während der Talfahrt die Bremsen repariert.

Kommen wir nochmal zur WM und dem Finale zurück. Unmittelbar nach Schlusspfiff waren Sie der Erste, der die von Gefühlen überwältigte Argentinien-Torhüterin Belen Succi in die Arme nahm.

In den Arm habe ich sie nicht genommen, sondern nur meinen Respekt gezollt. Es war klar: Unser größter Sieg ist für sie die größte Niederlage. Belen ist eine der Großen unseres Sports. Seitdem ich im Damenhockey dabei bin, war sie auch da. Ich habe sie schon 2013 mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Sohn erlebt. Einfach wunderbar! Ich spreche kein Spanisch, sie nicht besonders Englisch, und trotzdem haben wir uns immer gut verstanden. Sie war stets sehr respektvoll und sehr freundlich zu mir, meinen Mitarbeitern und dem Team.

Argentinien galt bei dieser WM als der große Herausforderer der Niederlande. Haben Sie auch damit gerechnet, dass es zum Finale zwischen dem ungeschlagenen Pro-League-Gewinner und dem WM-Titelverteidiger kommen wird?

Erstmal zur Pro League noch ein paar Worte. Wir konnten in der Hauptzeit der Saison kaum trainieren, haben – glaube ich – 58 verschiedene Spielerinnen eingesetzt, haben fröhlich durchgewechselt und die Pro League einfach als Trainingsspielwettbewerb genommen. Der Gesamtsieg für Argentinien war völlig okay. Die sind mit neuem Trainer und geschlossener Truppe euphorisch durch die Lande gezogen. Der Sieg hat ihnen gutgetan. Für uns war aber immer klar: Wenn wir das machen, was wir können und wenn wir unsere Hausaufgaben machen, dann wird es für Argentinien sehr unangenehm. Und genauso ist es ja bei der WM auch gekommen. Die beiden Pro-League-Spiele in Nijmegen waren für uns hilfreich zu gucken: Was fehlt da noch? Wir hatten ja auch ein paar Mädels, die noch nie gegen Argentinien gespielt haben. Ich denke, dass wir in diesen beiden Spielen wunderbare Infos über Argentinien und uns gekriegt haben. Mehr aber auf jeden Fall, als die über uns.

Jamilon Mülders während des WM-Endspiels am 17. Juli in Terrassa. Vor den niederländischen Damen war er auch Trainer der deutschen und chinesischen Damen. Mit der DHB-Auswahl gewann er Olympiabronze 2016. Foto: Worldsportpics

Klingt fast, als ob Sie mit einem anderen WM-Endspielgegner gerechnet haben.

Ich habe vor dem Halbfinale darauf gesetzt, dass Deutschland gegen Argentinien im Shoot-out gewinnt. Ich war sehr angetan von der gesamten deutschen Leistung und dann auch im Halbfinale. Im Team stehen noch Mädels, die wissen, wie man Argentinien weh tun kann. Leider hat es im Shoot-out nicht ganz geklappt.
Ich glaube einfach nicht daran, dass du dich beim heutigen Welthockey mit Rennen und Alleingängen durchsetzt. Natürlich brauchst du individuelle Qualität, aber diese individuelle Qualität funktioniert nur zusammen als Mannschaft beziehungsweise innerhalb einer Mannschaft. Alleine bist du nichts. Das hat man ja auch gesehen im Finale. Je verzweifelter Argentinien wurde, desto mehr sind sie alleine mit dem Ball gerannt. Das war in Tokio im Olympiafinale so, und das war auch jetzt wieder so. Das ist halt ihre Art, wie sie das Spiel sehen und interpretieren.

Es gab in der Vorrunde das Spiel gegen Deutschland. Wie haben Sie die DHB-Auswahl da und insgesamt bei der WM gesehen?

Deutschland hat es gut bis sehr gut gemacht. Fakt ist einfach: Um die Niederlande zu schlagen, müssen erstens die Niederlande unter ihrem Niveau und zweitens musst du selber auf Topniveau spielen und das konstant und auf jeder Position. Dieser Fall ist nicht eingetreten bei dieser WM. Am Ende ist es eine Frage von individueller Qualität und Konstanz. Potenzial ist aber insgesamt vorhanden, und das haben die deutschen Mädels auch im Halbfinale eindrucksvoll bewiesen.

Was macht denn neben den angesprochenen individuellen Qualitäten und einem schier unerschöpflichen Reservoir an Spielerinnen noch die Spitzenstellung des niederländischen Damenhockeys aus?

Viele vergessen ja, dass die Niederlande ein langes Leistungsloch gehabt hat, wo sie aus ihrem großen Potenzial nicht das Beste gemacht haben. Wo waren die Niederlande in den 90er Jahren? Wieviele Erfolge haben sie zwischen 1996 und 2002 errungen? Das hat sich erst mit dem WM-Sieg 2006 langsam wieder in die Richtung geschoben, wo wir heute sind. Das WM-Endspiel 2010 war das letzte Finale, das die Niederlande in regulärer Spielzeit verloren hat. Grundlage dessen waren die Schlüsse, die man aus Niederlagen gezogen hat. Sein System richtig zu verändern, das fehlt vielleicht der ein oder anderen Nation. Mit viel Geld kann man auch viel Blödsinn machen. Es ist nicht nur die Anzahl der Trainer, der Clubs, der Plätze, sondern was du daraus machst. Da sind in den Niederlanden sehr kluge Köpfe in den jeweiligen Führungsbereichen gesessen und haben in den jeweiligen Strukturen gute Entscheidungen getroffen, die dann im Endeffekt zu den sportlichen Ergebnissen geführt haben.

