12.11.2022
Mit Verletzungen im Feldhockey, genauer gesagt der „Epidemiologie der häufigsten Verletzungen im Feldhockey“, beschäftigte sich Emma Sophie Heßler im Rahmen ihrer Masterarbeit. An der Sporthochschule Köln studiert die Spielerin des Deutschen Meisters Düsseldorfer HC Sportphysiotherapie. Als es an die Masterarbeit ging und darum, möglichst viele aktive Hockeyspielerinnen und -spieler mit dem Aufruf zur Teilnahme an einer Umfrage zu erreichen, nahm die 27-jährige frühere U21-Nationalspielerin auch Kontakt zur DHZ auf. Wir unterstützten Emma in unserer Ausgabe 1/2022. Als kleine Gegenleistung wünschten wir uns, dass sie nach Abschluss der Arbeit für die DHZ-Leser eine Zusammenfassung erstellt. Und Emma Heßler hat Wort gehalten. Nachstehend ihr Text.
Die Sporthochschule Köln und mein Betreuer erwarteten 300 Datensätze für meine Masterarbeit. Dank der tollen Unterstützung der Hockeyfamilie und nicht zuletzt der DHZ konnte ich auf über 1000 Rückmeldungen aufbauen! Vielen Dank!
Insgesamt haben 1015 Hockeyspieler:innen (414 männlich und 601 weiblich) aus 332 Ligen an der Studie teilgenommen. Der jüngste Teilnehmer und die jüngste Teilnehmerin waren sieben Jahre alt, der älteste männliche Teilnehmer 68 Jahre und die älteste weibliche Teilnehmerin 57 Jahre alt. Demnach reichten die Feldhockey-Erfahrungsjahre 2019/20/21 und 2021/22 von einem bis 61 Jahren in der männlichen Kohorte und von einem bis 45 Jahren in der weiblichen Kohorte. Im gesamten Betrachtungszeitraum wurden 5704 Verletzungen dokumentiert, die von Hämatomen und Platzwunden über Muskelfaser- und bündelrisse, bis hin zu Bänderrissen, Knorpelschäden, Kreuzbandrissen, Rückenbeschwerden, verschiedenster Frakturen und sogar Gehirnerschütterungen reichten. Die Mehrheit der Teilnehmer:innen gaben an, mehr als nur eine Verletzung im Betrachtungszeitraum erlitten zu haben, wodurch sich ein Durchschnittswert von 4,96 Verletzungen pro männlichen Spieler und 6,07 Verletzungen je weibliche Spielerin ergab.
Die höhere Verletzungshäufigkeit der Frauen ist vor allem auf eine höhere Anzahl kleinerer Verletzungen zurückzuführen. Die Verletzungshäufigkeit in Abhängigkeit der beiden Saisons war enorm. Während die Verletzungshäufigkeit in der gestreckten Saison 2019/20/21 bei den Männern bei 1,80 Verletzungen pro Tag lag, war sie in der Saison 2021/22 mit einem Wert von 5,30 deutlich höher. Bei den Frauen war das gleiche Verhalten zu beobachten. Generell war das Risiko einer Verletzung im Training rund 18 Prozent höher als im Wettkampf. Der Nachwuchssport weiblich und der Spitzensport Damen wiesen über beide Saisons hinweg die höchsten Verletzungsraten in Training und Wettkampf auf.
