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Carsten Keller & Michael Krause: Das Turnier, das ihrem Leben den Stempel aufdrückte

05.09.2022

Vor 50 Jahren gab es die erste olympische Goldmedaille für das deutsche Hockey. Die deutsche Herrenmannschaft gewann das Hockeyturnier der Olympischen Sommerspiele 1972 in München und beendete die 44-jährige Siegesserie von Indien und Pakistan als Olympiasieger. Mit zwei der deutschen Goldhelden hat sich DHZ-Redaktionsleiter Uli Meyer zum Jubiläum des Münchner Triumphs unterhalten. Carsten Keller (wird nächste Woche 83 Jahre) war Kapitän der DHB-Auswahl, Michael Krause (76) schoss im Finale gegen Pakistan per Ecke das goldene Tor zum 1:0-Sieg.

Herr Keller, Herr Krause, dass wir uns heute über ein 50 Jahre zurückliegendes Sportereignis unterhalten, zeugt davon, dass das etwas Großes, Epochales gewesen sein muss. Hat der Olympiasieg vom September 1972 Ihrem Leben tatsächlich einen großen Stempel aufgedrückt, der bis heute sichtbar ist?

Keller: Das kann man schon so sagen. Ich hatte ja schon bei Olympia 1960 und 1968 mitgewirkt und in Berlin einen gewissen Bekanntheitsgrad. Aber nach den Plätz sieben und vier war das Gold von München 1972 natürlich das i-Tüpfelchen. Mit diesem tollen Abschluss konnte ich meine internationale Karriere im Alter von 33 Jahren beenden. In meinem Verein, dem Berliner HC, habe ich noch weitergespielt, und man war jetzt eben der Olympiasieger.

Krause: Das trifft tatsächlich zu. Meines Erachtens liegt es auch daran, dass dieses Ereignis für die Bundesrepublik Deutschland sowohl politisch wie auch für unseren Sport eine ganz besondere Bedeutung hatte, weil es auch nach meinem heutigen Selbstverständnis außerordentlich überraschend war, dass Deutschland verhältnismäßig kurz nach dem schrecklichen Zweiten Weltkrieg wieder Olympische Spiele zur Austragung übertragen bekam.

Werden Sie auch in der Gegenwart noch regelmäßig auf Olympia’72 und den erstmaligen Goldgewinn eines deutschen Hockeyteams angesprochen?

Krause: Ich werde bis heute immer wieder auf diese besondere Situation angesprochen. Das hat auch meinen ganzen beruflichen Werdegang verfolgt.

Keller: Ich war der einzige Berliner in der 72er-Goldmannschaft und genieße in meiner Heimatstadt einen gewissen Bekanntheitsgrad. Die nachfolgenden olympischen Goldmedaillen innerhalb meiner Familie (Anmerkung der Redaktion: Auch Carsten Kellers Kinder Andi (1992), Natascha (2004) und Florian (2008) wurden Olympiasieger) haben das sicherlich immer weiter lebendig gehalten. Man ist tatsächlich bis heute immer noch erstaunlich gefragt: Ich bekomme nach wie vor viele Autogrammwünsche zugestellt.

Es gab vor einigen Wochen offizielle 50-Jahre-Olympia-Jubiläumsfeierlichkeiten seitens des DOSB und der Stadt München. Waren Sie eingeladen und auch dort?

Keller: Die Einladung kam leider ziemlich kurzfristig. Ich hatte für dieses Datum bereits verbindlich für zwei Tennisturniere an der Ostsee gemeldet und musste die München-Reise absagen.

Krause: Eddy Thelen, Uli Klaes und Peter Kraus waren aus unserem Team dort. Die ursprüngliche Einladung durch den DOSB beschränkte sich zunächst auf die reinen Medaillengewinner und nicht auf deren Ehe- oder sonstige Partnerinnen, was eine gewisse Missstimmung hervorgerufen hatte. Jedenfalls war es nicht die Feier, die wir uns für „50 Jahre München“ vorgestellt haben.

Der entscheidende Moment des olympischen Hockeyturniers von München 1972. Michael Krause hebt nach seinem Eckentor im Finale gegen Pakistan zum Luftsprung ab, Carsten Keller, Horst Dröse und Uli Vos (von links) jubeln wie auch die Zuschauer. Foto: Imago

Nehmen Sie doch die jüngere Hockey-Generation bitte mal mit auf die geschichtliche Reise: Das olympische Hockeyturnier 1972 in München hat den 16 teilnehmenden Mannschaften ein strammes Programm von neun Spielen (sieben Gruppenspiele, zwei Platzierungsspiele) in 14 Tagen auferlegt. Wenn man bedenkt, dass Auswechslungen fast nicht möglich waren – waren Sie Konditionswunder? Oder hatte das Spiel auf Naturrasen mit dem heutigen Kunstrasenhockey nicht viel gemeinsam?

