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ANSETZER BUNDESLIGA: Ein Ehrenamt, zeitintensiv, undankbar und doch gut

Die Erfüllungsquote spricht eigentlich für sich. In nur zwei von 310 Spielen der Herbstphase 2022 der vier Feldhockey-Bundesligen standen nicht, wie vorgesehen, zwei neutrale Schiedsrichter mit Bundesligalizenz auf dem Platz. Und selbst diese zwei Spiele der 2. BL konnten ordnungsgemäß über die Bühne gehen, weil mit Hilfe der Schiedsrichterzuständigen der Landeshockeyverbände Niedersachsen und Bayern der fehlende zweite Unparteiische in Braunschweig und München kurzfristig noch aufgetrieben werden konnte.

Damit die 24 Erstliga- und 40 Zweitligamannschaften Woche für Woche mit Schiedsrichtern versorgt werden können, ist ein logistischer Kraftakt vonnöten. Und den leistet zum größten Teil der, bei dem alle Fäden zusammenlaufen: Ansetzer Andreas Wille. Seit über zehn Jahren hat der Mann aus Potsdam schon den Job inne, der mit einem Ehrenamt „eigentlich nichts mehr zu tun hat“, wie er selbst angesichts des zeitintensiven Engagements einräumt. Das beginnt mit den meist vier bis fünf Stunden, die er benötigt, um die Ansetzungen eines Pflichtspielwochenendes von der 1. Bundesliga Herren bis zur 2. Bundesliga Damen aufzustellen.

Ohne technische Hilfe geht dabei schon lange nichts mehr. Seit vielen Jahren nutzt der Schiedsrichter- und Regelausschuss (SRA) des Deutschen Hockey-Bundes – wie auch die meisten Landesverbände für ihren Bereich - die Internetplattform Sperrtermine.de, um die Verfügbarkeit seiner Schiedsrichter zu managen. Wer an welchen Tagen aufgrund von beruflichen oder privaten Gründen keine Zeit fürs Pfeifen hat, muss dies im System vermerken. „Von den aktuell etwas über 100 Schiedsrichtern im Bundesliga-Pool kann man im Durchschnitt immer ein Drittel mit gesperrten Wochenendterminen abziehen“, berichtet Andreas Wille aus der Praxis.

Im Wesentlichen besteht seine Aufgabe darin, die zur Verfügung stehenden Unparteiischen gemäß ihrer Qualifikation – gearbeitet wird mit einem internen A-, B- und C-Kader - für die zu besetzenden Spiele einzuteilen. Entfernungen, die letztlich über Zeit- und Kostenaufwand entscheiden, muss er dabei genauso im Blick haben wie den Umstand, dass es aus verschiedenen Gründen unclever wäre, immer die gleichen Schiedsrichter mit den gleichen Mannschaften zusammenzubringen. „Ich versuche so viel wie möglich zu rotieren. Es klappt nicht immer, aber oft“, ist der Ansetzer mit seinen Ergebnissen im Großen und Ganzen zufrieden.

Wichtig für Andreas Wille ist grundsätzlich auch, „dass Nutzen und Aufwand in gesunder Relation stehen müssen“. Sprich: Er wird für ein Einzelspiel praktisch nie zwei Schiedsrichter aus Berlin im Westen ansetzen oder zwei aus dem Süden in Hamburg und umgekehrt. „Acht Stunden Zugfahrt, einfach, für eineinhalb Stunden Hockey – das ist schwer zu vermitteln, den Schiedsrichtern genauso wie den Vereinen“, sagt der 50-Jährige, der „nur in äußersten Notfällen“ solch eine Einteilung vornehmen würde. Bei den klassischen Doppelwochenenden sähe vieles schon anders aus. Spiele mit besonderer sportlicher Brisanz gibt es, das lässt Wille durchblicken, aus Sicht des Ansetzers eigentlich erst in der Rückrunde. „Wenn es um die Play-off-Teilnahme oder den Abstieg geht, legen wir schon großen Wert darauf, entsprechend sinnvoll anzusetzen“, betont Wille, der gerade in der Hinrunde die Einteilungen dafür nutzt, „auch mal zu experimentieren“, sprich ein aufstrebendes Talent mit einem erfahrenen Kollegen zu kombinieren und damit zu testen.

