23.06.2023
Nach zwölf Jahren findet in diesem Sommer wieder eine Feldhockey-Europameisterschaft in Deutschland statt. Bei Nina Holtgrewe, der Direktorin Event des Deutschen Hockey-Bundes, laufen die organisatorischen Fäden der Großveranstaltung zusammen. Zwischen 18. und 27. August kämpfen im Hockeypark in Mönchengladbach acht Damen- und acht Herrenteams um Europas Krone. Bis zu 100.000 Zuschauer werden zu den 40 Spielen an zehn Spieltagen erwartet, 800 Volunteers sorgen zusammen mit einem kleinen Hauptamtlichen-Team des DHB für die Umsetzung. DHZ-Redaktionsleiter Uli Meyer hat sich über den Stand der Vorbereitungen bei Nina Holtgrewe erkundigt.
Frau Holtgrewe, zwei Monate sind es noch bis zum Start der EM. Könnte das Turnier aus organisatorischer Sicht morgen schon starten oder brauchen Sie diese gut acht Wochen noch für die Vorbereitung?
NINA HOLTGREWE: Grundsätzlich sind wir auf einem guten Weg und an vielen Stellen auch schon sehr weit, aber es gibt sicher viele Dinge, für die es noch einer Feinjustierung bedarf. Insgesamt sind wir wirklich gut im Zeitplan. Es ist alles soweit erledigt, was bis zu diesem Zeitpunkt auch fertig sein sollte.
Das Aufgabengebiet einer Eventdirektorin ist bestimmt vielfältig. Ich habe von 45 Teilbereichen gelesen, die in Ihr Zuständigkeitsfeld fallen. Könnten Sie mal die wichtigsten Dinge Ihres Verantwortungsbereiches nennen?
Nachdem wir diesen Bereich jetzt erst neu innerhalb des DHB aufbauen, ist es so, dass ich im Prinzip von A bis Z im Moment alles begleite. Um mal ein paar Dinge rauszugreifen: Ich habe angefangen, das ganze Design zu entwickeln und habe das Ticketing aufgesetzt. Es geht weiter zur Parkplatzsituation. Wir werden ja wahrscheinlich einen Doppelspieltag mit Hockey-EM und Fußball-Bundesliga in unmittelbarer Nachbarschaft haben - da waren viele Abstimmungen nötig. Neben der reinen Organisation des Events ist uns allerdings auch die Stakeholder-Kommunikation sehr wichtig. Wir haben angefangen, uns intensiv mit der Stadt, dem Land und dem Bund auszutauschen und unsere Visionen zu präsentieren. Auch hier wurde viel Zeit investiert.
Die EM 2023 ist eine komplette Inhouse-Veranstaltung des DHB, also ohne jegliche externe Agenturen oder Dienstleister, die den Verband bei der Organisation auf Honorarbasis unterstützen. Ist das Chance und Risiko zugleich?
Also ich sehe die Chance definitiv größer als das Risiko. Das Risiko ist, dass ich derzeit sehr viele Stunden leiste, ich aber auch sehr viel Unterstützung bekomme. Unser Team wurde gerade aufgestockt, und die Zusammenarbeit mit dem Hockeypark funktioniert sehr gut. Aber grundsätzlich sehe ich eine riesige Chance darin, dass man eben Hockey-Veranstaltungen anders denkt, sich nach und nach professioneller aufstellt und dadurch auch die Chance hat, den Hockeysport besser zu vermarkten und attraktiver für Partner zu werden. Das geht alles mit einem Umschwung einher. Es wird sicher nicht so sein, dass wir bei Null starten und sofort bei 100 landen. Ich sehe es als langfristigen Prozess, der weitere Verbesserungen und Optimierungen mit sich bringen wird. Schritt für Schritt. Event für Event. Grundsätzlich gibt es die Idee einer Event-Strategie, wir versuchen möglichst jedes Jahr ein attraktives Hockey-Event nach Deutschland zu holen. Meine Idee ist, dass wir das möglichst nachhaltig gestalten, also nicht nur für eine Veranstaltung, sondern dass man Dinge auch weiterverwenden kann – das simpelste Beispiel ist sicherlich das Branding.
Nina Holtgrewe (Mitte) in der DHB-Zentrale in Mönchengladbach, zusammen mit (von links) Niclas Thiel (Kaufmännischer Vorstand DHB), Nike Lorenz (Kapitänin der deutschen Damen-Nationalmannschaft), Felix Heinrichs (Oberbürgermeister der Stadt Mönchengladbach) und Michael Hilgers (Geschäftsführer SparkassenPark Mönchengladbach). Foto: DHB
Wie viele Personen gehören denn zum engeren Eventteam?
Man kann derzeit von drei bis vier Personen sprechen.