Krause: Als Konditionswunder würde ich uns nicht bezeichnen, aber wir waren so austrainiert, dass wir damals anerkannt wurden als die weitaus besser trainierten und ausdauernden Spieler im Vergleich zum Fußball-Nationalteam. Beide Mannschaften wurden damals in der Sporthochschule Köln unter demselben Professor leistungsdiagnostisch begleitet. Es war keine Frage, dass wir solch ein Turnierprogramm abwickeln konnten, den Fußballern hätte man unseren Münchner Spielplan in dieser Form bestimmt nicht zumuten können.

Keller: Wir waren alle sehr ehrgeizig, haben alle auch unglaublich viel individuell trainiert. Ich kann mich daran erinnern, dass ich schon zu Kinderzeiten jeden Morgen vor der Schule einen Lauf durch den Park gemacht habe. Ich habe auch nie geraucht, wie damals auch niemand im Team. Außerdem gab es auch viele Vorgaben seitens unseres Trainers Werner Delmes. Ich denke, dies alles hat dazu geführt, dass wir solch ein Turnier in einer festen Formation nahezu ohne Auswechslungen durchhalten konnten. Man durfte ja in einem Spiel lediglich einen einzigen Feldspieler und den Torwart wechseln. Dennoch sind im Verlauf des Turniers alle 18 Kaderspieler zum Einsatz gekommen.

Neben der Kondition waren vor allem die Strafecken ein wichtiger Faktor für den Erfolg. War Ihnen das im Vorfeld klar, dass beides (Kondition/Ecken) auf Topniveau sein musste, um gegen die spielerisch starken Teams und Favoriten Pakistan und Indien bestehen zu können?

Keller: Natürlich war klar, dass eine gute Kondition alleine nicht reicht. Bei den Strafecken haben wir im Jahr vor Olympia ein spezielles Programm gestartet und bei unseren Trainingslagern in Köln oft stundenlang die Abläufe trainiert. Wir hatten irgendwann über tausend Ecken geschossen, bis der Vorgang eine gewisse Perfektion erlangt hatte. Ich war der erste Hereingeber, Uli Vos mit seiner besonderen Fähigkeit, den Ball mit der linken Hand super auflegen zu können, der erste Stopper und Michael „Bulle“ Krause mit einer ordentlich dicken Schlägerkeule und seinem schön harten Schlag unser Hauptschütze. Außerdem wurde natürlich genau ausgetüftelt, wie weit der Stopper in den Kreis laufen konnte, ohne dass der gegnerische Herausläufer schon am Ball war, bevor unser Schütze seinen Schlag abgeben konnte. Zwei Meter waren das schon. Die Qualität der Naturrasenplätze spielte natürlich einen wichtigen Faktor für den Ablauf und den Erfolg. Waren die Plätze in der Bundesliga oft schlecht oder schnell ramponiert, glich der Rasen beim olympischen Turnier in München quasi einem Teppich.

Krause:  Wir kannten ja die Voraussetzungen der anderen Mannschaften in körperlicher Hinsicht und hatten uns als Ziel gesetzt, im athletischen und konditionellen Bereich gleichzuziehen. Im Nachhinein lässt sich feststellen, dass wir durch unser Vorbereitungsprogramm hier wesentlich besser waren als die Konkurrenz.
Die beiden Duelle gegen den amtierenden Olympiasieger und Weltmeister Pakistan (2:1 im Gruppenspiel, 1:0 im Finale) waren letztlich die Schlüsselspiele auf dem Weg zu Gold. Berichtet wurde von „knüppelharten Duellen“ – korrekt?

Krause: Das kann ich so bestätigen. Wir kannten das bereits aus zahlreichen Test- und Turnierspielen davor. Da gab es in den direkten Duellen Mann gegen Mann schnell mal einen Schläger in die Magengegend. „Vorsicht, ich kann das besser!“, habe ich meinen verschiedenen Gegenspielern dann gesagt und mir auch auf diese Weise Respekt verschafft. Die Schiedsrichter bekamen von solchen Dingen meist nichts mit, aber es lag tatsächlich eine gewisse Schärfe in der Auseinandersetzung.

