27.10.2023
Ende September bestritt Weltmeister Hannes Müller das vorerst letzte Mal ein Bundesligaspiel. Dann verletzte sich der 23-jährige Mittelfeldakteur des UHC Hamburg und muss seither zugucken. Wie schwer seine Verletzung ist, ob die kommenden Kadermaßnahmen für ihn gefährdet sind und natürlich, wie er die aktuelle Situation der UHC-Herren in der 1. Bundesliga einschätzt, darüber hat sich Müller mit DHZ-Mitarbeiter Julius Hayner unterhalten. Die beiden kennen sich bestens durch ihre gemeinsame Zeit in der U21-Nationalmannschaft.
Hannes, Du hast am Wochenende eine 0:2-Niederlage gegen den Mannheimer HC und einen 5:4-Sieg gegen den Crefelder HTC Deiner Mannschaft beobachten dürfen. Überwiegt in der Nachbetrachtung die Freude von Sonntag oder der Frust vom Samstag?
HANNES MÜLLER: Im Moment die Freude darüber, mit einem guten Gefühl in die Winterpause zu gehen. Das Spiel gegen Mannheim war eigentlich ein Parade-Beispiel für die ganze Saison. Wir haben viel Ballbesitz, kreieren viele Chancen, aber schaffen es nicht, genügend Tore zu schießen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir nur drei Heim-Tore. Ich bin eigentlich kein Statistik-Fan, aber das ist schon aussagekräftig. Das ist zu wenig für eine Mannschaft mit unserem Anspruch. Dennoch überwiegt die Freude über den gelungenen Hinrunden-Abschluss.
Du selbst musstest auch an diesem Wochenende wieder den Hockeyschläger gegen das Kommentatoren-Mikrofon tauschen. Welche Verletzung setzt Dich momentan außer Gefecht?
Ein Muskelbündelriss hat mir die Hinrunde quasi versaut. Die Verletzung entpuppte sich auch als schwerwiegender als zunächst gedacht. Erste dachte ich, dass es nicht Großes sei, aber die Diagnose lautete dann eben Muskelbündelriss und sechs bis sieben Wochen Pause. Eigentlich war es eine klassische Hockeysituation, die so mehrere Male im Spiel passiert. Ich bin ausgerutscht, aber mein Bein und der Oberkörper wollten in zwei unterschiedliche Richtungen. Dann hat es die Hüfte getroffen, was eigentlich eine sehr ungewöhnliche Stelle ist. Am Ende eine bittere Geschichte für mich.
Durch die Verletzung hast Du quasi die Hälfte der Hinrunde verpasst, da diese mittlerweile nur noch in einer Spanne von etwa sechs Wochen absolviert wird. Wie empfindest Du diese kurzen Saisonphasen, die in erster Linie aufgrund des üppigeren internationalen Terminkalenders entstanden sind, auch mit Hinblick auf derartige Verletzungen?
Ich bin da immer zwiegespalten. Eigentlich bin ich ein Fan davon, dass die Saisonphase relativ kurz und kompakt sind, auch wenn die Belastung für die Bundesligaspieler und Vereine dadurch umso höher ist in der kurzen Zeit. Als Nationalspieler ist es allerdings schon eine extrem hohe Belastung. In den langen Saisonpausen haben wir mit der Nationalmannschaft weiterhin Programm und wieder sehr viel Belastung. Dann hat man eine anspruchsvolle und anstrengende Saison aufgrund der kurzen Dauer und geht dann oft direkt zur Nationalmannschaft. Es ist schon komisch, dass wir am zweiten September-Wochenende angefangen haben und die Hinrunde jetzt schon wieder vorbei ist. Durch die U21-Weltmeisterschaft wurde es nun nochmal verkürzt. Da muss man dann auch ein wenig Glück haben, schadlos durch die Saison zu kommen. Ich kenne keine Statistik, ob sich jetzt mehr Nationalspieler oder Bundesligaspieler verletzt haben, aber das Risiko für Verletzungen ist allgemein deutlich höher. Aufgrund der hohen Belastung im kurzen Zeitraum, aber vor allem auch aufgrund der Doppelwochenenden, an denen man dann teilweise durch ganz Deutschland fahren muss, wenn man Pech mit dem Spielplan hat. Das ist schon grenzwertig, wenn man beispielsweise an einem Wochenende ein Spiel in Berlin und Frankfurt hat.
Der bislang größte Moment seiner Karriere: Hannes Müller als Weltmeister mit dem Siegerpokal im Januar 2023. Foto: FIH/Worldsportpics
Ein erster Blick auf die Tabelle, in der der UHC nun auf Platz zwei der Staffel B rangiert, würde zunächst vermuten lassen, dass Ihr eine erfolgreiche Hinrunde gespielt habt. Bei der genaueren Betrachtung sieht man jedoch, dass der UHC „nur“ vier von elf Spielen gewinnen konnte und in erster Linie von der schwächeren Punkteausbeute der Staffel-Konkurrenten profitiert. Seid Ihr also eher hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben?