Sie sind, was Hockey angeht, eine Quereinsteigerin. Aber dafür sehr erfahren bei der Durchführung von Veranstaltungen kleinerer und größerer Art. Sie selbst haben sich mal als „Eventtante“ bezeichnet. Woher kommt diese Lust aufs Organisieren?
Ich habe eine Ausbildung als Werbekauffrau gemacht. In dieser Agentur gab es schon eine Eventabteilung, was zu dieser Zeit noch nicht ganz so üblich war. Es hat mich fasziniert, was man da so alles organisieren und berücksichtigen muss. Vor allem fasziniert mich am Eventbereich, dass man lange hart arbeitet und dann aber auch rausgeht, mit den Leuten in Kontakt kommt und irgendwann in glückliche Gesichter schaut – das ist eigentlich der schönste Lohn und mein Antrieb. Eine meiner Freundinnen ist Forscherin. Sie hat nach zehn Jahren Arbeit kleine Erfolge im Labor oder im dümmsten Fall eben keine – das wäre nichts für mich. Warum aber der Quereinstieg? Ich durfte schon Events für diverse Branchen begleiten, ein Sportevent war bisher nie dabei. Das hat mich gereizt. Und weshalb klein anfangen, wenn man direkt eine Europameisterschaft bekommen kann?
Was hat Sie erstaunt oder erschreckt an der Hockeyfamilie in den eineinhalb Jahren, in denen Sie nun für den DHB tätig sind?
Ich wurde sehr herzlich empfangen, war bei vielen Veranstaltungen, habe mich mit vielen Menschen austauschen können. Dabei wurden Türen geöffnet, um auch neue Wege einschlagen zu können. Das finde ich fantastisch, und ich kann bestätigen: diese „Familie“ gibt es wirklich.
Aber es kennzeichnet die Hockey-Community bislang auch eine gewisse Zurückhaltung, was das Interesse an einem EM-Besuch angeht. Der Kartenvorverkauf außerhalb von Mönchengladbach und NRW ist doch noch sehr mager. Kommen die Leute auf den letzten Metern oder stehen Sie da vor einem gewissen Rätsel?
Nee, vor einem Rätsel stehen wir da nicht. Ich bin eigentlich zufrieden mit dem Kartenvorverkauf. Mehr geht natürlich immer! Allerdings frage ich mich schon, warum wir große deutsche Hockeyzentren wie beispielsweise Hamburg noch nicht richtig erreicht und keinen durchschlagenden Erfolg haben, auch Berlin oder der Süden sind noch ziemlich schwach in der Resonanz. Grundsätzlich ist es aber so, dass wir bei drei der zehn Spieltage schon jetzt nahezu ausverkauft sind. Die letzten zehn Prozent Tickets sind an diesen Tagen noch übrig, und die sind sicherlich in Kürze auch weg. Das ist ein toller Erfolg, und wer dabei sein möchte, muss sich langsam beeilen. Andere sehr gut besuchte Tage werden sicherlich folgen. Dazu wird auch unser großes Programm „Hockey meets Music“ beitragen (nähere Infos hierzu folgen zeitnah). Da werden tolle Stimmungsbands dabei sein, die sicherlich auch das Ticketing nochmal kräftig antreiben. Ich würde mir diese Stimmung jedenfalls nicht entgehen lassen. Mir hat der Europäische Hockey-Verband mal gesagt, dass die letzten 30 Prozent der Tickets meist noch während der Veranstaltung verkauft werden. Wenn das der Fall sein sollte, bin ich sehr entspannt und glücklich.
Die Resonanz aus dem grenznahen Umland, vor allem den „Hockey-Ländern“ Niederlande und Belgien, ist auch noch zurückhaltend.
Grundsätzlich wäre es natürlich schön, wenn wir noch mehr holländische und belgische Fans nach Deutschland locken könnten. Aber wir haben mit bislang 16 Prozent der Kartenverkäufe ins Ausland schon eine relativ hohe Quote, wenn man das im Vergleich mit anderen Veranstaltungen im Hockey sieht.
DHB-Maskottchen Schlenzi hat schon mal die EM-Pokale gebastelt. Eine Bastelanleitung und viele weitere (Trainings-)Angebote für Schulen und Vereine gibt es auf der Seite eurohockey2023.com unter der Rubrik Fan-Services. Foto: DHB
Auf welche Zielgruppe richten sich die Werbeaktionen: Wollen Sie hauptsächlich die Hockey-Community aktivieren oder allgemein Sportinteressierte in den Hockeypark zur EM locken?
