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Juniorinnen nach 14 Jahren mal wieder Europas Beste

05.08.2022

Großartiges Gesamtergebnis für den deutschen Nachwuchs bei der 20. Europameisterschaft im U21-Bereich: Mit dem Titel bei den Juniorinnen und dem zweiten Platz bei den Junioren war der Deutsche Hockey-Bund der erfolgreichste Verband beim Turnier im belgischen Gent. Auf männlicher Seite ging der Siegerpokal an die Niederlande, die außerdem Bronze bei den Juniorinnen gewann. Gastgeber Belgien holte Silber (weibliche U21) und Bronze (männliche U21).


Nach 14 Jahren stand eine deutsche Juniorinnen-Auswahl bei einem EM-Turnier wieder einmal ganz oben. Im Endspiel wurde Gastgeber Belgien nach 1:1-Unentschieden im Shoot-out mit 4:3 Toren bezwungen. Schon im Halbfinale über den U21-Weltmeister Niederlande hatte das Team von Bundestrainer Akim Bouchouchi nach 1:1-Gleichstand in der künstlichen Entscheidungsfindung mit 3:2 das bessere Ende für sich. Zwei Stunden nach dem Triumph auf weiblicher Seite wollten die DHB-Junioren den deutschen Doppelsieg perfekt machen. Aber die Mannschaft von Bundestrainer Rein van Eijk, die im Halbfinale beim 3:0 über Gastgeber Belgien eine ganz souveräne Vorstellung geboten hatte, scheiterte im Endspiel an einem starken holländischen Team mit 1:3 und musste sich mit der Silbermedaille zufriedengeben.

Auch bei der Vergabe der individuellen Preise war Deutschland gut dabei. In beiden EM-Konkurrenzen stellte man die erfolgreichsten Torschützen. Während DHB-Kapitän Benedikt Schwarzhaupt mit sechs Treffern bei den Junioren die alleinige Bestmarke hielt, durfte sich bei den Juniorinnen Lilly Stoffelsma mit fünf Toren den Siegerpreis mit Charlotte Englebert teilen. Die Belgierin, jüngst erst zum „Rising Star“ bei der Damen-Weltmeisterschaft gewählt, wurde zudem als beste EM-Spielerin ausgezeichnet. Bei den Junioren ging das Prädikat „Player of the Tournament“ an den Spanier Rafael Vilallonga. Deutschlands Nummer eins, Jean Danneberg, wurde als bester Torwart gekürt, auf weiblicher Seite erhielt hier die Spanierin Clara Perez den Preis.

Mit drei Siegen waren die deutschen Juniorinnen souverän durch die Gruppenphase gegangen. Im Auftaktspiel gegen Schottland konnte man sich auf eine starke Strafecke verlassen. Sämtliche Treffer beim 6:0 (2:0)-Erfolg resultierten aus der Standardsituation. Kapitänin Lisa Nolte (19.) brach nach torlosem ersten Viertel den Bann, es folgten weitere Treffer von Lena Frerichs (28.), Carlotta Sippel (32.), Lilly Stoffelsma (38./52.) und Yara Mandel (41.). Auch gegen England war die Strafecke letztlich der Winner für das deutsche Team. Als in der Schlussphase nämlich Martha Le Huray (51.) für die Britinnen die frühe deutsche Führung durch Lilly Stoffelsma (6.) ausgeglichen hatte, konnte Carlotta Sippel (58.) kurz vor Ende noch eine Ecke einschlenzen und somit den 2:1-Sieg sichern. Ihren höchsten Erfolg feierten die deutschen Spielerinnen beim 7:0 (3:0) über Irland. Sara Strauss (10./52.), Lena Frerichs (17./E, 49.), Lilly Stoffelsma (E, 24./55.) und Yara Mandel (47.) trugen hierzu die Tore bei.

Genussvolle Minuten nach dem gewonnenen Finale: Eltern und Fans als Jubelkulisse, Finaltorschützin Felicia Wiedermann (mit erhobenen Armen) als Einpeitscherin und davor die anderen deutschen Spielerinnen, die gerade U21-Europameister geworden sind. Foto: Worldsportpics