Oft wird ja, gerade auch in Deutschland, das Bild gezeichnet, dass da Amateure gegen Profis spielen. Sind denn die holländischen Damen alles Hockeyprofis?

Im Kopf ja. Es ist aber ansonsten so wie überall. Die ganze Generation heutzutage sagt: Ich mach‘ nicht nur Hockey, wir wollen mehr. Im Prinzip ist es dasselbe, wie es sich auch in Deutschland oder Belgien entwickelt hat mit der Dualen Karriere. Das unterscheidet sich nicht viel. Es gibt ein paar, die machen es nach dem Hockey, andere machen es parallel. Die Mädels sind allerdings in ihrem Mindset wahnsinnig selbstständig und sehr funktionell ausgerichtet. Die kriegen in Holland weniger hinterhergetragen, und es wird weniger für sie gemacht, als mancher denkt. Diese Selbstständigkeit und Klarheit sind schon beeindruckend. Dass es auch da mal Zweifel und Ängste gibt, ist völlig normal. Aber es bleibt einfach Fakt, dass sie am Ende Hockey auf einem höheren Niveau als andere spielen, und das beginnt im Kopf. Insofern ist die Antwort auf Ihre Frage: Ja.

Trägt denn auch die nationale Liga in den Niederlanden zu diesem höheren Niveau der Nationalmannschaft bei?

Die Liga ist okay, aber dadurch wirst du nicht Weltmeister.

War denn das vergangene halbe oder dreiviertel Jahr so etwas wie ein ideales Praxissemester für den Studenten Jamilon Mülders?

Ich schreibe gerade an meiner Masterarbeit, und letztlich war es sicherlich eine wunderbare Diskussionsgrundlage für meine Uni-Gruppe und Professoren.

Wird man den Hockeytrainer Mülders irgendwann wiedersehen?

Bis Paris 2024 möchte ich grundsätzlich nicht als Nationaltrainer aktiv sein. Das war vorher so geplant, und ich habe noch kein Argument gehört, warum ich das ändern sollte. Eventuell bleibt es auch nach Paris dabei, und ich ziehe mich komplett davon zurück. Aus der zweiten Reihe heraus, in Form von Beratung oder in der Co-Trainer-Rolle jeweils im internationalen Hockey, kann ich meine Qualitäten weiter gut einbringen und mir ein Mitwirken in einem interessanten Team weiterhin vorstellen. Ich gucke einfach, was kommt, und wenn nix kommt, gibt es genug andere Dinge zu tun.

Wie viele nationale Verbände oder gar Head-Hunter haben sich denn schon bei Ihnen gemeldet und wollten Sie anheuern?

Die Wertschätzung im Ausland ist seit Jahren hoch und unabhängig von der letzten WM. Schon in den letzten Jahren und speziell in den drei Jahren meiner Pause, in denen ich nichts gemacht habe, gab es immer wieder Angebote von Topnationen, als Mitarbeiter, Trainer oder Berater einzusteigen. Es zeigt sich auch darin, wer alles in den letzten zwei Wochen auf sehr persönliche Weise gratuliert hat und das wertschätzt, was wir da gemacht und erreicht haben. Im eigenen Land erlebe ich das interessanterweise differenzierter. Es ist schon interessant zu beobachten, wie der deutsche Verband mit so einer Situation umgeht. Im Rahmen der WM und vor Ort in Spanien haben Sportdirektor Chrissie Menke, Staff, Valentin Altenburg, Spielerinnen und auch Eltern sich sehr fair, äußerst freundlich und unterstützend beziehungsweise ehrlich anerkennend gezeigt. Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Ganz zum Schluss: Wissen Sie eigentlich, was Sie mit Ric Charlesworth und Alyson Annan inzwischen gemein haben?

Ja, da wurde ich schnell von der niederländischen Presse aufgeklärt. Das aber schon Wochen vorher. Lassen wir die Kirche mal im Dorf. Ich hatte das Glück, Mitglied einer herausragenden Gemeinschaft von wahnsinnig guten Typen und Athleten zu sein, die locker ohne mich 2002 Weltmeister geworden wären. Ich war dabei und habe meine Rolle gerne und auch mit Stolz ausgefüllt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Alyson und Ric sind allerdings als Athleten zwei herausragende Legenden unseres Sports gewesen. Jeweils die Besten ihrer Zeit. Auf derem Niveau habe ich mich als Spieler keine zwei Minuten meiner Laufbahn bewegt. Insofern wehre ich mich nicht dagegen, aber wie immer ist auch hier der Kontext entscheidend.

Vielen Dank für das Gespräch!