Das ist schwierig zu sagen. Wir sind Tabellenzweiter und daran ist - Stand jetzt - auch alles in Ordnung. Das hätten wir vorher der Saison auch genauso unterschrieben. Aber genau, es fehlt auch noch Einiges. Und dann spielt es uns gerade auch in die Karten, dass unsere Mitkonkurrenten vergleichsweise wenig Punkte holen. Das ist logisch. Man kann durchaus sagen, dass wir hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Wir haben uns mehr erhofft - vor allem offensiv. Damit meinte ich nicht nur unsere Stürmer, sondern die gesamte Mannschaft. Wir schießen zu wenig Tore, das ist das Manko der Hinrunde. Deswegen gewinnen wir auch „nur“ vier von elf Spielen. Denn es gab kein einziges Spiel, in dem wir klar unterlegen waren oder dem Gegner hinterhergerannt sind. Wir haben viel den Ball, kreieren viele Chancen und spielen größtenteils so, wie wir uns das vorgenommen haben.
Was muss sich also ändern, damit der UHC wie im Vorjahr wieder ins Final-Four einzieht?
Wir brauchen mehr Effizienz in beiden Kreisen. Wir wollen wieder ins Final-Four, alles andere wäre, glaube ich, gelogen, auch wenn wir es jetzt noch nicht klar ausgesprochen haben. Das ist aber der Anspruch von vielen Spielern hier und muss auch das Ziel sein mit den Leuten, mit denen wir uns im Sommer nochmal verstärkt haben. Dafür ist „ein gutes Viertelfinale zu spielen“, zu wenig. Aber dafür fehlt gerade noch Einiges. Mannheim hat es uns am Wochenende vorgemacht, wie man mit seinen Chancen effizient umgeht. In dieser Hinsicht sind wir noch kein Topteam. Wir müssen also in beiden Kreisen effizienter werden, denn da werden die Spiele entschieden.
Für Dich wird es nun im Winter nicht in die Halle gehen, sondern weiter auf dem Feld. Wie sieht der Fahrplan für Dich mit der Nationalmannschaft bis zu den Olympic Qualifiers aus?
Ich muss, beziehungsweise will erst einmal bis zum ersten Lehrgang Ende November in Südafrika wieder fit werden. Dafür arbeite ich gerade täglich in der Reha. Dann gibt es vor Weihnachten noch ein Vier-Nationen-Turnier in Valencia, und dann ist im Januar das olympische Qualifikationsturnier. Wir haben also jetzt einen relativ kurzen Zeitraum, um als Nationalmannschaft wieder an unseren Themen zu arbeiten, damit wir zum richtigen Zeitpunkt performen können. Wir haben in der Nachbetrachtung der EM an einigen Punkten Nachholbedarf. Bei der WM waren wir nach der Auswertung aller Mannschaften beispielsweise mit das beste Team. Das athletische Niveau bei der EM war in Ordnung, aber da müssen wir wieder ran auch mit Blick auf die Olympischen Spiele. Denn da ist die Belastung in einer kurzen Zeit wieder extrem hoch.
In drei Monaten stehen dann die Qualifiers an, und Ihr kennt noch nicht Eure Gegner, und das Turnier wurde zusätzlich von Pakistan in den Oman verlegt. Inwiefern spielt das eine Rolle in Eurer Vorbereitung?
Pakistan spielte tatsächlich eine sehr große Rolle. Denn da wollten wir nicht hin. Es gab und gibt eine explizite Reisewarnung für die Region, speziell für große Gruppen. Nicht nur von Deutschland, sondern von mehreren europäischen Ländern. Deswegen sind wir sehr froh, dass es in den Oman verlegt wurde, auch wenn es sicherlich ein bisher ungewöhnlicher Austragungsort für Hockeyspiele ist. Der volle Fokus liegt aber auf der Qualifikation, und alles andere spielt dann keine Rolle mehr. Wir wissen, wie hart das werden kann und bereiten uns in erster Linie optimal auf alle Gegebenheiten vor.
Und Du erfüllst dir dann nach der Weltmeisterschaft und der Heim-EM im nächsten Sommer im Optimalfall den Traum eines jeden Hockeyspielers - trotz Deines noch jungen Alters?
Der größte Traum ist es auf jeden Fall. Dass ich seit ein, zwei Jahren nun zur Nationalmannschaft gehöre, wurde mir nicht zugeworfen. Ich habe dafür sehr viel getan. Ehrlicherweise war die Nominierung für den WM-Kader eine Überraschung, aber ich habe die Nominierung bestätigt und das Vertrauen mit meinen Leistungen zurückgezahlt. Der große Traum ist auf jeden Fall jetzt Olympia. Das ist einmalig und das Größte, was man in unserer Sportart erleben kann. Und dafür wird alles getan, dass ich daran teilnehmen kann. Auch wenn es nochmal etwas schwieriger wird, da nur 15 und nicht wie bei der WM 16 Feldspieler zum Kader gehören.
Vielen Dank für das Gespräch!