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DHB-Vorstand: "Wir haben in den letzten Jahren viel bewegt"

In einer Woche wird sich die Führung des Deutschen Hockey-Bundes beim 57. Ordentlichen Bundestag (24. Mai in Mönchengladbach) der Basis stellen. Neben dem Präsidium ist das für den operativen Teil der DHB-Vorstand, bestehend aus Julien Keibel (32) als Kaufmännischer Vorstand und Martin Schultze (53) als Sportdirektor. DHZ-Redakteur Uli Meyer hat mit den zwei Vorständen über verschiedene aktuelle Themen gesprochen. Es ging um das Bauvorhaben, das Digitalprojekt, die Pro League in Berlin, die EM in Mönchengladbach, den neuen Medienpartner und Veränderungen im Bereich Bildung und Jugendleistungssport.

Können denn die beiden Vorstände und Verantwortlichen des operativen Geschäfts im Deutschen Hockey-Bund mit gutem Gewissen und Zuversicht beim DHB-Bundestag vors Hockey-Parlament treten?

Keibel: Natürlich. Mit Demut und Zuversicht treten wir vor das Gremium. Wir befinden uns ja wieder mal in einem Jahr mit einer großen EM in Deutschland, dementsprechend liegt da natürlich auch ein gewisser Fokus darauf. Wir freuen uns, dass wir wieder solche tollen Veranstaltungen in Deutschland machen können, nehmen das aber auch mit der nötigen Verantwortung wahr. Wir haben nichts zu verstecken, sind transparent und stellen uns da aber auch sehr gerne dem Feedback und den Fragen. Ich bin gespannt, schließlich ist es ja auch mein erstes Mal bei einem DHB-Bundestag.

Schultze:  Absolut können wir mit guten Gewissen vor die Hockey-Community treten. Weil ich denke, dass wir in den letzten Jahren viel bewegt haben. Ich kann das jetzt seit 2022 beurteilen, was geschehen ist, und natürlich ist nicht alles Gold, das ist uns auch klar, und es gibt viele Punkte, an denen auch für die Zukunft arbeiten müssen und wollen. Aber insgesamt, denke ich, hat sich in schwierigen Zeiten wahnsinnig viel bewegt. Ein Beispiel ist für mich ist die Komplettsanierung der DHB-Geschäftsstelle mit einem Projekt, das seit gefühlt 20 Jahren nicht angepackt wurde und jetzt innerhalb von kürzester Zeit mit relativ riesigem Aufwand umgesetzt werden konnte, um da mal einen Punkt herauszunehmen. Auch im rein sportlichen Bereich waren wir in den letzten zwei Jahren insgesamt, wenn man es nach Titeln betrachtet, ganz erfolgreich unterwegs. Da schauen viele neidisch auf uns. So sind im männlichen Bereich alle drei Weltmeisterpokale aktuell in unserem Besitz: Herren Feld und Halle und dazu bei den Junioren, und bei den Damen ist es immerhin der Hallen-Europameistertitel. Und auch im Bereich der Jugendnationalmannschaften, wo wir aktueller Europameister der weiblichen und männlichen U18 sind, sind viele Sachen umgesetzt worden. Ob das jetzt immer alle nur gut finden, das sei dahingestellt, aber ich denke, wir haben sehr viel bewegt und treten heute bei Events und bei Sponsorenpartner-Präsentationen ganz anders auf als vor drei Jahren.

 

Sie haben das Projekt Nachwuchsleistungszentrum schon kurz angerissen. Wie es da der aktuell Stand und auch der weitere Plan bei der Umsetzung? Man hörte, dass es beim anstehenden Bundestag so eine Art kleine Präsentation oder bereits eine Führung für die Teilnehmer geben soll.

