DEUTSCHE
HOCKEY ZEITUNG

Mit Hockey erhalten Sie wertvolle Tipps und Informationen rund um den Hockeysport.

Martin Schultze: „Ich kann das alles schon mit gutem Herzen übergeben“

Seit wenigen Tagen steht fest, dass Martin Schultze ab November neuer Sportdirektor des Deutschen Hockey-Bundes wird. Dann wird der 50-Jährige seine Zelte beim Bremer HC abbrechen, wo er 17 Jahre lang als Trainer und Geschäftsführer enorm viel aufgebaut hat. Besonders der weibliche Bereich hat von Schultzes akribischem Wirken profitiert. Die Bremer Damen führte er in die 1. Bundesliga, wo im zweiten Anlauf der Klassenerhalt gelingen soll. Und dass er sich nach dem Gewinn mehrerer deutscher Jugendmeisterschaften am liebsten mit dem Feld-DM-Titel 2022 bei der Weiblichen U18 aus Bremen verabschieden möchte, daraus macht Martin Schultze im Interview mit DHZ-Mitarbeiterin Claudia Klatt keinen Hehl.

Herr Schultze, voriges Wochenende sagten Sie, Ihr Team würde sich noch steigern müssen, um zu punkten, und nun hat der Bremer HC wieder zwei Mal gut gespielt und verloren. Waren Sie dieses Wochenende dichter dran an den ersten Punkten?

MARTIN SCHULTZE: Ich würde sagen, wir waren genauso dicht dran. Gegen den UHC war es sehr unglücklich mit zwei - wie ich sagen würde - irregulären Toren, die gegen uns entschieden wurden. Wir waren aus meiner Sicht komplett gleichwertig. Auch am Sonntag gegen den HTHC haben wir 2:0 geführt, hatten einen sehr guten Auftakt und haben dann zwei Ecken bekommen, die zum einen klar besprochen und zum anderen vermeidbar waren und die das Spiel mehr oder weniger gekippt haben. Dass ich mich nach einem Spiel gegen einen Halbfinalisten aus der Vorsaison darüber ärgere, dass wir nicht gewonnen haben, ist auf einer Seite zufriedenstellend, aber auf der anderen Seite ist es sehr ärgerlich. Und eine überragende HTHC-Torhüterin Rosa Krüger hat mit zwei Weltklasseparaden einfach den Unterschied ausgemacht. Natürlich sind die anderen einen Tick cleverer oder gestandener in manchen Aktionen, als Aufsteiger zahlt man einfach Lehrgeld. Auch sind wir von den Schiedsrichtern bisher nicht bevorteilt worden. Es ist auf der einen Seite bitter, mit null Punkten dazustehen, aber auf der anderen Seite lassen die spielerischen Elemente darauf hoffen, dass man noch Punkte holen wird.

So ähnlich klang schon Ihr Tenor nach dem letzten Wochenende. Wie wichtig ist es für die Psyche der Mannschaft, nicht nur zu merken, dass sie dran sind, sondern auch etwas Zählbares daraus zu ziehen?

Natürlich ist es eine ganz schwierige Gratwanderung, aber ebenso ist auch unser Auftaktprogramm nicht unbedingt dankbar, mit Köln, UHC, HTHC und dann Alster. Es sind erst einmal vier Gegner, wo keiner aus einem Bereich kommt, wo man per se sagen würde, dass man eigentlich Punkte holen müsste. Von daher ist es nicht so schlimm. Unsere Gegner bisher waren alles Mannschaften, die Richtung Viertelfinale streben, von daher haben wir uns gut geschlagen, und das habe ich der Mannschaft auch gesagt. Das wären Bonuspunkte gewesen. Aber wenn man dann vermutlich nach einer Niederlage bei Alster am nächsten Wochenende mit null Punkten am Tabellenende steht, ist das natürlich schwierig bei den Spielerinnen, den Grat zwischen Stolz, dass man mithalten kann, und Frustlevel, weil man keine Punkte hat, in der Waage zu halten.

Was würden Sie als Stärke Ihres Teams sehen?

Tore schießen leider noch nicht. Da hätten wir deutlich mehr erzielen müssen. Nein, ich denke, wir sind sehr ausgeglichen und sehr homogen besetzt, und ich denke schon, dass wir bisher für unsere Gegner auch sehr unangenehm waren. Aber die Punkteausbeute ist das, was am Ende entscheidend ist und was man deutlich schnell verbessern muss. Wobei es bei dem Modus anscheinend auch so ist, dass wenn wir so lernen, dass es im Frühjahr greifen würde, es immer noch langt. Beim letzten Mal, als wir in der Liga waren, hatten wir 22 Spiele und eine Hin- und Rückrunde. In dieser Konstellation würden wir schon ziemlich hinterherrennen. Und so sage ich mal: Es ist noch alles easy im Lot, und man ist ein bisschen entspannter in der Hinsicht.

