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Weniger Torschüsse – aus Angst vor Zeitstrafen?

Speziell bei der Beobachtung der drei jüngsten Turniere um die Deutsche Hallenmeisterschaft 2024 des weiblichen Nachwuchses kam der Eindruck auf, dass sich Spielerinnen im gegnerischen Schusskreis immer seltener trauen, einen Torschuss abzugeben – auch aus Furcht, dass von irgendwoher noch ein Abwehrbrett in die Schussbahn reingehalten wird und die Schützin dann wegen Ins-Brett-Spielens eine Zeitstrafe von den Schiedsrichtern kassiert.

Die DHZ-Redaktion hat Ole Ingwersen, den Schiedsrichter-Referenten im Bundesjugendvorstand des DHB, auf diese Thematik angesprochen. Verbunden auch mit der zweiten Beobachtung, dass Karten für ins liegende Abwehrbrett gespielte Bälle oft sehr schnell gezückt werden.

Ingwersen, der selber Bundesliga- und internationaler Schiedsrichter ist, hat uns nach Rücksprache mit den Jugend-DM-Schiedsrichter-Koordinatoren folgendes Statement zur Thematik gegeben:

„Mal abgesehen davon, dass es auch bei dieser Regel (natürlich) Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen der Jugendschiedsrichter gibt und an den vergangenen Wochenenden gegeben hat, teilen wir nicht die Einschätzung, dass "zu schnell" Karten verteilt werden würden.

Dass die Spielerinnen weniger aufs Tor schießen, mag sein. Es mag sogar sein, dass sie das weniger machen, weil sie Angst vor Karten haben. Dass diese Angst gerechtfertigt ist, lässt sich daraus aber zwingend nicht ableiten. Noch weniger lässt sich daraus ableiten, dass die Jugendschiedsrichter zu schnell Karten zeigen oder die Regel zu streng auslegen.

Die Szene von der Deutschen Hallenmeisterschaft der Weiblichen U18 zeigt die Mannheimerin Carla Mees beim Torschuss. Hätte Mees den Ball nicht hoch, sondern flach ins Brett der Bad Kreuznacher Abwehrspielerin abgefeuert, hätte ihr dann eine Zeitstrafe gedroht? Foto: Förster

Ich würde sogar sagen, die DHB-Nachwuchsschiedsrichter gehören zu dem kleinen Teil unserer Hockeyfamilie, welcher diese "Regel" in der korrekten Form anwendet. Denn es ist doch vielmehr so, dass der Großteil aller Hockeyspieler und Zuschauer eine völlig übersteigerte Erwartung von Pfiffen und Karten hat, wenn der Ball in ein gelegtes Brett gespielt wird. Dabei verbietet das Regelwerk dies gar nicht.

Richtigerweise ist allein eine konkrete Gefährlichkeit zu bestrafen. Und dafür stellt das DHB-Schiedsrichter-Briefing klare Richtlinien auf: Der hart gespielte Ball muss den Gegenspieler, welcher weniger als 3m entfernt ist, in einer Verteidigungsposition (Schläger am Boden) treffen.

Den Aufhänger also bei den Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern der Jugendendrunden zu suchen, halte ich für falsch. Die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter dort haben das Briefing konsequent umgesetzt und ungefährliche Bälle laufen gelassen. Auf der anderen Seite aber eben auch dann, wenn eine hohe Gefährlichkeit vorlag, die vom Briefing geforderte Konsequenz gezeigt.

Eine Diskussion über das Verständnis dieser "Regel" halte ich durchaus für sinnvoll. Wenn der Diskussionsbeginn aber ist "Spieler schießen zu wenig aufs Tor, weil sie Angst vor Karten haben, weil die Schiedsrichter zu viele Karten geben", geht dies in die völlig falsche Richtung.“