Der Zweikampf als größtes Verletzungsrisiko im Feldhockey – davon kann sich Emma Heßler (rechts) fast Woche für Woche persönlich überzeugen. Hier in einem Bundesligaspiel zwischen dem Düsseldorfer HC (in blau am Boden Selin Oruz) und dem Harvestehuder THC (vorne in gelb Emma Nolting). Foto: Sternberger
Beim Vergleich des Trainingsaufwandes zwischen den Spielerpositionen zeigten die Ergebnisse, dass Torhüter:innen in Bezug auf Hockey-, Ausdauer- und Krafttraining insgesamt über beiden Saisons hinweg am meisten trainierten, sie waren in der Summe aber auch am verletzungsanfälligsten. Die Verteidiger:innen und Stürmer:innen teilten sich den Platz der trainingsunfreudigsten Spielerpositionen, und dennoch erwiesen sich die Verteidiger:innen als am verletzungsunanfälligsten. Durchschnittlich verbrachten die Frauen während des Befragungszeitraums 4,50 Stunden pro Woche mit Hockeytraining und die Männer hingegen nur 3,93 Stunden. Die Spitzensportler:innen verbrachten durchschnittlich 5,31 Stunden pro Woche mit Hockeytraining, die Breitensportler:innen 3,42 Stunden und die Nachwuchssportler:innen 4,53 Stunden. Da gültige Tore beim Feldhockey bekanntlicherweise nur innerhalb des Kreises erzielt werden können, herrscht hier meist eine hohe Dichte an verteidigenden und angreifenden Personen auf engem Raum. Entsprechend war eine hohe Anzahl von Verletzungen im Schusskreis nicht überraschend. Nimmt man die Torhüter:innen aus der Datenanalyse heraus, entsteht eine annähernde Gleichverteilung aller Spielfeldpositionen, ausgenommen des gegnerischen Schusskreises. Hier aber wiederum wies bei der Gruppe der 41- bis 49-Jährigen in beiden Saisons, mit und ohne Torhüter:innen gerechnet, dieser Bereich des Spielfeldes das höchste Verletzungsvorkommen auf.
Ein sonderliches Ergebnis bot sich in der Mitte des Spielfeldes, mit einem Verletzungsvorkommen von 1,43 % (2019/20/21) und 3,39 % (2021/22) in der Gruppe der Torhüter:innen. Denn seit Beginn des Jahres ist es ihnen sogar regulatorisch untersagt, die Viertellinie des von ihm oder ihr zu verteidigenden Schusskreises zu überqueren, um am aktiven Spielgeschehen teilzunehmen.
Es überraschte nicht, dass eine große Anzahl von Verletzungen an der unteren Extremität auftrat, was aufgrund der Art des Sports und der Höhe, auf der der Ball gespielt wird, zu erwarten war. 24,81 Prozent der Verletzungen betrafen die untere Extremität, 1,35 Prozent die obere Extremität, 7,92 Prozent den Kopf und Rumpf und die restlichen Prozente, hauptsächlich leichtere Verletzungen wie Schürfwunden oder Hämatome, waren keiner Körperpartie zuzuordnen.
In den Leistungs- und Altersklassen, wie auch bei den Spielerpositionen und dem Geschlechtervergleich waren Schürfwunden, Prellungen und Hämatome am häufigsten unter den ersten drei Verletzungen der Top 10 vertreten. Das Supinationstraumata und die Muskelzerrung teilen sich mit den Lendenwirbelsäulen-Beschwerden in den meisten Fällen die Ränge vier bis sechs. Die Platzwunde, der Muskelfaserriss, die Distorsion des Sprunggelenks beziehungsweise der Bänderriss am Fuß sowie sonstige Frakturen wiesen vereinzelt Ausreißer unter den ersten sechs Rängen auf, befanden sich aber vorrangig unter den Rängen sieben bis zehn.
Interessante Ergebnisse lieferte die Auswertung der Häufigkeiten der Verletzungen, die eine gewisse Ausfallzeit mit sich brachten. Jede 13. Frau erlitt im Beobachtungszeitraum im Vergleich zu nur jedem 35. Mann eine Gehirnerschütterung. Jede 13. Frau und jeder 20. Mann erlitten einen vorderen oder hinteren Kreuzbandriss mit und ohne Begleitverletzungen. Jede 14. Frau und jeder 18. Mann erlitten einen Knorpelschaden. Jede 19. Frau und jeder 34. Mann erlitten eine Verletzung der Menisken. Jede 9. Frau und jeder 10. Mann erlitten eine Fraktur. Jede 14. Frau und jeder 16. Mann erlitten eine Distorsion, eine Verstauchung eines Gelenks. Jede 16. Frau und jeder 9. Mann erlitten einen Muskelfaserriss. Jede 6. Frau und jeder 10. Mann erlitten einen Bänderriss am Fuß. Jede 4. Frau und jeder 4. Mann litten unter Lendenwirbelsäulen-Beschwerden. Jede 13. Frau und jeder 19. Mann litten unter Brustwirbelsäulen-Beschwerden. Jede 9. Frau und jeder 26. Mann litten unter Halswirbelsäulen-Beschwerden.