Martin Schultze kann mit Stolz auf seine Aufbauarbeit beim Bremer Hockey Club blicken. Foto: Kaste

Für Sie persönlich ist es ja nun ein Abschied nach der Hinrunde, werden Sie komplett den Bremer HC verlassen?

Ja, es ist nicht anders möglich, ich werde alle Funktionen hier zum 23.10. einstellen, also bis zum Ende der Hinrunde der Bundesliga die Mannschaft noch begleiten. Vor allem haben wir jedoch ein großes Augenmerk auf die Weibliche U18-Jugend, wo wir auch noch Ambitionen haben und eine wirklich mehr als ebenbürtige Mannschaft haben – sieben Spielerinnen sind in unserem Bundesligakader. Daher ist es noch etwas, worauf man schielt. Es sind jetzt nicht mehr viele Wochen, noch sechs Wochenenden. Keine Ahnung, wann das Gefühl kommt, und keine Ahnung wann es einen nach 17 Jahren erwischt. Momentan ist das ganze Drumherum und der Wirbel noch immens, und von daher habe ich das auf der emotionalen Schiene noch sehr weit von mir. Das wird sicherlich gen Ende schon emotional und noch emotionaler, wenn es wirklich hinhaut, dass der große Wunsch, mit dem deutschen Meistertitel hier auszuscheiden, klappt. Es wäre das Sahnehäubchen obendrauf und aus meiner Sicht nicht unrealistisch.

Seit wann kennen Sie die Mädels aus dieser weiblichen U18-Mannschaft?

Zwei sind extern dazugekommen mit Nati Hoppe und Gesa Lubienski, die relativ frisch seit eineinhalb Jahren dabei sind, aber den Kern der Mannschaft habe ich seit den D-Mädchen an übernommen. Da sind sechs, die jetzt in der Bundesligamannschaft sind; sechs, die noch nie für einen anderen Verein gespielt haben und auch noch nie einen anderen Trainer gehabt haben als mich. Es sind noch zwei, drei dahinter, die auf dem Sprung in die Damenmannschaft stehen, und die auch noch U18 spielen können. Die U18 ist eine Truppe, die kaum einen anderen Trainer hatte als mich. Für diese Mannschaft würde es mich auch unfassbar freuen, wenn man da nochmal mit so einem schönen Erlebnis aus der gemeinsamen Zeit rausgehen kann.

Der Bremer HC ist also ein Lebenswerk für Sie?

Definitiv. Das ist schon das Ende eines Lebensabschnittes. Ich kann das alles schon mit gutem Herzen übergeben, wir haben eine Top-Anlage jetzt, auch gerade nach den ganzen letzten Investitionen. Wir haben 600.000 Euro nochmal in einen neuen Platz gesteckt, der gerade im August fertig geworden ist, den Hauptplatz, den Nebenplatz, wir haben die Tartanbahn gemacht, wir haben zwei Paddle-Courts nigelnagelneu dastehen. Mit allem, was da dieses Jahr entstanden ist, waren das knapp 900.000 Euro, die da reingeflossen sind. Wir machen nun noch den Tennishallenboden neu, dann ist auch alles, was die Anlage angeht, auf einem supermodernen Stand, und auch energetisch gesehen sind wir da knapp vor der Klimaneutralität. Nächstes Jahr - das ist auch so ein Faktor, der entscheidend ist - wird die Gasheizung noch zur Wärmepumpe umgemünzt, und dann kommt eine kleine Photovoltaik-Anlage drauf, und wir sind klimaneutral. Das ist ein ganz wichtiger Faktor, so dass ich sagen kann, ich übergebe da einen Schmuckkasten an den Nächsten. Da bin ich auch ein bisschen stolz insgesamt drauf – das ist keine Frage. Und nach 17 Jahren ist es ganz logisch, wenn man so einen Schritt macht, den ich selber gewählt habe, freue ich mich auch wahnsinnig auf die neue Aufgabe, weil ich einfach auch nach 17 Jahren gesagt habe, dass ich noch mal einen neuen Input brauche. Auf der anderen Seite – wenn es dann Mitte/Ende Oktober so weit sein sollte, dann wird natürlich nach so einer langen Zeit schon ein bisschen Wehmut aufkommen.

Warum glauben Sie, dass Ihre Mannschaft auf jeden Fall in der Liga bleiben kann?

