Zu besprechen gab es einiges. Frisch zurück aus dem Wüstenstaat Oman, wo vorige Woche der Kongress des Welthockeyverbandes FIH stattfand, hat sich der Präsident des Deutschen Hockey-Bundes, Henning Fastrich, mit DHZ-Redaktionsleiter Uli Meyer über die Ergebnisse der mehrtägigen Veranstaltung und zu den Turbulenzen rund um den inzwischen ehemaligen Damen-Bundestrainer Valentin Altenburg unterhalten.
Herr Fastrich, die Berufung von Katrin Kauschke ins Executive Board der FIH war aus deutscher Sicht sicherlich der wichtigste Sachverhalt beim 49. Kongress des Weltverbandes in Oman. War ihre Wahl letztlich eine klare Sache, oder wie ist es abgelaufen?
HENNING FASTRICH: Wir haben im Vorfeld des Kongresses die FIH und die dortigen Verantwortlichen informiert, dass wir Katrin über den europäischen Hockeyverband für einen Platz im Executive Board der FIH nominieren wollen. Letztlich ist es auch da ein ganz normaler Bewerbungsprozess, und das bedeutet, dass man vorher Unterlagen hinschickt und es dann eben auch vor Ort eine Vorstellungsrunde gibt. Und das hat Katrin sowohl vor dem europäischen Kongress, der auch kurz vor dem FIH-Kongress ebenfalls im Oman lief, als auch beim eigentlichen Welthockeykongress getan, und das hat sie wirklich ausgesprochen gut gemacht. Also mit ihrer Art, sehr schnell auch auf inhaltliche Themen einzugeben, beispielsweise wie sie versuchen will, Hockey weiterzuentwickeln, auch mit klaren Aussagen von ihr, dass sie eben dazu beitragen will, dass Hockey langfristig mit großer Sicherheit und mit großem Standing im olympischen Programm bleibt. Sie hat da all ihre Register gezogen, die sie als frühere Topathletin, als Ärztin und als Persönlichkeit mitbringt, und hat dann in fließendem englisch wirklich eine begeisternde Rede gehalten. Für mich mit wohltuendem und deutlichem Unterschied zu anderen Präsentationen.
Musste Katrin Kauschke eine Abstimmung überstehen?
Es waren ursprünglich drei Kandidatinnen für zwei Positionen vorgesehen, aber dann war es so, dass eine dieser Mitbewerberinnen ihre Kandidatur zurückgezogen hat. Insofern war die Wahl der zwei Kandidatinnen aus Uruguay und aus Deutschland dann sozusagen klar. Aber selbst, wenn es zu einer Art Stichwahl gekommen wäre, hätte Katrin das sicher geschafft. Ihre Präsentation war wirklich brillant. Ich bin als DHB-Präsident und wir insgesamt als Präsidium sind total glücklich, sie nun im höchsten FIH-Gremium zu haben, und ich glaube auch, dass es auch einen großen Mehrwert hat, dass sie gleichzeitig bei uns im DHB-Präsidium ist. So hat man einen sehr engen Austausch, was die Themen angeht. Das ist also sehr glatt verlaufen.
Was gab es sonst noch Interessantes auf der mehrtägigen Veranstaltung?
Der ganze Kongress war geprägt von Veränderungen nach vorne. Präsident Tayyab Ikram ist wiedergewählt worden, diesmal sogar für acht Jahre. Dafür wurden die Statuten der FIH geändert und an die Statuten des IOC angepasst. Auch wenn natürlich acht Jahre ein langer Zeitraum sind, spüren wir alle, dass wir mit Tayyab Ikram wirklich einen ausgesprochenen Hockey-Spezialisten da im Amt haben. Ganz anders als sein Vorgänger ist er ein Brückenbauer, ein absoluter Spezialist in ganz vielen Themen, er arbeitet mit einer unglaublichen Akribie an vielen Themen. Wir haben aber auch dahinter mittlerweile einen wirklich sehr starken europäischen Einfluss dort im Executive Board des FIH, worüber wir auch sehr glücklich sind. Auf der anderen Seite gibt es momentan eben auch die Verbindung der Top 5 der europäischen Hockeynationen, wo wir als Präsidenten auch untereinander uns sehr regelmäßig treffen und hieraus auch Themen gemeinsam in die FIH einbringen, so dass da wirklich ganz gute Weichen für die Zukunft gestellt worden sind, mehr Einfluss aufs Welthockey zu bekommen.
