28.07.2024 – Ohne den kurzfristig für diese Partie gesperrten Christopher Rühr mussten die deutschen Herren ihre erste Niederlage einstecken. Gegen Spanien gab es am Sonntagnachmittag ein 0:2 (0:0) und damit einen ersten Rückschlag.
Am Vormittag des Spiels gegen Spanien bekam die deutsche Teamleitung den offiziellen Bescheid von den Turnieroffiziellen, dass Christopher Rühr wegen Verletzung des FIH Code of Conduct (Verhaltenskodex) für die heutige Partie gesperrt wurde und das deutsche Team mit nur 15 statt der üblichen 16 Spielern ins Spanien-Spiel gegen muss. Rühr hatte im Frankreich-Spiel bei einem Zweikampf um den Ball mit seinem Schläger unabsichtlich das Gesicht von Xavier Gaspard getroffen und war mit einer Zehn-Minuten-Zeitstrafe belegt worden. Die Turnierleiter Joshua Burt (Australien) und Elisabeth Fürst (Österreich) wollten es darauf nicht beruhen lassen und ordneten am nächsten Vormittag eine „FIH Technical Delegate Decision“ an.
Rühr verfolgte das Spiel oben auf der Tribüne neben Ersatzkeeper Alexander Stadler sowie Lukas Windfeder und Teo Hinrichs, die beide erneut zugunsten der als P-Akkreditierten Paul Kaufmann und Malte Helwig außen vor blieben.
Zur Zuschauerrolle verurteilt: Christopher Rühr (oben links; neben Lukas Windfeder, Teo Hinrichs und Alexander Stadler; alle in gelb). Vorne links: Sportdirektor Martin Schultze. Foto: Kaste
Die Draußengebliebenen sahen im ersten Viertel eine das Spiel kontrollierende deutsche Mannschaft, die Spanien zu keinem einzigen gefährlichen Ballbesitz im deutschen Kreis kommen ließ. Die eigenen Vorstöße hielten sich zwar auch in Grenzen, doch bei einem Schuss von Miltkau (4.) lag ebenso die Führung in der Luft wie bei der von Wellen über den Videoschiri erkämpften ersten Ecke, bei der Peillat am stark reagierenden Calzado scheiterte (13.).
Gleich mit Beginn des zweiten Viertels sorgte auch Spanien mal für Torgefahr, aber vor einem Torschuss aus aussichtsreicher Position sprang dem Angreifer der Ball an den Fuß. Die Torannäherungen häuften sich ein wenig auf beiden Seiten. Hannes Müller scheiterte erst mit einem Rückhandschuss an Calzado, um Sekunden später nach unglücklichem Einsteigen im Zweikampf mit Grün auf die Strafbank zu müssen. In Überzahl kam Spanien durch Cunhill zu einer guten Einschussgelegenheit. Knapp am deutschen Kasten rauschte der Ball ins Grundlinienaus. Fünf Minuten vor der Pause holten die inzwischen deutlich stärker mitspielerden Iberer ihre erste Ecke. Danneberg lenkte den flachen Strahl von Basterra reaktionsschnell um den Pfosten. Weil Sekunden vor Ende auch Wellens Eindringen in den Kreis samt Flanke auf den hechtenden Miltkau nicht von Erfolg gekrönt war, ging es torlos in die Kabinen.
Da ist es passiert: Der spanische Eckenschuss passiert Torhüter Jean Danneberg zum 0:1. Foto: Kaste
Schon 90 Sekunden nach Wiederanpfiff war das 0:0 aber vom Tisch. Nach einem Konter hatte sich Spanien die zweite Ecke erarbeitet. Diesmal platzierte José Basterra seinen Flachschlenzer besser, nämlich etwas mittiger und überwand damit Danneberg zwischen Fuß und Schläger – 0:1 nach 32 Minuten. Ausgerechnet Basterra. Der bullige Angreifer hatte Deutschland beim 3:0-Sieg im Juni in der Pro League mit drei Treffern fast im Alleingang bezwungen. Bis auf eine brenzlige Situation (43.) hielt Spanien seinen Kreis im dritten Viertel erstaunlich mühelos sauber. Den Deutschen fehlte die zündende Idee, um mal eine Lücke zu finden. Dass es mit dem kreativen und für den Gegner oft unberechenbaren Rühr anders gelaufen wäre, bleibt eine Vermutung.
Die Hektik, auch an der deutschen Bank, nahm zu. Nach einer Ermahnung durch den mit seinen oft unverständlichen Pfiffen beitragenden Schiri Madden parierte erst Danneberg prächtig gegen einen Konter (52.), um nur 60 Sekunden ein zweites Mal geschlagen zu sein. Clapes hatte sich rechts durchgesetzt und geflankt, am langen Pfosten war Pepe Cunhill zur Stelle und drückte zum 2:0 ein. Der von Deutschland anbgeforderte Videobeweis machte den Treffer nicht mehr rückgängig.