Weil ich glaube, dass sie spielerische Qualität und auch die Einzelspielerinnen hat, die Dinge entscheiden können. Ein bisschen müssen wir uns noch an das Tempo in der ersten Liga gewöhnen, aber wir sind gut aufgestellt, und es ist auf jeden Fall machbar, in dieser Liga zu bleiben. Es ist immer eine Herausforderung, von Liga 2 in Liga 1 zu kommen. Wenn ich so auf unsere letzte Zweitligasaison zurückblicke, mit was für einer Tordifferenz und mit nur einem Unentschieden wir abgeschlossen haben - der Unterschied ist gigantisch. Wir müssen schnell diesen Schritt gehen, um die letzten Unterschiede wegzubekommen, aber die Mannschaft hat die Qualität und die Persönlichkeiten, sodass das was werden kann.

Claudia Rodriguez (rechts; hier im Bundesliga-Zweikampf mit Katharina Kiefer vom Harvestehuder THC) kam im Sommer aus Spanien nach Bremen und hat mit abgeschlossenem Pharmaziestudium beste Jobaussichten. Foto: Kaste

Sie haben auch mehrere ausländische Spielerinnen - wie bekommen Sie die nach Bremen?

Das ist ganz normales Scouting. Wir haben zwei, die mittlerweile im Job sind, eine ist Physiotherapeutin, die ist sehr glücklich in ihrem Job, die zweite wird in ein Pharmazieunternehmen reinkommen. Wir versuchen, den Spielerinnen eine langfristige Perspektive zu geben und haben auch Interesse daran, dass sie möglichst lange hierbleiben. Im letzten Jahr hat es leider mit Sofia Viarengo, unserer 2.BL-Torschützenkönigin, nicht hingehauen, die hat aus dem Ausland so attraktive Angebote bekommen, dass wir da nicht mithalten konnten. Das wird immer so ein Teil sein. Manche sehen das skeptisch, wir machen das, um unseren Jugendlichen (sechs haben wir aus den letzten Jahren, sechs sind dazugekommen und weitere sechs kommen noch dazu) eine Möglichkeit zu geben, um länger zu bleiben. Geographisch haben wir den Riesennachteil, dass wir nicht so sehr auf Clubs aus der Region zurückgreifen können, wie das im Westen geht. Es ist immer mit einem großen Aufwand verbunden, nach Bremen zu pendeln, und dementsprechend haben wir nicht so ein Reservoir an deutschen Spielerinnen an der Uni, wir haben keine medizinische Uni und somit entscheidende Standortnachteile. Daher müssen wir sehen, wie wir das ausgleichen können, und von daher sind wir sehr bemüht, viel zu tun. Mit den sechs ausländischen Spielerinnen in dieser Saison habe ich es mir anfangs extrem schwierig vorgestellt, die zu integrieren. Wir hatten jedoch das Glück, am Anfang fünf Tage in Luzern ein Trainingslager machen zu können, und da sie ab dem 2. August hier waren, haben sie sofort durch dieses Trainingslager die volle Integration in die Mannschaft erreicht. Es ist Leben, eine Bereicherung und macht echt viel Spaß. Für die ist es ebenso gut, dass sie eine größere Gruppe sind und alle spanischsprachig sind. Von daher können die auch mal alle gemeinsam was unternehmen. Das passt sehr gut. Die anfänglichen Bedenken haben sich schnell erledigt. Unsere Sprache miteinander ist jedoch Englisch.

Der Club muss so etwas ja auch erst einmal stemmen...

Ja, auch die Flüge, das kostet aus Südamerika 2700 Euro, sie fliegen aber nach dem Herbstsaisonabschnitt zurück und kommen dann wieder zur Rückrunde im Frühjahr. Das sind Flugkosten in Höhe von 15.000 Euro. Dazu kommen Übernachtung, Unterbringung, Verpflegung - das ist schon ein Budget, was man stemmen muss.

Und Arbeitsplätze zu beschaffen ist auch nicht ganz einfach, oder?

Eigentlich sind solche Mitarbeiterinnen ein Gewinn für jede Firma. Claudia hat ihr Pharmaziestudium in Madrid abgeschlossen, Paloma ist Physiotherapeutin. Das sind gebildete Leute, die Firmen lechzen momentan nach solchem Personal. Eigentlich ist das, wenn man sich ein bisschen kümmert, das simpelste. Momentan sucht jeder Arbeitskräfte ohne Ende. Ohne unsere Sponsoren wäre das jedoch alles nicht möglich, und wir sind sehr dankbar, diese Möglichkeit zu haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kennen Sie schon den Equipment-Guide der Hockeyzeitung? In diesem DHZ-Spezial gibt es einen umfrangreichen Schlägertest, Einblicke in die Produktion und den Vetrieb von Schlägern und ein Torwart-Special mit den Nationaltorhütern Alex Stadler und Jean Danneberg. Hier geht es zur Bestellung des Sonderhefts.