DHB-Präsident Henning Fastrich während der Olympischen Spiel ein Paris. Foto: Kaste
Gab es denn inhaltlich noch irgendwas Gravierendes beim Kongress?
Natürlich gab es Workshops zu vielen Themen, was zum Beispiel das Marketing oder IT-Umfeld angeht. Was meines Erachtens für die Hockeywelt und sicherlich auch uns in Deutschland nochmal spannend wird, ist das Thema, wie geht es mit dem Dry Turf weiter gehen wird, also dem trockenen Kunstrasen, der irgendwie kommen soll und muss, da wir als Hockeyfamilie auf das Thema Nachhaltigkeit auch sehr viel Wert legen. Vom komplett trockenen Kunstrasen sind wir noch ein ganz schönes Stück entfernt, aber mittlerweile sagen die Zahlen eben schon, dass wir es geschafft haben, bei den olympischen Hockeyturnieren eine signifikante Reduzierung der nötigen Platzbewässerung hinzubekommen. Das ist schon außergewöhnlich, und diesen Weg müssen wir weiter gehen. Natürlich muss sich da auch in manchen Bereichen wie dem Equipment noch ein bisschen was anpassen, aber ich glaube schon, dass das ein guter Weg ist, auf den wir uns da begeben.
Bei über 200 Delegierten ist es natürlich auch nicht so einfach, viele Themen anzugehen und zu vertiefen. So ein Kongress lebt natürlich auch viel vom sogenannten Networking, man hat sich ja in dieser großen Runde zum letzten Mal eben vor sechs Jahren in Delhi getroffen, danach war durch die Pandemie fast alles nur noch online. Da ist natürlich diesmal großer Wert auf diesen Punkt gelegt worden, dass man sich eben wirklich auch persönlich kennenlernen kann.
Innerhalb des Kongresses gab es diesmal auch die Verkündung der Ergebnisse und Auszeichnung der Gewinner der FIH Hockey Stars Awards 2024. Dass dort keiner der immerhin sechs in der Vorauswahl befindlichen deutschen Kandidaten gewinnen würde, war jetzt keine sonderlich große Überraschung. Oder doch?
Dass in jeder der sechs Wahl-Kategorien eine Deutsche oder ein Deutscher in die Vorauswahl der fünf Besten nominiert wurde, ist ja erstmal schon ein gewisser Erfolg für uns gewesen. Letztlich hatten wir in diesem Jahr einige wirklich außergewöhnliche Spielerpersönlichkeiten, die dort am Ende auch die Wahl gewonnen haben. Das gilt es zu respektieren. Und trotzdem sollte man nochmal darüber nachdenken, wie man das Verfahren solcher Wahlprozesse noch ein bisschen optimieren kann. Wir europäischen Verbandspräsidenten werden uns auch zu dem Punkt noch einmal Gedanken machen. Eine schöne Auszeichnung gab es im Oman aber doch für einen Deutschen.
Und das war?
Professor Udo Rolle als Vorsitzender im Health & Safety Comittee der FIH erhielt das sogenannte Diploma of Merit. Er wird für seine jahrelange Arbeit als Medical Officer bei großen Hockeyturnieren wie zuletzt wieder in Paris 2024 sehr, sehr wertgeschätzt auf internationaler Bühne. Wir werden ihn auch auf dem nächsten DHB-Bundestag noch einmal ehren zu dem Thema. Das ist schon wirklich außergewöhnlich, was er das leistet und wie groß die Anerkennung der FIH für seine Arbeit und seine Expertise ist.