Auffällig war demnach, dass muskuläre Verletzungen vermehrt bei männlichen Hockeyspielern auftraten, die im Vergleich zu den Frauen mehr Zeit für Krafttraining aufgebracht hatten. Die Frauen wiederum hatten sich neben dem Hockey eher dem Ausdauersport gewidmet und wiesen insgesamt eine Vielzahl von Verstauchungs- und Umknick-Symptomatiken auf.
Oft sieht’s schlimmer aus, als es tatsächlich ist. Aber manchmal haben Zweikämpfe eben auch Verletzungen zur Folge. Hier erwischt es den Frankfurter Moritz Schmidt-Opper (in weiß) in einem Spiel gegen den Münchner SC. Foto: Keßler
Die verletzungsbedingten Ausfallzeiten hielten sich insgesamt jedoch in Grenzen, da es sich dessen ungeachtet überwiegend um leichte Verletzungen handelte, die mit keiner bis zu einer nur kurzen Ausfallzeit einhergingen. In der Saison 2019/20/21 hatte rund jeder dritte Spieler beziehungsweise jede dritte Spielerin hinweg über alle Alters- und Leistungsklassen gerechnet trotz einer der von ihnen angegebenen Verletzung weitergespielt. In der Saison 2021/22 spielte rund jede zweite verletzte Person trotz ihrer Verletzung weiter. In beiden Saisons zeigte sich ein zweiter Peak bei den am häufigsten angegebenen Ausfalltagen jeweils bei einer Ausfallzeit von einer Woche.
Obwohl es sich technisch gesehen beim Feldhockey um eine kontaktlose Sportart handelt, erwies sich der Zweikampf b ei den Männern als häufigste Verletzungsursache (26,27 %). Darauf folgten mit absteigender Häufigkeit der Hockeyball (20,91 %), der Hockeyschläger (14,09 %), Verletzungen kontaktloser Art (13,09 %), der Ausfallschritt (12,36 %), der zu wenig gewässerte Hockeyplatz (10,55 %), der zu viel gewässerte Hockeyplatz (1,87 %) und sonstige Trainingsgegenstände (0,88 %). Bei den Frauen waren die beiden häufigsten Verletzungsursachen in beiden Saisons der Zweikampf (24,16 %) und der Hockeyball (24,13 %). Darauf folgten der Hockeyschläger (18,09 %), der Ausfallschritt (12,67 %), Verletzungen kontaktloser Art (8,38 %), der zu wenig gewässerte Hockeyplatz (7,52 %), der zu viel gewässerte Hockeyplatz (3,95 %) und sonstige Trainingsgegenstände (1,13 %).
Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen war die prozentuale Verteilung der Zeitpunkte bezüglich des Auftretens einer Verletzung in beiden Saisons ähnlich. Die meisten Verletzungen ereigneten sich im dritten Viertel, gefolgt vom zweiten, vierten und ersten Viertel, dem Warm Up und dem Cool Down. Die gestiegenen Trainingsanforderungen des modernen Feldhockeys gehen mit einer erhöhten Belastung des Bewegungsapparates und einem vermehrten Vorkommen von Verletzungen einher. Verletzungen sind und bleiben leider Teil des Sports. Das Muster der Sportverletzungen wird stetig weiter wachsen und sich ebenfalls an die wechselnden Bedingungen anpassen. Daher sollte ein gezieltes präventives Training, wie es bereits ab dem Kinderbereich mindestens einmal pro Woche angeboten werden sollte und auch allen älteren Hockeyspielern und -spielerinnen anzuraten ist, eine ausgewogene Mischung aus motorischen Fähigkeiten, der Aufklärung über die häufigsten Verletzungsursachen und die frühzeitige Stärkung sportartspezifischer Fähig- und Fertigkeiten sein, um verletzungsanfällige Situationen zukünftig zu reduzieren.
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