Sogleich setzte Deutschland alles auf eine Karte, nahm Danneberg für einen elften Feldspieler vom Platz. In der siebenminütigen künstlichen Überzahl wurde zwar der spanische Kreis wie wild belagert, doch der Ertrag bei Abschlüssen von Große und Prinz sowie einer Eckenserie von Peillat blieb gänzlich aus. Da halfen am Ende auch statistische Vorteile (8:7 Torschüsse, 21:11 Kreiseintritte und 4:2 Ecken) nichts. Der Torgala gegen Frankreich war die Torflaute gegen Spanien gefolgt.
Stimmen:
Andre Henning: Der zeitweise zu ideenlose Aufbau, eine offensive Harmlosigkeit und die phasenweise schwache Kontersicherung waren heute die Hauptfaktoren, die dazu geführt haben, gegen so eine gute Mannschaft, wie es Spanien heute war, zu verlieren. Es ist jetzt die Kunst, das schnell einordnen und abhaken zu können. Das war ein Spiel auf Augenhöhe wie die meisten hier bei diesem Turnier. Dass man da auch mal was abgibt, muss man akzeptieren. Niederlagen und kleine Krisen können immer helfen, Dinge wieder neu zu justieren.
Von der Sperre gegen Christopher haben wir heute morgen erfahren. Wir hatten einen Einspruch schon vorbereitet, aber schließlich davon abgesehen. Die Sache wäre vermutlich superknapp vor Spielbeginn entschieden worden und hätte noch mehr Unruhe reingebracht. Juristisch-Inhaltlich herrscht bei uns größte Verwunderung und maximales Unverständnis. Bei der Betrachtung der Bilder sagt die Videoschiedsrichterin, die als aktuell weltbeste Schiedsrichterin gilt, dass keine Absicht bei dem Foul vorgelegen habe. Dann kommen Stunden später zwei Turnierdirektoren, die zwar auch betonen, dass keine Absicht vorlag, und trotzdem ein solches Strafmaß festsetzen. Das ist für mich eine absolute Fehlentscheidung, die erheblichen Einfluss auf das Spiel und das ganze Turnier hat. Ich bin jetzt gespannt, ob jetzt jeder Schläger/Gesicht-Kontakt im Turnier zu solch einer Entscheidung führen wird.
Tom Grambusch: Wir hätten lieber gestern zwei Tore weniger gemacht und die dafür heute gegen einen starken Gegner geschossen. Spanien war gut drauf, wir haben eigentlich auch ein ordentliches Spiel gemacht, waren vorne aber zu harmlos. Christopher ist einer unserer Topoffensivspieler, deshalb hätten wir ihn heute gern auf dem Platz gehabt. Die Entscheidung von FIH ist aber zu akzeptieren, und deshalb freuen wir uns, dass er im nächsten Spiel wieder Tore für uns schießen wird. Ich glaube, dass bei solchen Turnieren so einen Rückschlag in der Gruppenphase gar nicht schlecht ist, wenn man die richtigen Schlüsse oder Lehren daraus zieht, und deshalb müssen wir aus den Fehlern lernen und dann umso stärker gegen Südafrika zurückkommen. Dort dürfen wir uns nicht auf deren wilde und chaotische Art des Spielens einlassen, sondern müssen das Spiel kontrollieren.
Jean Danneberg: Gegen eine starke spanische Mannschaft, die uns das Leben heute extrem schwer gemacht hat, haben wir es heute nicht hinbekommen, offensiv so richtig vollaktiv zu werden. Spanien hat seine wenigen Chancen überragend umgesetzt, wir waren bei der Kontersicherung oft zu fahrlässig und haben dem Gegner die Türen aufgemacht. Beim Eckentor stimmte der Ablauf unserer Abwehr nicht zu hundert Prozent. Dadurch konnte ich den Ball extrem spät sehen, und er war leider auch unglaublich hart geschossen. Die Sperre von Chrissi ist natürlich eine sehr bittere Pille für uns gewesen. Seine Kreativität auf dem Platz hätten wir heute gut gebrauchen können. Aber unser Spiel ist eigentlich nicht auf einen einzigen Spieler aufgebaut, sondern aufs Kollektiv. Viele Steine machen einen Berg aus, doch heute lagen sie zu weit verstreut. Spanien war ein bisschen kompakter als wir.
Kein Durchkommen: Moritz Ludwig legt den Ball in den spanischen Kreis. Was auf dem Bild aussichtsreich aussieht, führte leider zu keinem einzigen Torerfolg. Foto: Kaste