Welch ein Comeback auf der Bundesliga-Bühne! Viele hatten gar nicht erwartet, dass Christopher Rühr aufgrund seiner Verletzungshistorie überhaupt dabei ist. Und dann legte der 30-Jährige zum Saisonstart der 1. Bundesliga Herren gleich mal zwei starke Auftritte hin, schoss vier Tore und glänzte als neuer Kapitän von Rot-Weiss Köln. Wie es dazu kam und welches Highlight am kommenden Wochenende ansteht, hat der Weltmeister im Gespräch mit DHZ-Mitarbeiter Julius Hayner erzählt.
Herr Rühr, für Sie war es nicht „nur“ irgendein Start in eine neue Bundesliga-Saison, sondern vor allem auch Ihr Comeback für Rot-Weiß Köln seit der Hinrunde der vergangenen Saison. Wie war es für Sie, auch wieder in der Bundesliga auf dem Platz zu stehen?
CHRISTOPHER RÜHR: Es war ein richtig cooles Gefühl. Eine neue Saison, ein neuer Trainer, neues Team. Es macht immer große Lust, eine neue Geschichte zu schreiben. Mit meiner neuen Rolle als Kapitän war es auch noch einmal etwas Besonderes. Deswegen war es insgesamt ein sehr schönes Gefühl.
Mit einem Hattrick beim 3:1 gegen Krefeld und einem weiteren Treffer beim 4:1-Erfolg in Berlin haben Sie auch einen großen Teil zum perfekten Saisonstart beigetragen. Wie zufrieden sind Sie schon mit Ihrer eigenen und der Leistung der Mannschaft?
Für das erste Bundesliga-Wochenende kann man sehr zufrieden sein. Am Samstag haben wir das schon sehr, sehr gut gemacht. Wir hätten meiner Meinung nach auch höher gewinnen müssen, was für den ersten Spieltag schon sehr erfreulich ist. Sonntag haben wir uns in der ersten Halbzeit noch schwergetan, aber waren hinten raus dann auch dominant. Mit sechs Punkten ist es ein absoluter Top-Start. So viele Dreierpacks habe ich außerdem auch noch nicht gemacht, weswegen ich mit meiner Leistung auch ganz zufrieden sein kann. Nach den Wochen Pause nach den Olympischen Spielen mussten wir alle erst einmal wieder reinkommen. Das ist uns sehr gut gelungen.
Als neuer Kapitän führte Christopher Rühr (links) sein Team ins erste Saisonspiel gegen den Crefelder HTC (rechts Finn Langheinrich) und mit drei Toren auch zum ersten Sieg. Foto: Kramhöller
Im Vorfeld wurde aufgrund Ihrer Verletzungshistorie mancherorts spekuliert, ob beziehungsweise wie und wann Sie wieder einsteigen werden. Die Antwort haben Sie dieses Wochenende geliefert. Bleibt das jetzt auch so oder müssen Sie irgendwann nochmal aufgrund des Kreuzbandrisses eine Pause einlegen oder Tribut zollen?
Tribut zollen muss ich vielleicht irgendwann später mal, wenn ich mit meinen Kindern im Garten spiele (lacht). Aber ich habe mich dafür entschieden, mich nicht operieren zu lassen, da es mit der Schiene, mit der ich spiele, keinerlei Probleme gibt und ich auch im Alltag nichts spüre. Es gibt also keinen Grund, sich operieren zu lassen. Außerdem wäre die Motivation, jetzt wieder sechs bis neun Monate Reha durchzumachen, nicht so groß, wie sie jetzt vor Olympia war. Eine Operation ist also weder kurz- noch mittelfristig geplant.
Dabei ist Ihr nahtloses „Weiterspielen“ - und natürlich auch das ihrer vielen Nationalmannschaftskollegen - auch mit Blick auf die mentale Belastung beeindruckend. Besonders bei Ihnen ist in den letzten Jahren viel passiert. Bei der EM waren sie nicht dabei, weil Sie eine Pause für das Studium eingelegt hatten, dann die Rückkehr zur Nationalmannschaft und die schwere Verletzung beim Olympic Qualifier, ihr Last-Minute-Olympia-Ticket, dann die Silbermedaille nach dramatischer Finalniederlage. Braucht der Kopf da nicht auch einfach mal eine Pause?
Im letzten Jahr ist schon sehr viel zusammengekommen, das stimmt. Bei der ganzen Olympia-Thematik musste ich mich zwischendurch schon ein paar Mal kneifen. Es war schon extrem, wie gut das alles verlaufen ist, und das konnte ich zumindest mit der Silbermedaille halbwegs krönen. Ich muss aber zugeben, dass ich nach den Olympischen Spielen sehr schnell wieder Lust auf Hockey bekommen habe, was wirklich daran liegt, was ich eingangs schon erwähnt hatte: das neue Team, der neue Trainer und die neue Rolle. Hockey ist ein sehr kurzlebiges Geschäft, das von Zielen lebt. Jetzt muss es halt nach Olympia neue Ziele geben. Zuhause habe ich außerdem mit Nike eine unglaubliche Unterstützung und auch Ablenkung, wenn ich sie gebraucht habe oder brauche. Wir reden tatsächlich nicht nur über Hockey, auch wenn man das vielleicht denken mag. Ab Oktober geht für mich das Studium auch weiter, da gibt es für mich dann auch neue Ziele, auf denen auch erst einmal der Fokus liegt.