Großer Themenwechsel. Hinter dem DHB liegen lange und schwere Wochen mit Vorwürfen, Gerüchten sowie internen und externen Untersuchungen rund um die Person Valentin Altenburg. Ende Oktober gab es dann einen zurückgetretenen Damen-Bundestrainer und kurz danach eine Neubesetzung der Trainerstelle. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Diese Wochen habe ich sehr intensiv erlebt, weil mich dieses ganze Thema natürlich auch sehr bewegt hat. Wenn ich das für mich zusammenfasse, ist es so, dass sich der DHB nach diesen vorliegenden Vorwürfen wirklich sehr sensibel und diskret zum Schutze aller Beteiligten in den Prozess begeben hat, der dafür vorgesehen ist. Durch die neutrale Person, die es innerhalb unserer Statuten dafür gibt, ist eine Untersuchung angestoßen worden. Es wurde ermittelt und bewertet. Und am Ende dieses Prozesses steht eine Bewertung, die aussagt, dass keine Verstöße gegen den Ethikcode oder gegen die Good-Governance-Vorgaben des DHB vorliegen. Also das ist erstmal ein sehr, sehr neutraler Prozess, an den wir uns gehalten haben, und wir haben natürlich auch versucht, zum Schutz aller Beteiligten es möglichst in diesem Prozess erstmal zu belassen. Klar ist so ein Prozess natürlich dann auch dadurch geprägt, dass sehr viele intensive Gespräche stattgefunden haben. Und wie immer in einem Prozess gibt es eine Verselbständigung in der Öffentlichkeit, die dann auch zu Reaktionen führt. Wir konnten aus Schutz der Beteiligten nicht immer alle mitnehmen. Wie gesagt, dieser Prozess war sehr intensiv, und am Ende ist dann die Entscheidung von Valentin Altenburg getroffen worden, sich als Bundestrainer zurückzuziehen, und das akzeptieren wir.
Auf der einen Seite ist natürlich jetzt nach dem Prozess einfach auch wichtig, die richtigen Lehren aus den Inhalten zu ziehen, das heißt also sehr klar Veränderungen für alle anzuschieben. Es gibt das Thema, Schulungen in unserer Organisation durchzuführen und in jeder Hinsicht auch Sorge dafür zu tragen, dass alle Beteiligten jetzt den Blick nach vorne richten müssen und auch sollen, und dass das eben möglichst auch von allen getragen wird. Es ging wirklich darum, alle Beteiligten auch ein wenig zu schützen, aber trotzdem einen sauberen Prozess durchzuführen und eben auch dann ganz klar offen für notwendige Veränderungen zu sein.
Der wiedergewählte FIH-Präsident Tayyab Ikram begrüßt Katrin Kauschke als neu gewähltes Mitglied im FIH Executive Board, dem wichtigs- ten Gremium des Welthockeyverbandes. Foto: privat
Der Schutz aller Beteiligten ist völlig korrekt, aber auf der anderen Seite steht auch sowas wie ein Ruf eines Verbandes oder einer Sportart, die überhaupt nicht in den Verdacht geraten darf, irgendwas irgendwie unter den Tisch zu kehren oder nicht aufklären zu wollen. Das ist ja sicher auch eine Notwendigkeit, die die DHB-Führung bestimmt die ganze Zeit in dem Prozess gesehen hat, oder?