Schultze: Eine Führung können wir leider noch nicht anbieten. Das wäre schön, wenn wir da schon was stehen hätten, was angeschaut werden kann. Nein, es ist im Rahmenprogramm des Bundestages vorgesehen, dass am Freitag Dr. Ulrich Schückhaus von der EWMG (Entwicklungsgesellschaft der Stadt Mönchengladbach) das Projekt ganz ausführlich und ganz transparent vorstellen wird. Wir werden natürlich auch nochmal am Samstag in unserem Bericht auf die Eckdaten eingehen. Es ist ja auch ein Projekt, was unfassbar lange schon irgendwo im Köcher ist. Dr. Schückhaus meinte neulich, dass er bereits vier verschiedene DHB-Präsidenten erlebt habe, mit denen er schon an dem Thema dran ist. In Zusammenarbeit mit der EWMG haben wir es jetzt endlich geschafft, im Februar den Förderantrag einzureichen, der Bauantrag folgt jetzt Ende Mai. Abhängig davon, wie lange es mit der Prüfung und Bewilligung des Förderbescheids bei der zuständigen Bezirksregierung in Köln dauert - wir versuchen das Verfahren momentan zusammen mit der EWMG auf der politischen Schiene zu beschleunigen -, hoffen wir, dass wir die Übergabe des Bescheides zur Europameisterschaft im August hinbekommen. Wenn das klappt, dann könnte es mit dem Bau realistisch gerechnet im März oder April 2026 losgehen. Und dann kann man nochmal mit rund 12 bis 15 Monaten rechnen, bis die Sache realisiert ist. Zumindest sind wir bei diesem Riesenprojekt deutliche Schritte vorangekommen.

 

Martin Schultze, hier mit Eventmanagerin Nina Holtgrewe während der Olympischen Spiele 2024 in Paris, übt seit 1. Novmber 2022 das Amt des Sportdirektors bzw. Vorstand Sport im Deutschen Hockey Bund aus. Foto: Kaste

Belastet oder beeinflusst dieses Projekt den normalen Etat des DHB? Oder ist das völlig abgetrennt sozusagen von der normalen Haushaltsplanung des Verbandes?

Keibel: Dadurch, dass wir noch nicht angefangen haben zu bauen, sind noch keine großen Kosten verursacht worden. Wir sind ja auch nicht Bauherr, das sollte man an dieser Stelle vielleicht auch nochmal ganz klar herausstellen. Wir sind am Ende dann nur Betreiber, und auch dann erst, wenn es anfängt. Dementsprechend belastet das jetzt aktuell den DHB-Haushalt noch nicht, deswegen machen wir das da aktuell noch keine Sorgen. Wir sind natürlich auch vorsichtig in der Planung, wir werden gewisse Anlaufkosten haben, aber diese werden sicherlich nicht vor dem Jahr 2026 starten.

Schultze: Die ganze Sportschule wird in der Sportschulen GmbH abgebildet und nicht im Deutschen Hockey-Bund. Von daher ist das jetzt eine Sache, die nicht innerhalb des DHB oder des DHB-Haushaltes läuft. Natürlich ist der DHB hundertprozentiger Anteilseigner der GmbH, aber die laufenden Kosten müssen alle über die GmbH abgewickelt werden. Es ist also nicht so, dass Gelder aus dem Haushalt für die Sportschule transferiert werden müssen. Das ist ganz wichtig, dass da nichts irgendwo vermischt wird. Damit liegen natürlich auch die Risiken, die ein solches Projekt immer automatisch mit sich bringt, in der GmbH. Aber wir halten das für sehr, sehr überschaubar, und die Chancen sind aus unserer Sicht viel größer. So dass wir davon ausgehen, dass die GmbH mittelfristig den DHB unterstützt. So ist das vom Konstrukt her vorgesehen.

 

Langfristig müsste der DHB doch eigentlich viel Geld sparen, indem man die ganzen Lehrgänge der Nationalmannschaften dort unter dem eigenen Dach ohne Kosten abhält, als sich immer irgendwo fremd einzumieten, oder?

