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Dirk Wellen, Ralf Stähler: Neuer Modus zum Abstieg, bald Shootout statt Remis

Der Verein Hockeyliga e.V. ist gerade in seine zweite Feldsaison seit Übernahme des Spielbetriebs der deutschen Hockey-Bundesligen gegangen. Unmittelbar vor Saisonstart 2022/23 fand die ordentliche Mitgliederversammlung des Ligaverbandes in Hamburg statt. DHZ-Redaktionsleiter Uli Meyer hat sich mit HockeyligaPräsident Dirk Wellen (61) und Ralf Stähler (54), einem von vier Vizepräsidenten des Vereins, über den Verlauf der Tagung, die dortigen Beschlüsse sowie weitere Projekte und Herausforderungen der Hockeyliga unterhalten.

Herr Wellen, Herr Stähler, das erste Jahr Hockey-Bundesliga unter Verantwortung des Hockeyliga e.V. liegt hinter uns. Welches Feedback gab es dazu von Ihren Mitgliedern, den Bundesligaclubs, auf der gut eine Woche zurückliegenden Mitgliederversammlung?

WELLEN: Ich glaube, dass für viele unsere jüngste Versammlung in Hamburg die professionellste Veranstaltung war, die sie bisher im Hockey – außerhalb des Spielfeldes – erlebt haben. Unser hauptamtliches Team mit Geschäftsführer Victor vom Kolke an der Spitze hat das gut vorbereitet und die Dinge für die Teilnehmer gut rübergebracht. Meines Erachtens kam bei den Mitgliedern schon sehr deutlich rüber, dass das gemeinsame Produkt, der von der Bundesligagemeinschaft organisierte Ligabetrieb, erheblich an Professionalität gewinnt, seitdem wir das hauptamtliche Team haben. Aus unserer Sicht ist das erste Jahr gut über die Bühne gegangen, auch unsere ersten beiden Events, die Endrunden in der Halle und im Feld, waren okay, wobei wir gerade im Feld noch ein paar Lerneffekte hatten und in der Hallensaison ja durch die Corona-Auflagen auch kein ganz einfaches Spiel hatten. Die Vereine haben das alles in guter, sportlich fairer Weise vernünftig mitgemacht.

STÄHLER: Das Positive bei den Mitgliedern ist, dass sie sich bei unserer Versammlung bei allen Nachfragen und teilweise auch kontroversen Debatten (was ja auch genau dorthin gehört!) nicht im rückwärtsgewandten KleinKlein aufgehalten haben und in der Vergangenheit rumkarren wollen, sondern die Diskussionen hauptsächlich in die Zukunft gerichtet waren: In welche Rich tung bewegen wir uns? Wo und wie können wir die nächsten Fortschritte machen? Das Ganze geschah mit großer Klarheit und Einmütigkeit. Das greife ich gerne auf: Wohin soll es denn gehen, und welche konkreten nächsten Schritte strebt die Hockeyliga an?

Das greife ich gerne auf: Wohin soll es denn gehen, und welche konkreten nächsten Schritte strebt die Hockeyliga an?

WELLEN: Man kann es so ausdrücken: Nach dem gemeinsamen Aufbruch liegen nun die Mühen der Ebene vor uns. Wir müssen feststellen: Außer unseren Final-Four-Events haben wir noch kein richtiges Produkt. Da sind auch jede Menge rechtlicher Fragen zu klären. Was können wir einem potenziellen Sponsoringpartner anbieten? Und wie können wir auch durchsetzen, dass die Leistung, die wir auf der einen Seite versprechen und verkaufen, auf der anderen Seite mit der ausreichenden und verbindlichen Qualität auch tatsächlich erbracht wird? Deshalb müssen wir bei der Produktentwicklung und Rechteklärung eben auch die Sanktionsfrage auf sensible Art mit bedenken. Also was passiert, wenn bestimmte Dinge nicht geliefert werden wie versprochen oder erforderlich? Da haben wir begonnen, indem wir Arbeitsgruppen zu diesen Themen gebildet haben.

Zur Mitgliederversammlung auf dem Tisch lagen einige Anträge. Positiv verabschiedet wurde einer, der gleich zur jetzt angelaufenen Feldsaison umgesetzt wird: die Änderung der Abstiegsmodalitäten aus der 1. Bundesliga Feld.