Bereits im Halbfinale kam es dann zur Neuauflage des U21-WM-Endspiels vom April, da die Niederländerinnen in ihrer Gruppe lediglich Platz zwei hinter Belgien belegt hatten. Die deutsche Mannschaft hatte einen Blitzstart und legte gleich in der ersten Minute das 1:0 durch Lena Frerichs vor. Der Fehlstart schien das Oranje-Team aber erst recht anzustacheln. Die aus Altersgründen nur noch über wenige U21-Weltmeisterinnen im Kader verfügenden Niederländerinnen waren in der ersten Halbzeit das drückende Team, das durch Lilli de Nooijer (14.) auch verdient zum Ausgleich kam. Nach der Pause bekam Deutschland das Spiel deutlich besser unter Kontrolle und war auch näher am zweiten Treffer dran als der Gegner. Doch es blieb bis zum Schlusspfiff beim 1:1. Im fälligen Shoot-out sah es zunächst nicht so gut aus für Deutschland, als Frerichs als zweite deutsche Schützin verschossen hatte und die Holländerinnen mit zwei Treffern das deutsche 1:0 (Stoffelsma) zum 1:2 drehten. Aber dann wendete sich das Blatt. Deutschlands Torhüterin Chiara Vischer verleitete mit ihrer sehr offensiven, aktiven Abwehr alle drei weiteren holländischen Schützinnen zu Fehlversuchen. Damit konnte sich Deutschland sogar noch einen zweiten Fehlversuch (Wiedermann hatte zwar den Ball im Kasten untergebracht, aber dabei regelwidrig die runde Seite im Einsatz gehabt) in Runde vier leisten, weil davor Strauss (2:2) und danach Nolte (3:2) trafen.

Auch im Endspiel gegen Belgien, das sich im anderen Halbfinale gegen England 2:1 durchgesetzt hatte, schoss Deutschland wieder ein ganz frühes Tor. Felicia Wiedermann war mit ihrem Stecherversuch bei der ersten Ecke zwar gescheitert, beförderte den Nachschuss aber zum 1:0 (2.) in den belgischen Kasten. Die Ergebniserhöhung der drückenden deutschen Mannschaft war insbesondere bei weiteren vier Ecken möglich. Das mögliche 2:0 zu verpassen rächte sich nach 25 Minuten. Da hatten die Belgierinnen erstmals einen gefährlichen Vorstoß, der dann auch prompt deren erste Ecke und den Ausgleich zur Folge hatte. Charlotte Engleberts Schlenzer wurde unhaltbar für Vischer von einem deutschen Schläger abgelenkt. Es blieb dann bis zum Ende beim 1:1, weil Deutschland in der zweiten Hälfte nicht mehr diesen zwingenden Angriffsdruck wie noch vor der Pause aufbauen konnte.

Erneut also Shoot-out. Und wieder konnte sich Deutschland auf seine starke Torhüterin und nervenstarken Schützinnen verlassen. Stoffelsma, Schwabe, Strauss und Wiedermann verwandelten ihre Versuche mehr oder weniger souverän. Und Vischer hatte nach zwei anfänglichen belgischen Toren wieder ihren Dreh heraus und wehrte die gegnerischen Versuche Nummer drei und fünf ab (auch beim vierten wurde sie nur höchst unglücklich bezwungen). Damit musste Nolte als letzte deutsche Schützin gar nicht mehr antreten, sondern konnte zusammen mit ihren Kameradinnen zum Jubelsturm Richtung Torhüterin aufbrechen. Deutschlands Juniorinnen standen als Europameister 2022 fest. Insgesamt zum neunten Mal nach 1977, 79, 88, 92, 96, 98, 2006 und 2008 ging dieser Titel an den weiblichen DHB-Nachwuchs. Damit ist man Rekordhalter Niederlande (10) dicht auf den Fersen. Nur Spanien konnte mit seinem Sieg 2019 diesen Titelzweikampf der beiden europäischen Giganten mal unterbrechen.

Sturmwirbel Michel Struthoff fehlte den deutschen Junioren

Zu gerne hätten auch die deutschen Junioren das Turnier als strahlender Gewinner abgeschlossen. Den Titelanspruch hatte Trainer Rein van Eijk im Vorfeld des Turniers sehr offensiv formuliert, nicht zuletzt, weil man eine sehr erfahrene Truppe nach Gent schicken konnte. Zwölf der 18 EM-Nominierten haben A-Kadererfahrung, manche sind bei der Herren-Nationalmannschaft teils schon Stammkräfte. Doch schon vor dem EM-Start fiel einer dieser Spieler raus: Beim Hamburger Michel Struthoff wurde Pfeiffersches Drüsenfieber diagnostiziert. Für ihn sollte Peer Hinrichs (Mannheimer HC) nachrücken. Dieser musste bei Ankunft in Belgien mit positivem Coronatest gleich wieder die Segel streichen, schließlich nahm Moritz Himmler (ebenfalls MHC) die Position ein.

Besonders im Finale hätte die DHB-Auswahl die große individuelle Angriffsstärke des Dribbelkünstlers Struthoff gut gebrauchen können. Bis dorthin konnte sein Fehlen mehr oder weniger problemlos kompensiert werden. Das deutsche Team startete mit einem 8:1 (5:1) über Österreich. Benedikt Schwarzhaupt legte mit vier Eckentoren (7./18./24./40.) den Grundstein für seine spätere Torjägerkrone, daneben trafen Elian Mazkour (3./7m, 53.), Moritz Ludwig (27.) und Moritz Himmler (43.). Für das Ehrentor des von Coach Robin Rösch (Frankfurt) geführten österreichischen Teams sorgte Florian Hackl (22.) zum 1:3.