Und geht es für Sie auch in der Nationalmannschaft genauso weiter? Mit Niklas Wellen hat einer der prägenden Spieler der letzten Jahre bereits sein Rücktritt verkündet. Über vielen Spielern im ähnlichen Alter schweben aktuell viele Fragezeichen.
Das ist tatsächlich eine sehr schwierige Frage, bei der viele Komponenten eine Rolle spielen. Kurzfristig werde ich zunächst einmal nicht in der Nationalmannschaft spielen. Das liegt jetzt aber erst einmal am Studium, da es einfach sehr viel Anwesenheitspflicht im Medizinstudium gibt. Dieses Semester soll der Fokus deswegen auch voll auf dem Studium liegen. Das ist kurzfristig. Ich habe mich aber noch nicht entschieden, ob es auch das komplette Ende ist. Es macht einfach dafür zu viel Spaß mit dieser Mannschaft. Die letzten Monate waren nochmal etwas ganz Besonderes in diesem Kreis. Vor allem wie ich auch wieder aufgenommen worden bin von den Jungs. Über das olympische Turnier sind wir noch enger zusammengewachsen, was einen Absprung sehr schwer macht. Deswegen steht da auch bei mir noch ein großes Fragezeichen.
Zurück zum Ligaalltag. Sie gehen in Ihre elfte Saison mit Rot-Weiss Köln. Sie haben dabei alles miterlebt, vor allem sehr viele Höhen. Jetzt der neue Trainer, eine neue Mannschaft. Wo steckt diese Mannschaft gerade?
Ich glaube immer noch in einem großen Umbruch. Das Ziel des Vereins ist es, mehr und mehr Jugendspieler zu Bundesligaspielern zu entwickeln. Da ist der Verein auf einem sehr guten Weg, wenn man sich die aktuelle Mannschaft anguckt. Es bleibt aber auch das Ziel, diese Mannschaft mit einigen Topspielen zu ergänzen, weil wir auch der Meinung sind, dass es schwierig ist, nur mit 17- bis 19-Jährigen Titel zu gewinnen. Dafür braucht man einfach erfahrene Topleute, die eine Mannschaft auch steuern können. Trotz des Umbruchs wollen wir auch diese Saison natürlich um den Titel spielen - das bleibt auch unser Ziel. Mit dem neuen Trainer und vor allem auch den beiden Australiern gibt es nochmal einen ganz neuen Input. Da kann man auch als erfahrener Spieler noch dazulernen. Wir werden unseren Weg weitergehen.
Und dann auch zu alter Stärke zurückfinden und einen Ausrutscher wie vergangene Saison vergessen machen?
Ja, keine Frage. Ich glaube, dass Krefeld die Viertelfinalserie letztes Jahr verdient gewonnen hat. Zu der Geschichte gehört aber auch eine ganze Menge Verletzungspech auf unserer Seite und die Schwierigkeit, dann auf einmal auf dem Punkt wieder da zu sein. Dementsprechend ist es dieses Jahr auch wichtig, dass alle fit bleiben. Vor allem mit der höheren Anzahl an Spielen ist für die Jungs, die auch noch international unterwegs sind, gar nicht so einfach. Aber den Ausrutscher wollen wir ausbügeln und zurück ins Final-Four, wo Rot-Weiß auch hingehört.
Am Wochenende steht dann das nächste große Highlight an. Damit ist ausnahmsweise nicht der West-Klassiker am Freitagabend gegen Mülheim, sondern Ihre Hochzeit mit Nationalspielerin Nike Lorenz gemeint. Dafür darf Hockey sicherlich ausnahmsweise mal kürzertreten, richtig?
Da darf Hockey mal kürzertreten, ja (lacht). Wir sind einfach voller Vorfreude. Es liefen und laufen die ganze Zeit intensive Vorbereitungen, wobei ich an der Stelle auch nochmal erwähnen möchte, wie unfassbar cool ich es finde, dass sowohl Berlin als auch Mülheim dafür die Spiele verlegt haben. Beiden Vereinen gilt ein sehr großer Dank, das ist nicht selbstverständlich. Dann müssen die Jungs am Freitag in Mülheim einmal ohne mich und Thies, der auch zur Familie gehört, auskommen. Aber manchmal motiviert das ja noch einmal zusätzlich, wenn einige Stammspieler fehlen. Ich bin ganz zuversichtlich, dass das in jederlei Hinsicht ein sehr erfolgreiches Wochenende wird.
Vielen Dank für das Gespräch!
Auch wenn der Eindruck täuscht: Köln um Kapitän Christopher Rühr kam in Berlin nicht ins Straucheln. Foto: Ebeling