Das ist uns total wichtig, und das möchte ich auch noch einmal klar sagen: Es hat jede Spielerin und jeder Spieler das Recht und auch die Chance - und da haben wir Gott sei Dank im DOSB und im DHB Stellen eingesetzt, die das möglich machen -, diesen Prozess zu gehen. Und wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir auch da vielleicht alle Beteiligten schulen, wie der Prozess am besten durchgeführt wird. Aber wenn es dann angeschoben ist, und das ist dann auch richtig, dann muss eben dieses Thema auch in einer von unserer Seite sehr sensiblen und neutralen Art begleitet werden. Wir machen in dem ersten Bereich auch wirklich keinem irgendwie einen Vorwurf, wir unterdrücken nichts, wir wollen also diesen Prozess dann auch so, wie er geplant ist, laufen lassen. Und das haben wir gemacht, und dass es natürlich in jeder Hinsicht darum geht, dass man auch Schaden abwenden will und natürlich auch Schaden vom Verband abwenden will. Das ist total klar, aber erstmal steht bei mir im Vordergrund, Schaden von den beteiligten Personen abzuwenden, solange der Prozess eben wirklich noch im Unklaren ist. Insofern glaube ich, dass das gelungen ist. Es ist aber auch klar, dass etwas hängen bleibt, aber uns geht es nun darum, nach vorne zu blicken. Wir haben eine neue Bundestrainerin mit Janneke Schopman, und unsere Aufgabe ist es, sie zu unterstützen. Und es gibt auch die ganz klare Aussage, dass sie die volle Verantwortung für die Gestaltung eines zukünftigen Kaders hat und völlig frei ist in ihren Entscheidungen, wie sie das gestaltet.
Kann es sein, dass jetzt für die neue Bundestrainerin noch eine eher unerwartete Aufgabe dazukommt, sich neue Co-Trainer beschaffen zu müssen? Mir kam zu Ohren, dass die bisher hier tätigen Jo Schmitz und Mirko Stenzel da nicht weiter mitziehen wollen beziehungsweise ihre Verträge mit dem DHB gekündigt haben. Ist da was dran?
Der ganze Prozess hat so viel Unruhe auch in den Kader gebracht, was ich natürlich sehr bedaure und was mir sehr leidtut, und es geht sicherlich auch darum, dass jeder einzelne auch im Staff und in der Mannschaft das Recht hat, diesen Prozess auch zu bewerten und seine persönliche Meinung auch dort kundzutun und seine persönliche Entscheidung auch daraus zu treffen. Es wird dort Veränderungen geben, momentan wird intensiv gesprochen, und es ist auch so, dass natürlich auch die neue Bundestrainerin ihren Einfluss auf die Konstellation im Staff hat. Man muss sagen, dass es eine sehr erfolgreiche und eingespielte Mannschaft gewesen ist, und jede Veränderung ist erstmal natürlich bedauerlich. Aber auch da können wir auch nur akzeptieren, wenn die Entscheidungen getroffen werden, und versuchen eben nach vorne irgendwie die bestmögliche Lösung zu finden.
Dann darf man gespannt sein, wer jetzt bei diesem anstehenden USA-Lehrgang als auch dann bei der bald beginnenden Pro League dann sowohl auf dem Spielfeld als auch auf der Bank zu sehen sein wird.
Ja, das ist klar. Es wird Veränderungen geben, und jede Veränderung hat auch eine gewisse Chance. Wir versuchen, als Präsidium und Vorstand diesen Prozess möglichst gut unterstützen, auch wenn es natürlich primär interne Leistungssport-Themen sind. Aber uns ist es eben wichtig, diese doch etwas aufgewühlte Situation zu besänftigen und möglichst alle Bereiche so unterstützen, dass das erfolgreich nach vorne gehen kann.
War denn eine komplette Trennung zwischen Valentin Altenburg und dem DHB irgendwo in diesem Prozess der letzten Wochen mal ein Thema? Von ihm aus beziehungsweise auch von Seiten des Verbandes?
Um es sehr klar zu sagen: Es gab keine Überlegung, sich von Valentin Altenburg zu trennen. Wir haben sehr intensive Gespräche, die erstmal ganz normal nach Olympischen Spielen natürlich laufen, also eine Nachlese und einen Ausblick nach vorne. Und dann natürlich auch im Zusammenhang mit den Vorwürfen war natürlich auch bei uns Handlungsbedarf, sich intensiv auszutauschen. Und unsere Überzeugung ist es aber schon, Valentin Altenburg in einer besonderen Stellung innerhalb des Leistungssports halten zu wollen. Dass uns das gelungen ist, darüber sind wir erst mal sehr glücklich. Denn wir glauben schon, dass er einen Mehrwert innerhalb dieser Organisation liefern kann.
Vielen Dank für das Gespräch!