Keller: Wir haben damals Manndeckung gespielt, das war damals erfolgsversprechender, aber wir brauchten dafür auch die Kondition und die Schnelligkeit. Weil die Pakistani sich nicht gefallen lassen wollten, dass man sie totdeckt, wurde es tatsächlich schon mal ein bisschen härter. Knüppelhart ist schon eine korrekte Beschreibung.

War eigentlich von vornherein klar, dass der Weg zur Goldmedaille auf ein Duell zwischen Pakistan und Deutschland hinausläuft?

Keller: Erstmal war klar, dass das Aufeinandertreffen in der Vorrunde über den Gruppensieg entscheiden würde. In der Nachbetrachtung würde ich sagen, dass mit Pakistan und Deutschland die beiden technisch besten Mannschaften im Münchner Endspiel gestanden haben. Man betont immer die überlegene Technik von Pakistan und Indien, aber ich denke, dass wir uns längst auch eine sehr gute Technik angeeignet hatten, und das kam meines Erachtens vor allem durch Hallenhockey, das damals von allen Nationalspielern im Winter intensiv betrieben wurde.

Krause: In den zwei Jahren vor dem Münchner Turnier haben wir die Spiele gegen den damaligen Weltmeister und Olympiasieger immer ausgeglichen gestalten können und dabei sogar mehrheitlich gewonnen. Der Respekt der Pakistani und sogar eine gewisse Unsicherheit bei ihnen waren vorhanden.

Der deutsche 18er-Kader beim olympischen Turnier in München 1972. Foto: Imago

Die pakistanischen Spieler schienen speziell ihre Endspielniederlage nicht hinnehmen zu können. Es kam bei der Siegerehrung zu grotesken Szenen, die ja auch ein Nachspiel bis in höchste verbands- und politische Ebenen hatten. Wie haben Sie das erlebt und konnten sich das später erklären? Was waren die Hintergründe?

Krause: Erklären konnten wir uns das damals unmittelbar nach dem Spiel nur damit, dass sie ein außerordentlich wichtiges Spiel tatsächlich verloren hatten. Was tatsächlich für jeden Einzelnen auf dem Spiel stand, bekam man nur unter der Hand mit und wurde mir viele Jahre später, als ich als DHB-Präsident beim Besuch unserer Nationalmannschaft in Pakistan war, von einem damaligen Gegenspieler im vertraulichen Gespräch bestätigt: Jeder pakistanische Spieler hatte durch die entgangene Goldmedaille ein Haus und eine lebenslange Rente verloren. Dass die Spieler so unverhältnismäßig viel bekommen hätten, sollte die pakistanische Bevölkerung nicht wissen.

Keller: Wir waren damals zwar auch verrückt nach der Goldmedaille, aber nicht wegen des Geldes oder anderer materieller Vorteile (auch wenn es von der Sporthilfe etwas gab). Aber wir wussten, dass für die pakistanischen Spieler ganz andere materiellen Anreize auf dem Spiel standen. Bei der Siegerehrung haben wir uns einfach nur über unseren Erfolg gefreut und uns in dem Moment nicht um den Gegner gekümmert. Aber es waren natürlich peinliche Szenen, wie die Spieler ihre Silbermedaillen in der Hosentasche oder in den Badelatschen verschwinden ließen. Sie wurden darauf lebenslang für die Nationalmannschaft gesperrt, aber bald auch wieder begnadigt. Die Pakistani empfanden ihre Niederlage als ungerecht. Doch ich denke, wir waren im Finale und in diesem Turnier einfach ein bisschen besser und haben deshalb gewonnen.

Welche Rolle am Erfolg hat Sportwart/Trainer Werner Delmes gespielt? Hatte er die Goldmedaille schon lange vor Turnierbeginn als Ziel gesetzt und systematisch darauf hingearbeitet?

Keller: Ja, er war ein totaler Motivationskünstler. Es ging mit dem Sieg bei der Europameisterschaftspremiere 1970 los. Auf der Heimfahrt von Brüssel nach Köln in den Partykeller von „Gino“ Delmes ging es los: „Wir werden in München Gold holen!“, gab er vor, die Mannschaft ging da gerne mit. „Gut abschneiden“ oder ähnliche Zielformulierungen gab es für Delmes nicht, er wollte immer nur gewinnen. Ich kannte ihn ja schon als Mitspieler bei Olympia 1960, schon da war er auch ohne Traineramt der große Motivator im Team.