Schultze: Ganz so ist es nicht. Der DHB zahlt ganz normal die entstehenden Übernachtungskosten an die Sportschulen GmbH. Natürlich profitiert der DHB davon, dass er an eine eigene GmbH bezahlt und das Geld nicht extern an Fremde gibt, so dass dann eine Ausschüttung stattfinden kann und soll. Aber die Vorstellung, dass wir da mit unseren Teams hingehen könnten, und die übernachten da für null, das funktioniert so nicht. Die Service GmbH ist ja eine eigenständige wirtschaftliche Unternehmung, die auch gewinnorientiert und damit anders als der DHB arbeiten muss und dementsprechend auch ganz normal kalkulieren muss.

 

Ein Thema, das die Hockeygemeinde in den letzten Jahren sehr beschäftigt hat, war das Digitalprojekt. Neben der 2023 beschlossenen Sonderumlage durch alle Vereine gab jetzt in den letzten Monaten auch die ein oder andere technische Panne, die die Abwicklung des Spielbetriebs massiv beeinflusste. Hat denn der DHB mit dem Servicedienstleister Sporting Rock einen Modus gefunden, dass solche Rückschläge künftig möglichst nicht mehr vorkommen? Schließlich ist der Umstellungsprozess ja immer noch nicht abgeschlossen.

Keibel: Sie sprechen wahrscheinlich die Systemausfälle Ende Januar/Februar an. Das Thema hatte hohe Priorität auch bei uns. Wir haben das auch im Präsidium ausführlich diskutiert und hatten viele Sitzungen, auch mit Sporting Rock gemeinsam. Da haben wir auch unseren Standpunkt klargemacht, weil schließlich auch der verständliche Unmut von Clubverantwortlichen zum Großteil auf uns als Verband zurückfällt. Nach valider Prüfung der Vorfälle hatten wir damals ja auch eine Veröffentlichung zu den Gründen und welche Vorkehrungen und Maßnahmen wir, nach intensivem Austausch mit Sporting Rock, gemeinsam getroffen haben, um eben nicht mehr solche Ausfälle kompensieren zu müssen. Da geht es über unterschiedlichste technische Details, beispielsweise haben wir Instanzen und Kapazitäten erhöht, haben auch die Zugriffslogiken nochmal aktualisiert. Das alles kann nicht die Geschehnisse vom Ende der Hallensaison entschuldigen, aber wir sind vorsichtig hoffnungsvoll, dass wir da jetzt deutlich besser für die Zukunft gewappnet sind. Dass solche schmerzlichen Lerneffekte kommen mussten, war leider irgendwie dann doch auch zu befürchten.

Durch die Hinzunahme des Jugendbereichs in den digitalen Spielbetrieb hatten wir in der letzten Hallensaison einfach eine extrem hohe Anzahl an Spielen, die gleichzeitig oder an einem Tag stattfinden. Wir merken auch, dass der Service immer mehr angenommen oder auch eingefordert wird. Dass man beispielsweise in nahezu allen Altersklassen aller Ligen auch einen Liveticker zur Verfügung stellen kann. Also wenn man die positiven Dinge in den Vordergrund stellt, dann kann man hoffentlich auch ein bisschen mehr nachvollziehen, warum es zu diesen Ausfällen kam. Nichtsdestotrotz sind wir da sehr vorsichtig geworden und monitoren das jetzt noch genauer als vorher gemeinsam mit unserem Partner Sporting Rock. Wir sind zuversichtlich, dass wir hier den richtigen Partner an der Hand haben.

 

Was die finanziellen Dinge angeht, sind für die Clubs da weitere Belastungen oder böse Überraschungen zu erwarten?  Oder ist da von Seiten des DHB für die weiteren Schritte alles durchkalkuliert und läuft wie geplant weiter?