STÄHLER: Das ist richtig. Im Kern geht es darum, dass der Tabellenfünfte einer Staffel dafür belohnt wird, dass er eben Fünfter und nicht Letzter geworden ist. Die Fünften sollen eine Chance mehr auf den Klassenerhalt haben als die Sechsten. Und es ging bei der Diskussion auch um die beabsichtigte Integration des abschließenden Play-downSpiels in das Final-Four.

WELLEN: Der Impuls zu diesem Antrag, der offiziell von uns als Präsidium zur Mitgliederversammlung eingebracht wurde, stammt im Übrigen von einem Verein, der damals das Play-down gerade für sich entschieden hatte. In einer Arbeitsgruppe wurde die Sache dann entwickelt und antragsreif vorbereitet.

Gelungener Rahmen bei der Mitgliederversammlung in Hamburg Fotos: Hockeyliga

Grundsätzlich für positiv befunden, aber noch um eine Saison zurückgestellt wurde die Einführung eines Shoot-out-Wettbewerbs bei unentschieden zu Ende gegangenen Bundesligaspielen. Der Sieger erhält dann noch einen Bonuspunkt. Was ist der Hintergrund und wieso nicht gleich?

WELLEN: Eine Woche vor Saisonstart wäre der Beschluss einer solchen Änderung, für die man ja schon im ersten Spiel hätte vorbereitet sein müssen, einfach zu kurzfristig gewesen. Wir nehmen uns die Zeit für die Einführung in der kommenden Saison.

STÄHLER: Diese Zeit brauchen wir auch, um einerseits die technischen Voraussetzungen zu prüfen. Also: Hat jeder Club auch eine Shotclock? Und andererseits müssen wir auch mit dem Schiedsrichter- und Regelausschuss klären, wie wir die Sache umgesetzt bekommen. Ich denke, für die 1. Bundesliga dürfte das ab 2023/24 sicher sein, in der 2. Bundesliga müssen wir mal schauen, ob wir alle rechtzeitig auf diesen Stand bringen.

Nochmal die Frage zum Warum.

WELLEN: Das Shoot-out ist längst fest im Hockey etabliert. Alle internationalen Wettbewerbe, von der EHL für die besten Clubteams bis hin zu Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen für die Nationalmannschaften, haben das Shoot-out bei Spielen, die nach regulärer Spielzeit unentschieden stehen. Wenn wir im normalen Bundesligaspielbetrieb vermehrt Shoot-out haben, ist dies ein ganz erheblicher Trainingseffekt, vor allem für unsere Nationalspielerinnen und -spieler. Darauf hat auch DHB-Präsident Henning Fastrich bei unserer Mitgliederversammlung hingewiesen. Dieser Aspekt hat letztlich wohl dazu geführt, dass es eine breite Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag gab. Ich denke, dass wir gegenüber den anderen europäischen Nationen einen großen Vorteil haben werden, wenn man Shoot-out nicht nur im Training üben kann, sondern wir es vermehrt auch in der Wettkampfsituation bei Ligaspielen geben wird.

Stimmt es, dass die Hockeyliga nun über ihre eigene Spielordnung verfügt?

STÄHLER: Korrekt. Sie ist sehr nah angelegt an die Spielordnung des DHB, beschränkt sich aber auf alle Dinge, die wir für die Durchführung der Bundesligen brauchen. Hier gab es im Vorfeld eine sehr gute Zusammenarbeit mit Christian Deckenbrock als DHB-Vizepräsident Recht und Jürgen Häner als Mitglieder des Spielordnungsausschusses. Letztlich wurde die zur Abstimmung vorlegte Version einstimmig angenommen.

Die vorliegenden Anträge zum Thema Shoot-out und Playdown waren sozusagen die ersten Änderungsanträge zur vorliegenden Hockeyliga-Spielordnung. Wie man hörte, soll auch am Prinzip des saisonalen Kostenausgleichs gerüttelt werden.

STÄHLER: Tatsächlich lag dazu ein Antrag des Bremer HC vor. Nach sauberer Diskussion wurde befunden, dass es in diesem Spieljahr den Kostenausgleich in der bisherigen Form noch geben wird, aber gleichzeitig auch hier eine Arbeitsgruppe eingesetzt wird, die sich ergebnisoffen damit auseinandersetzt, ob die Regelung künftig modifiziert oder komplett abgeschafft werden soll.

WELLEN: Bei vielen Themenbereichen handhaben wir es so, dass wir kleine Arbeitsgruppen bilden, wo Mitglieder des Präsidiums, der Hauptamtlichkeit und auch der Vereine eingebunden sind. Die umfassende Kompetenz der Basis soll unbedingt in unsere Arbeit mit einfließen. Ebenso die fachliche Kompetenz bei Themen mit teils komplexen juristischen Fragen. Da brauchen wir einfach Leute, die Ahnung von der Materie haben.