Krause: Es ist einwandfrei so, dass Werner Delmes uns beginnend mit dem EM-Sieg 1970 auf den darüber hinausgehenden Erfolg bei den Olympischen Spielen vorbereitet hat. Zwischendurch war ich aus der Mannschaft draußen, weil ich nach einem beim Skifahren ausgekugelten Arm die Weltmeisterschaft 1971 verpasst habe. Delmes war darüber so wütend, dass er mich erst einmal nicht mehr berücksichtigte. Ich hab dann viel Mut aufgebracht, bin mit einer Zeitung in der Hand in Köln in sein Direktorenbüro gegangen und habe ihn mit einer Schlagzeile aus seiner eigenen Karriere konfrontiert. Als Überschrift stand da: „Delmes: Ich komme wieder“. Die Aktion schien auf alle Fälle geholfen zu haben, den Trainer von meinem Durchsetzungsvermögen und meiner Mentalität zu überzeugen. Ich war schon bald wieder im Team und stand bis zum Münchner Olympiasieg nie mehr bei ihm in Zweifel.

„Gino“ Delmes, der vor sieben Monaten im Alter von 91 Jahren verstorben ist, kann wie auch sechs nicht mehr lebende Spieler der Goldmannschaft das 50-Jahre-Jubiläum nicht mehr mitfeiern. Stimmt es, dass auch das sein Werk war, das 72er-Team samt Familien zum jährlichen Treff zusammenzubringen?

Krause: Ja, das war in erster Linie er, der das angeschoben hat. Hintergrund ist, dass Delmes vom damaligen Nationalen Olympischen Komitee eine zweiwöchige Bahamas/USA-Reise für das Team als Belohnung für die von ihm „versprochene“ Goldmedaille ausgehandelt hatte. Delmes‘ Idee war, dass wir die Erinnerung an München’72 und auch die wunderschöne Reise einfach fortsetzen. Und das wurde dann über die Jahre hinweg ziemlich stramm eingehalten.

Keller: Anfangs haben wir uns beim Münchner SC getroffen, dort erstmal auch ein Hockeyspiel absolviert und sind dann nach Garmisch weitergefahren, wo Radtouren, Tennis und Golf das sportliche Programm darstellten. Irgendwann war es dann auch mit Hockey mal vorbei. Die organisatorischen Aufgaben unseres jährlichen Treffs sind innerhalb des Teams längst gut verteilt, aber Auslöser und Antreiber war tatsächlich Werner Delmes.

Bei der Siegerehrung kam es zu unschönen Szenen, als die pakistanischen Spieler (links) ihre Silbermedaillen demonstrativ in den Hosentaschen verschwinden ließen. Sie wurden für ihr Fehlverhalten gesperrt, später aber wieder begnadigt.


Wer von Olympia’72 spricht, kommt um das Thema Terroranschlag auf die israelische Delegation nicht herum. Wie haben Sie das damals vor Ort erlebt?

Keller: Wir wohnten damals in einer Querstraße zum Quartier der Israelis. Wir waren also in unmittelbarer Nähe des Geschehens, haben aber nur indirekt etwas mitgekriegt. Schnell hatten wir uns im Zimmer von Werner Delmes versammelt und über das Fernsehen mitverfolgt, wie die leider dilettantischen Maßnahmen der Sicherheitskräfte zur Katastrophe geführt haben. Das zum 50-Jahre-Jubiläum erschienene Buch „Die Spiele des Jahrhunderts“ von Roman Deininger und Uwe
Ritzer, das ich vor kurzem regelrecht verschlungen habe, beschreibt gerade diesen Tag sehr gut recherchiert und sehr detailliert. Im Übrigen kommt auch Hockey erfreulich häufig in diesem spannenden Buch vor.

Krause: Ich kann mich gut daran erinnern, wie innerhalb unserer Hockeygruppe sofort die Diskussion losging, ob die Spiele abgebrochen werden oder ob es weitergehen wird. Es war klar, dass es eine sportpolitische Entscheidung wird. Am nächsten Tag waren wir alle um 12 Uhr im vollbesetzten Olympiastadion, als von IOC-Präsident Avery Brundage die berühmten Worte fielen: „The Games must go on“.

Keller:  So schlimm die ganzen Umstände auch waren, für uns als Mannschaft war es auch eine Erleichterung, dass es weiterging. Wir wollten unsere sportliche Sache einfach zu Ende bringen.