Andreas Wille (rechts) bei der Deutschen Hallenmeisterschaft 2020 in Stuttgart, hier zusammen mit den Turnierleitern Sonja Schwede und Andreas Knechten. Foto: Foto2press

Ein unschöner, ja fast schon ärgerlich zu nennender Aspekt der Arbeit von Andreas Wille ist, dass vom ursprünglichen Ansetzungsplan im Durchschnitt nur rund 60 bis 70 Prozent bestehen bleiben und tatsächlich umgesetzt werden. „Meist versende ich die Pläne rund zehn Tage vor den Spielen, damit sich Vereine und Schiedsrichter darauf einstellen können“, sagt der Ansetzer, der leider oft genug umgehende Reaktionen erhält: „Kaum sind die Ansetzungen raus, kommen die ersten Rückmeldungen, dass einer seinen vorgesehenen Termin nicht wahrnehmen kann, weil er vergessen hat, seine Sperrliste zu aktualisieren. Die Pflege des Tools ist wirklich eine große Problematik.“ Die Folgen ausbaden muss der Ansetzer, der Um- und Neubesetzungen organisieren muss. Und die wirklich kurzfristigen Notfälle, beispielsweise wegen Krankheiten oder Verletzungen, sind da noch gar nicht mit einberechnet, ebenso Spielverlegungen, die auch immer den SRA-Ansetzer zur Zusatzaktivität zwingen. „Im Endeffekt müssen 30 bis 40 Prozent der Spiele aus den verschiedensten Gründen umbesetzt werden. Während der Pandiemiezeit war es teils noch mehr“, sagt Andreas Wille, der mit einer Engelsgeduld gesegnet scheint, all die Doppelund Dreifacharbeit wieder und wieder klaglos zu verrichten. Unterstützung, vor allem bei den superkurzfristigen Neuansetzungen, erhält Wille vor allem vom SRA-Kollegen Christian Blasch.

„Der ehrenamtliche Job des Schiedsrichteransetzers in der Bundesliga ist zunächst einmal einer der undankbarsten, da es sehr viele Interessensgruppen gibt und man es im Prinzip eigentlich niemandem recht machen kann. Abgesehen davon ist der Job insbesondere vor dem Saisonstart, vor allem aber während der laufenden Saison sehr zeitintensiv, da man oft sehr kurzfristig und schnell auf Absagen durch Coviderkrankungen und Spielverlegungen in die Woche hinein reagieren muss“, sagt SRA-Sprecher Dirk Möller über die Tätigkeit von Andreas Wille, der im Übrigen einem Broterwerbsjob im Einzelhandel nachgeht und tatsächlich über Stunden hinweg auch das „Hockey-Telefon“ zur Seite legen muss. 

2010 kam Wille, der selber nie Bundesligaschiedsrichter war („meine Karriere an der Pfeife verlief eher unscheinbar auf Landes- und Regionalebene“) zum DHB-Ausschuss. Der Jugendtrainer der Potsdamer Sport-Union war für eine Schiedsrichterbeobachtung eingeteilt. Dass der Unparteiische, dessen Leistung bei einem DM-Halbfinalspiel Wille zu beurteilen hatte, mit Michael von Ameln der damalige Chef der DHB-Schiedsrichtergarde war, dürfte der berühmte Zufall gewesen sein. „Er fand meine Art wohl ganz gut und hat gefragt, ob ich Interesse an einer Mitarbeit im SRA hätte“, erinnert sich Andreas Wille an die Anfänge. Für das ihm zunächst angetragene Beobachtungswesen konnte sich Wille zwar nicht begeistern (ehemalige BL-Schiedsrichter wären da viel sinnvoller, wie nicht nur er fand), aber seine Ansetzungsarbeit im Landesverband hatte sich offenbar herumgesprochen. „So bin ich schließlich zu den Bundesliga-Ansetzungen gekommen“, sagt Andreas Wille, der sich diesen Job anfangs mit Daniel Neideck und Stefan Wiarda teilte. Da die beiden Kollegen aber selber noch aktive BL-Schiris waren und „erkannt wurde, dass es unglücklich ist, wenn man sich selber ansetzen muss“ (Wille), lief die damalige Konstellation nur gut ein Jahr lang, ehe sich danach alle Fäden beim Potsdamer bündelten.