Im Endeffekt ist unsere Kommunikation in drei Phasen aufgeteilt. Die erste Phase lief ab Herbst vergangenen Jahres, als wir zunächst die Hockey-Community erreichen wollten. Ab Frühjahr war unser Ziel, andere Sportbegeisterte zu erreichen, und kurz vor dem Event und natürlich auch während der Veranstaltung wollen wir ganz Deutschland erreichen und möglichst eine positive Welle mitnehmen, so wie es rund um den Weltmeistertitel schon geklappt hat. Das Beispiel European Championships ist für mich Ansporn: Am Anfang hatte niemand so richtig mitbekommen, dass in München so ein tolles Event stattfindet, und am Ende war eine richtige Euphorie entstanden, so dass auch viele Leute spontan noch gekommen sind. Grundsätzlich ist unser großes Ziel, dass wir nicht nur Tickets verkaufen – was natürlich erstmal im Fokus steht -, sondern dass wir insgesamt versuchen, den Hockeysport in Deutschland wieder sichtbarer zu machen. Was ich persönlich schade fand, als ich beim DHB angefangen habe, war festzustellen, dass wir so eine tolle Sportart haben, und keiner weiß etwas davon. Die erfolgreichste Ballsportart in Deutschland, das größte Hockeystadion Europas – ein Wissen, das nur einem ganz kleinen Kreis bekannt ist. Aber wir sind da auf einem guten Weg, diese Themen auch in die breitere Masse zu tragen, unter anderem mit digitalen Werbeflächen bundesweit in einer Kooperation mit Ströer Außenwerbung, über die wir sehr happy sind.
Der Erfolg dieses Bemühens wird eng damit zusammenhängen, wie es gelingt, die EM auch entsprechend in den öffentlich-rechtlichen Medien zu platzieren. Wie ist da der Stand?
Nach wie vor ist der aktuelle Stand der Verhandlungen so, dass sämtliche Spiele der deutschen Damen und Herren als Livestream bei den öffentlich-rechtlichen Programmen vorgesehen sind und im Falle einer deutschen Endspielteilnahme dieses Finale dann live im Fernsehen auf ARD und ZDF übertragen wird. Damit eingeschlossen ist die Nachverwertung in den öffentlich-rechtlichen Sendern im Free-TV. Daneben sind wir in Gesprächen mit anderen Anbietern, da wir immer noch die Möglichkeit haben, das gesamte Turnier unter bestimmten Voraussetzungen an andere Anbieter zu vergeben.
Was ist – außer dauerhaft schlechtem Wetter in der zweiten August-Hälfte – Ihre größte Sorge: ein oft halbleeres Stadion? Oder dass die EM zu einem großen finanziellen Verlustgeschäft für den DHB wird?
Ehrlich gesagt weder noch! Mit ein paar leeren Plätzen an manchen Tagen wird man leben müssen. Aber nehmen wir zum Beispiel den Montag, wo anfangs alle gesagt haben: Wie kann man denn da nur ein Spiel Deutschland gegen Niederlande platzieren – und jetzt ist dieser Montag nahezu ausverkauft! Ich glaube, das wird einer der tollsten Tage, und alle bei uns freuen sich schon auf den Party-Montag mit dem Klassiker der Herren. Ich denke, dass wir es mit unseren speziellen Angeboten an Schulen und Vereine hinbekommen werden, nie ein leeres Stadion zu haben. Aus Ticketing-Sicht bin ich wirklich optimistisch, dass das alles gut ausgehen kann. Grundsätzlich merken wir, dass der Deutsche Hockey-Bund mit einem solchen Event auch für Partner deutlich interessanter ist.
War denn der deutsche WM-Titelgewinn im Januar der größte Boost nicht nur für das Zuschauerinteresse bei der EM, sondern auch, um neue Partner zu gewinnen? Hat das spürbar geholfen?
Das hat sicherlich geholfen. Wir waren schon auf einem guten Weg mit den Gesprächen. Wir hatten zum Zeitpunkt des WM-Sieges schon unseren neuen Hauptsponsor der VIACTIV Krankenkasse gefunden. Aber dass ein Weltmeistertitel natürlich nicht schadet, ist doch gar keine Frage. Im Endeffekt hat auch die Berichterstattung in den frei zugänglichen Medien und der sympathische Auftritt unserer Honamas - beispielsweise im ZDF-Sportstudio - geholfen, um Hockey präsenter zu machen und ins Gespräch zu kommen.
Was muss passieren, damit die Eventdirektorin am 28. August, dem Tag nach dem Herren-Endspiel, ein zufriedenes EM-Fazit ziehen kann?
Am 28.8. werde ich nur noch schlafen wollen. Aber im Ernst: Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn unsere Mannschaften sportlichen Erfolg haben, wenn die Zuschauer begeistert sind, wir mit der Veranstaltung Begeisterung für den Hockeysport entfachen können und wenn alle Partner aus diesem Event rausgehen und sagen: Hey, das war ein cooles Hockey-Event und sollte wiederholt werden, und zwar nicht erst wieder in zwölf Jahren.
Vielen Dank für das Gespräch!
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