Mit Beginn der Feldsaison 2022/23 hat Jakob Cyrus die Cheftrainerrolle bei den Bundesliga-Damen des Münchner SC übernommen. Dabei ist der 29-Jährige im über 300 Kilometer Luftlinie entfernten Wiesbadener THC aktuell noch Trainer für drei Teams. Wie Cyrus das logistisch auf die Reihe bringt, wie seine ersten Erfahrungen mit den MSC-Damen waren und was ihn ganz speziell mit Ex-Bundestrainer Kais al Saadi verbindet, hat er im Gespräch mit DHZ-Mitarbeiterin Claudia Klatt erzählt.
Herr Cyrus, wie kam es zu Ihrer Verpflichtung in München?
Jakob Cyrus: Es wurden Gespräche mit mir geführt, als klar war, dass Jan Henseler seine Trainertätigkeit nicht mehr fortsetzen wird, und dann bin ich relativ zeitnah nach München gefahren, um vor Ort mit den Verantwortlichen zu sprechen. Anschließend begann bei mir der Überlegungsprozess, ob ich mir einen Wechsel zum MSC vorstellen kann. Im Zuge dessen hat sich bei mir immer mehr herauskristallisiert, dass ich den Schritt nach München gehen möchte.
Es hängt einiges an Ihrer Entscheidung, denn Sie sind momentan noch in Wiesbaden Damentrainer.
Vor zehn Jahren bin ich aus Hamburg nach Wiesbaden gezogen, um dort zu studieren. Ich habe dann angefangen, Mädchenmannschaften im WTHC zu trainieren, von der WU12 bis zu den Damen. Die Mädels, die Trainer, die Herren und der ganze Verein sind mir in diesen zehn Jahren sehr ans Herz gewachsen. Mir war es dementsprechend wichtig, dass der eingeschlagene Weg vernünftig fortgeführt wird. Deshalb habe ich entschieden, dass ich erst zur Hallensaison in voller Funktion nach München wechseln werde. Das gibt mir die Zeit, einen Nachfolger und eine gute Nachfolgeregelung in Wiesbaden zu finden, nur so kann ich mich mit gutem Gefühl verabschieden.
Ist er gefunden?
Ja, Dirk Wagner wird neuer Trainer, worüber ich mich sehr freue.
Welche Mannschaften trainieren Sie momentan noch in Wiesbaden?
Die U12, die U18 und die Damen.
Das klingt, in Verbindung mit dem MSC-Job, nach einem harten Programm. Wie lösen Sie es ganz praktisch?
Mit ganz viel Unterstützung seitens des WTHC und des MSC. Praktisch sieht es so aus, dass ich zwischen den Städten und Spielorten pendele. Am Wochenende coache ich, mit einigen spielplanbedingten Ausnahmen, beide Damenmannschaften. Unter der Woche bin ich in Wiesbaden und trainiere dort die Mannschaften. Gleichzeitig bereite ich die Spiele sowie die Trainingseinheiten in München vor und nach. Das funktioniert nur dank der tatkräftigen Unterstützung eines Gespanns aus ehemaligen Herrenspielern (Florentin Burkhardt, Felix Reuß und Konstantin Rentrop), des jetzigen Herrentrainers Patrick Fritsche und des WU14- und WU16-Trainers Fabian Fritsche, die das Training durchführen. Ich schätze mich sehr glücklich, mit welchem Engagement und mit welcher Qualität mir ausgeholfen wird. In Wiesbaden werde ich von Philipp Tangerding und Joel Correia, zwei hervorragenden Trainern, unterstützt. Da beide in Vollzeit außerhalb des Hockeys arbeiten, obliegen die Aufgaben des Haupttrainers allerdings weiterhin mir.
Trotz Doppelbelastung ganz bei der Sache: Jakob Cyrus mit seinen MSC-Damen. Foto: B. Förster
Bisher läuft es sowieso ganz gut für Sie. Die MSC-Damen haben zwar noch nicht gewonnen, aber zwei Punkte geholt, unter anderem gegen den Deutschen Meister Düsseldorf. Haben Sie das so erwartet?