Dirk Wellen (rechts), Präsident des Ligaverbandes Hockeyliga e.V., übergibt bei der Mitgliederversammlung in Hamburg an Robert Haake (links), Geschäftsführer von Rot-Weiss Köln, ein großes Erinnerungsbild an den Gewinn der Deutschen Feldmeisterschaft 2022. Foto: Hockeyliga

Was liegt in nächster Zeit hauptsächlich an?

STÄHLER: Die beiden großen Themenblöcke sind die Vermarktungsrechte und wie wir die Sanktionen tatsächlich umsetzen wollen, Stichwort Punktabzüge, Geldstrafen und dergleichen. Bei der Vermarktungsfrage muss es eine Abschichtung zwischen Zentralvermarktung und den Vermarktungsrechten der Vereine geben, garniert durch die Produktentwicklung der Hockey-Bundesliga und deren Vermarktung. Die Diskussionsprozesse hierzu sind eingeleitet, die Arbeitsgruppen sind besetzt. Möglichst in einem halben Jahr soll es eine außerordentliche Mitgliederversammlung geben, die sich mit den Ergebnissen beschäftigen wird, um ausreichend Vorlauf für einen Start zur Saison 2023/24 zu haben.

WELLEN: Ein wichtiger Punkt ist die Informationstechnik. Wir wollen beim Thema IT einen anderen Finanzierungsweg als der DHB einschlagen. Das Software-Paket, das wir für den Bundesliga-Betrieb benötigen und kaufen, werden wir über ein Leasing finanzieren und nicht, wie der DHB es für seinen Bereich macht, über eine Sonderumlage der Vereine. Wir können das unserer Einschätzung nach anders machen, weil wir am Thema der künftigen Erlöserzielung gerade erst anfangen zu arbeiten und berechtigte Hoffnungen haben, dass wir wirklich erhebliche Erlöserzielungsmöglichkeiten für uns schaffen. Daraus können wir dann monatlich über einen gewissen Zeitraum in die Zukunft diese IT-Anschaffung finanzieren. Die Alternative wäre gewesen, ähnlich vorzugehen wie der DHB. Aber wir wollen unsere Mitglieder nicht zusätzlich belasten. Das setzt dann aber auch voraus, dass die Vereine mitgehen, wenn es darum geht, gute Vermarktungsoptionen für uns zu erarbeiten.

Der Hockeyliga war seit jeher das Thema Livestreaming wichtig. Wie geht hier die Entwicklung weiter? Bislang ist es ein ziemlicher Flickenteppich, den die verschiedenen Clubs mit ihren Angeboten liefern.

WELLEN: Es gab schon erste Gespräche mit dem neuen Unternehmen von Ex-DFL-Chef Christian Seifert, ob Hockey in Zukunft auf dessen Streamingplattform „S Nation Media“laufen kann. Das Konzept von S Nation ist ja, die deutschen Topligen jenseits des Fußballs auf einer Plattform zu bündeln. Verträge mit Handball, Basketball, Volleyball und Tischtennis sind bereits geschlossen. Das Unternehmen ist auch an uns interessiert, wir wollen auch in konkrete Verhandlungen gehen. Das ist natürlich ein heißes Thema, und es gibt da noch eine ganze Menge offener Fragen zu klären, auf die wir im Moment noch nicht ausreichend vorbereitet sind. Natürlich müssen wir klären, ob wir das grundsätzlich wollen, ob wir uns da gut platziert sehen und ob letztlich die Konditionen für unsere Bundesligaclubs stimmen. Es gibt da wirklich noch keine Entscheidung, aber auf alle Fälle den Auftrag, mit diesem neuen Mediaplayer etwas auszuhandeln, was möglichst bis zur von Ralf angedeuteten außerordentlichen Mitgliederversammlung Anfang 2023 entscheidungsreif auf dem Tisch liegt.

Im Idealfall ginge es mit Beginn der Feldsaison 2023/24 los?

WELLEN: Ja, genau. S Nation – oder wie auch immer diese Plattform nachher heißen wird – geht zu diesem Zeitpunkt auf alle Fälle an den Start. Die wichtige Frage für uns wird sein, ob Hockey mit seiner 1. Liga bei diesem Konzert der wichtigsten deutschen Bundesligen jenseits des Fußballs vertreten ist oder nicht.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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