„Ja, sicherlich“, antwortet Andreas Wille auf die Frage, ob es wünschenswert wäre, wenn es mehr Bundesliga-Schiedsrichter gäbe. Nicht nur sein Job würde vermutlich etwas leichter, schließlich merkt gerade der Ansetzer, wie knapp auf Kante alles genäht ist. „Bei einem Doppelwochenende in allen vier Bundesligen gibt es kaum Reserven“, sagt Wille, der hier auf regionale Unterschiede verweist. Während die personelle Situation im Süden („gut“) und Westen („geht so“) gut zu handeln sei, wäre es im Norden und Osten „ganz schwierig“. Sprich viele Bundesligamannschaften, aber nur wenige Schiris mit Bundesligaqualifikation.

„Unser Jugendbereich macht grandiose Arbeit“, sieht Andreas Wille den Hauptzuwachs am Bundesliga-Pool aus dem Nachwuchs kommen. Quereinsteiger gäbe es leider nur wenige. Gleichzeitig schwant dem Ansetzer, „dass wir in den nächsten paar Jahren rund ein Drittel unserer Bundesligaschiris verlieren könnten, weil sie nach langen Jahren aufhören“. Eine Altersgrenze „50“, wie sie das deutsche Hockey schon mal für den Bundesligabereich erwogen hatte, „können wir uns gar nicht leisten“, gibt Wille offen zu. Für jede treue Seele, die an Bord bleibt, auch wenn sie ihren Leistungshöhepunkt vermutlich schon überschritten hat, ist der Ansetzer dankbar. Frank Lubrich, mit über 600 Bundesligaeinsätzen der Rekordhalter der deutschen Hockeyschiedsrichter, ist für Andreas Wille so ein Musterbeispiel. „Auf den Lupo kann man sich einfach verlassen.“ Wenn der 57-Jährige sage, dass es erste Liga Herren nicht mehr zwingend sein müsse, weil ihm das Spiel dort zu schnell geworden ist, „dann kann ich damit umgehen“, so der Ansetzer.

Die Herausforderungen werden schon in Bälde nochmal größer. In dieser Hallensaison startet – mit verzögerter Einführung wegen der Coronapandemie – die neue 2. Bundesliga Damen. „Ich habe damals, als die Idee dieser neuen Liga aufkam, dem DHB schon aufgezeichnet, was es aus Schiedsrichtersicht bedeutet, wenn plötzlich 24 Teams Für sein Engagement im Ostdeutschen Hockey-Verband dazukommen und alle BL-Schiedsrichter haben wollen – das ist schier nicht möglich“, erinnert sich Andreas Wille.

Frühzeitig habe der SRA mit den Regional- und Landesverbänden Kontakt aufgenommen. Und auch der Jugendbereich wurde mit ins Boot genommen. „Die Lösung, die wir gefunden haben, wird so aussehen, dass die Spiele der 2. BL Damen hauptsächlich aus dem DHB-Jugendkader heraus mit Schiedsrichtern versorgt werden“, so Andreas Wille, der freilich ahnt, dass es „flächenmäßig wahrscheinlich nicht ganz klappen wird“. Die verbleibenden Lücken sollen durch Regional- und Verbandsschiedsrichter aufgefüllt werden. Sicher ist jedenfalls, dass es ein spannender Winter wird. Dazu Dirk Möller: „In der Halle kommt nun auch noch die 2.Bundesliga Damen hinzu, die aufgrund des begrenzten Schiedsrichterkaders ebenfalls eine Herausforderung darstellen wird. Insofern ist beim Ansetzer oft eine Erreichbarkeit rund um die Uhr gefordert, was in heutiger Zeit nicht wirklich mehr eine Selbstverständlichkeit ist.“

Als ob die ehrenamtliche Tätigkeit im DHB-SRA nicht schon ausfüllend genug wäre, hat Andreas Wille kürzlich noch kommissarisch den verwaisten Job des Schiedsrichterobmanns im Ostdeutschen Hockey-Verband übernommen.  lim

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