Auf dem Papier ist das sicherlich in Ordnung. Wenn man mir vor der Saison gesagt hätte, dass wir aus diesem nicht einfachen Startprogramm gegen den deutschen Meister DHC, den Vorjahreshalbfinalisten HTHC, RW Köln und BHC zwei Punkte mitnehmen, wäre das für mich akzeptabel gewesen. So wie ich die Mannschaft jedoch kennengelernt habe – ich durfte drei Wochen der Vorbereitung leiten - und so wie sie sich jetzt entwickelt hat, wäre für uns von der Punkteausbeute mehr drin gewesen. Spielerisch machen die Mädels das schon gut, daher ist es ärgerlich, dass sich das noch nicht in der Tabelle widerspiegelt. Aber die Saison ist jung, und die Punkte werden kommen.
Die MSC-Damen schießen bisher deutlich mehr Tore als im Schnitt in der Vorsaison, woran liegt das?
Aktuell zeichnet uns aus, dass wir mutig mit Ball nach vorne spielen und uns dann Erträge im Kreis erspielen, seien es Ecken oder gute Torchancen. Die werden aktuell auch recht konsequent genutzt. Insbesondere auf die bisherigen Eckentore wollen wir aufbauen und unsere Ecken zu einer Stärke entwickeln.
Was sind die Stellschrauben, an denen Sie Ihrer Meinung nach arbeiten müssen? In den meisten Spielen hat Ihre Mannschaft sogar geführt, aber die Führung dann nicht behaupten können.
Der Sport ist schnell und kann torreich sein. Auch auf einem Zwei-Tore Vorsprung kann man sich nicht ausruhen. Unser Spiel unterliegt aktuell noch zu vielen Schwankungen, und die Gegentore haben wir immer in schwächeren Phasen gefangen. Die Einstellung der Mädels ist aber gut, und sie lernen schnell. Daher bin ich mir sicher, dass unser Spiel konstanter werden wird. Die Truppe muss zudem noch begreifen, wie gut sie Hockey spielen kann. Insbesondere das Vertrauen in das eigene Spiel mit Ball darf gerne wachsen. Ich glaube, dass die Mannschaft bisher darauf vertraut hat, dass sie gut gegen den Ball arbeitet und auch kämpferisch stark ist. Jetzt würde ich gerne sehen, dass wir selbst dominanter werden das und das Talent der Mannschaft auch im eigenen Ballbesitz auf den Platz bekommen. Sicher werden wir in allen Phasen des Spiels eine reifere Mannschaft werden und so auch Führungen behaupten können.
Am nächsten Wochenende spielen Sie gegen zwei erstarkte Hamburger Mannschaften, wie gehen Sie da in die Spiele? Fühlen Sie mittlerweile schon den Druck, punkten zu müssen?
Druck ist das falsche Wort. Ich empfinde eher eine große Vorfreude, weil ich glaube, dass beide Spiele auf Augenhöhe geführt werden und hochklassiges Hockey versprechen. Ich denke, dass gegen beide Mannschaften alles möglich sein wird. Die Spiele werden Spaß machen und zwei Mal die Chance bieten, drei Punkte aus Hamburg zu entführen. Ob das am Ende gelingen wird, bleibt abzuwarten. Wir werden uns bestmöglich auf die Spiele vorbereiten und in beiden Spielen alles aus uns herausholen. Druck ist dafür eher hinderlich. Wir konzentrieren uns auf das, was in unserer eigenen Macht liegt.
Sie pendeln also bis zur Hallensaison weiter – ist das jede Woche gleich?
Durch die Auswärts- und Heimspiele erfahre ich viel Abwechslung. Bald habe ich gefühlt jeden Hockeyplatz in Deutschland bereist. Nächstes Wochenende beispielsweise spiele ich am Samstag mit den Wiesbadener Damen in Ludwigsburg, fahre dann nach Hamburg und spiele am Sonntag mit den Münchner Damen beim GTHGC.
Also bei Flottbek und nicht beim UHC, wo sie eigentlich selber herkommen?
Ja, das Spiel bei meinem Heimatverein verpasse ich leider. Dort habe ich bei Lutz Reiher und Kais al Saadi das Hockeyspielen gelernt. Ich schätze beide sehr und bin ihnen dankbar, da sie mich als Spieler und Mensch geprägt haben. Kais hat mich überhaupt erst dazu gebracht, Trainer zu werden. Er hat mir vorgeschlagen, mal eine Mannschaft zu übernehmen. Leider bin ich genau bei dem Spiel an dem Samstag gegen UHC nicht dabei. Ich hätte mich gefreut, an einen so prägenden Ort meiner Jugend zurückkehren und dort in neuer Funktion wirken zu dürfen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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