Krause: Das Halbfinale gegen die Niederlande stand an. Als wir auf den Platz kamen, merkte ich, dass ich meinen gewohnten Schläger nicht dabei hatte. Er stand wie immer zum Einölen der empfindlichen Holzkeule auf dem Balkon von Mitspieler Uli Klaes. Niemand sollte von diesem Missgeschick erfahren, vor allem der Gegner nicht und noch nicht mal unser Trainer. Ich machte mich mit einem Ersatzschläger warm, derweil eilte Ersatzspieler Wolfgang Strödter klammheimlich los, den richtigen Schläger zu holen. Unmittelbar vor der obligatorischen Schlägerkontrolle war Strödter mit meinem "Arbeitsgerät" zurückgekehrt, und so konnte ich gerade noch den gewohnten Schläger durch den Prüfring ziehen lassen und danach mit ihm spielen.

Sie haben sich beide nach dem Gold-Triumph auf unterschiedliche Weise weiter im Hockey engagiert (Carsten als Trainer, Michael als Funktionär und später DHB-Präsident). Sind Sie zufrieden, wie sich Hockeysport in Deutschland entwickelt hat? Oder hätte angesichts weiterer sportlicher Erfolge noch viel mehr herauskommen müssen?

Krause: Im Nachhinein betrachtet hätte aus meiner Sicht viel mehr herauskommen müssen. Die technische Perfektion, die der Kunstrasen mit sich brachte, hat der Hockeysport durchaus genutzt. Die Athletik, die sich gleichzeitig mitentwickelt hat, hat dazu geführt, dass Hockeyspiele eigentlich technische und konditionelle Wunderwerke sind – aber nur in der Perfektion. Ansonsten hat Hockey vom Spielfluss her gelitten, weil es nicht mehr so schöne Spielzüge gibt, wie wir sie von früher kannten. Der Spielfluss wird oft unterbrochen. Meines Erachtens ist Hockey nur in der Perfektion klasse anzugucken. Hallenhockey hatte meiner Meinung nach eine Chance, sich groß zu entwickeln – aber nur, wenn man das Brettlegen abgeschafft hätte, wie ich es als Mitglied im Rules Board der FIH zusammen mit meinem Vorgänger Wolfgang Rommel bereits beschlossen hatte. Der neugewählte spanische Präsident mit seinem Vorstand hat den Beschluss am nächsten Tag beim FIH-Kongress in Hollywood wieder gekippt, weil man die Schädlichkeit des Brettlegens für die Kombinationen in der Halle nicht erkannt hat. Das ist schade, denn ohne das Brettlegen wäre Hallenhockey so wie Eishockey und Basketball ein attraktiver Zuschauersport.

Keller: Ich habe als Trainer von Jugendmannschaften national noch mehr erreicht denn als Aktiver. Zwölf Deutsche Meistertitel konnte ich für meinen Berliner HC mit Kindern erringen, die ich aus dem Kindergarten heraus zum Hockey geholt habe. Darauf bin ich stolz. An den eigenen Kindern, Enkeln und sogar Urenkeln kann ich sehen, wie es immer weiter geht. Neulich hat Lilli, die älteste Tochter von Andi, mit 15 Jahren zum ersten Mal im U16-Team für Deutschland gespielt.

Verfolgen Sie das aktuelle Hockeygeschehen noch? Wie gefällt Ihnen das heutige Spiel?

Keller: Es ist zwar kein anderer Sport geworden, aber ich finde, dass sich das Spiel total entwickelt hat. Ein Wahnsinn, wie schnell es geworden ist. Schade, dass es Hockey noch nicht geschafft hat, stärker ins Fernsehen und damit vor ein größeres Publikum zu kommen. Aber im Internet kann man ja inzwischen auch viel sehen. Ich verfolge alles mit Interesse, und die DHZ ist nach wie vor meine Pflichtlektüre.

Krause: Bis vor zwei, drei Jahren war ich noch regelmäßiger dabei. Durch Corona ist es weniger geworden. Ich denke, dass Hockey im Vergleich zu Fußball und vielen anderen die intelligentere Sportart ist. Aber um das zu erkennen, muss man in die dortige Atmosphäre einsteigen. Das tun nicht viele. Denn Hockey ist leider kein Publikumssport und wird es auch nicht werden. Das ist schade.

Vielen Dank für das Gespräch!

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