Um Platz eins in der Gruppe B ging es im zweiten Spiel gegen die Niederlande. Die Holländer sahen hier lange wie der Sieger aus, führten sie doch nach einem erfolgreichen Eckennachschuss von Miles Bukkens (4.) und einem Rückhand-Traumknaller von Olivier Hortenius (36.) lange mit 2:0 in Front. Erst in den letzten acht Minuten wendete Deutschland die drohende Niederlage ab. Moritz Ludwig per Eckenstecher (52.) und Benedikt Schwarzhaupt mit flachem Eckenschlenzer (58.) sorgten noch für ein 2:2-Unentschieden. Damit wurde der Gruppensieg zum Fernduell. Die Holländer schlugen zwar Österreich deutlich mit 7:0, doch dies waren für sie letztlich zwei Tore zu wenig, weil sich im Parallelspiel Deutschland mit 2:0 über Frankreich durchsetzen konnte. Schwarzhaupt (E, 12.) und Florian Sperling (31.) sorgten für den deutschen Sieg im Spiel und in der Gruppe.

„Deutlich besser als in der Gruppenphase“ fand Rein van Eijk seine Truppe im Halbfinale. Man hatte Gastgeber Belgien ziemlich gut im Griff. Schon in der ersten Halbzeit legten Mario Schachner (18.), mit schönem Stecher nach Halbfeldflanke, und Nikas Berendts (27.), nach zunächst von Belgien abgewehrter Strafecke und anschließender Ludwig-Vorlage, ein 2:0 vor. Bald nach der Pause konnte Elian Mazkour (33.) nach Konter zum 3:0 erhöhen. Danach brannte nichts mehr an, weil man den verzweifelt anrennenden Gegner meist schon vor dem eigenen Kreis geschickt bremsen konnte.

Wer Gold wollte, kann sich über Silber erstmal nur bedingt freuen: die deutschen Junioren. Foto: Worldsportpics

Im Endspiel kam es zum Wiedersehen mit den Holländern, die im anderen Halbfinale Gruppensieger Spanien ebenso mit 3:0 geschlagen hatten. Im ersten Viertel hatte Deutschland noch Vorteile und war durch Mazkour mit einem frechen Heber an den Innenpfosten (10.) einmal auch ganz nahe dran an der Führung. Doch mehr sprang in einem von zwei starken Defensivreihen geprägten Finale lange nicht heraus. Man war im Begriff, torlos in die Halbzeitpause zu gehen, als das ab dem zweiten Viertel stärker werdende Oranje-Team in der 30. Minute seine erste und nach deutscher Fußabwehr zweite Ecke herausholte. Und diesmal zappelte der Ball nach perfekter Stechervariante durch Floris Middendorp unhaltbar für Danneberg im Netz.
Mitte des dritten Viertels musste der deutsche Keeper einen ähnlichen Rückhandknaller aus „unmöglichem“ Winkel wie im Gruppenspiel passieren lassen. Duco Telgenkamp (38.) erhöhte mit diesem Sonntagsschuss zum 2:0. Wie im Vorrundenduell versuchte die DHB-Auswahl alles, um wieder zurückzukommen. Doch die enorm stocksicheren und ungewohnt diszipliniert verteidigenden Niederländer erstickten förmlich jede deutsche Bemühung, meist schon weit im Mittelfeld. Und es kam für Deutschland noch schlimmer. In Überzahl wurde man klassisch ausgekontert. Danneberg sah sich am Ende zwei Oranje-Spielern gegenüber, Luke Dommershuijzen hatte leichtes Spiel zum 0:3 (49.). Kurz danach konnte der deutsche Keeper bei der dritten holländischen Ecke ganz stark das 0:4 verhindern, ehe er zugunsten eines elften Feldspielers den Platz verlassen musste.
Tatsächlich fiel auch schnell das 1:3 (52.), als der deutschen Eckenbatterie die exakte Kopie des holländischen 1:0 glückte und Phillip Holzmüller die flache Schwarzhaupt-Vorlage unhaltbar ins Netz ablenkte. Ein Happy-End wie im Gruppenspiel gab es trotzdem nicht mehr. Nur eine einzige Ecke und ein einziger Torschuss aus dem Spiel heraus waren in 60 Minuten einfach zu wenig, um an diesem Tag den Anspruch auf einen Titelgewinn erheben zu können. Somit war der Traum vom achten deutschen EM-Titel (und der erfolgreichen Titelverteidigung von 2019) geplatzt, man musste stattdessen den Niederländern zu deren zehntem Europameisterschaftsgewinn gratulieren.    lim

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