Keibel: Ja, also wir sind da auch transparent mit Sporting Rock in die Gespräche gegangen, wie man das Ganze fortführen kann und dass man es auch gemeinsam fortführt. Ich gehe nicht davon aus, dass es eine Überraschung für die Hockeyfamilie gibt. Eine weitere Umlage ist hier nicht geplant, die Digitalisierung ist ein fester Bestandteil des DHB-Haushalts, und den wollen wir auch weiter fördern und ausbauen.

 

Kommen wir zum mehr Sportlichen. Vor dem Jahreshöhepunkt Europameisterschaft im August in Mönchengladbach kommt ja noch das Berlin-Heimspiel in der Pro League. Neben der normalen Vorfreude und Erwartung an die Rückkehr der Pro League drei Jahre nach dem letzten Gastspiel 2022 in Deutschland gibt es ja jetzt noch den Spannungspunkt eines möglichen sportlichen Abstieges unserer Damen-Nationalmannschaft. Ist die Sorge übertrieben?

Schultze: Wenn man sich die Tabellensituation anschaut, dann denke ich, ist das nicht übertrieben, sondern sicherlich ein reales Thema, mit dem man sich insgesamt beschäftigen muss, natürlich. Also ich bin sehr optimistisch, dass es gelingt, in der Pro League zu bleiben, sei es in den letzten beiden Spielen gegen England zu Hause in Berlin. Das erhöhte den Reiz, und ich befürchte auch, dass es darauf hinauslaufen wird. England ist der direkte Konkurrent um den Klassenverbleib. Dass es nochmal spannende Spiele werden und es in den letzten Partien noch um etwas geht, das ist natürlich erstmal für Zuschauer und alles drum herum gut. Es ist für uns von extremer Wichtigkeit, die Pro League zu halten, um da weiter im Wettkampf mit den großen Nationen zu sein und auch unter diesen Pro-League-Bedingungen testen zu können.

Zudem wird es im nächsten Jahr die Pro League auch noch Olympic-Qualifier, auch da würde dann ein Abstieg Möglichkeiten nehmen. Auch wenn wir in der Saison 2023/24 lange gut dabei waren und am Ende Zweiter wurden, glaube ich jetzt nicht, dass wir 2026 im Damenbereich wirklich um den Pro-League-Titel spielen und dann die Olympia-Qualifikation machen würden. Wir sind jetzt im personellen Umbruch, wir müssen den überstehen, um dann auch wieder besseren Zeiten entgegenzugehen im Damenbereich. Wenn man sechs Spielerinnen mit dem Format verabschiedet, dass das irgendwo nicht ganz einfach wird, ist uns klar. Die Gründe für die Abtritte sind ja auch verschiedene, es waren nicht nur angekündigte Abschiede, sondern es gab auch ein paar gesundheitliche Aspekte und verletzungsbedingte Dinge, die die Situation insgesamt nochmal dramatischer gemacht haben. Aber da liegt auch eine große Chance darin, wir haben den Umbruch jetzt vorgezogen und haben dafür im Hinblick Richtung WM 2026 und auch Olympia 2028 deutlich mehr Zeit, eine neue Mannschaft aufzubauen.

 

Genau da wäre ein Abstieg aus der Pro League schon ein herber Rückschlag, gerade in diesem Hinblick auf die Fernziele Richtung Los Angeles 2028, oder?

Schultze: Aus sportlicher Sicht wäre es für die Entwicklung der Mannschaft eine Katastrophe, und das wäre auch aus Verbandssicht eine absolute Katastrophe, wo wir es jetzt endlich geschafft haben, die Pro League auch bei Magenta Sport unterzubekommen. Wenn wir uns da jetzt verabschieden müssten, dann machen wir zwei Schritte zurück, wo man nie weiß, ob man die je wieder nach vorne angeschoben bekommt. Also das wäre schon der absolute Worst case, und wir werden alles dafür tun, dass diese Situationen nicht so kommt.

 

Die Damen sind durch ihren zweiten Platz bei der Pro League 2024 zumindest schon mal für die Weltmeisterschaft 2026 qualifiziert. Dies könnten die deutschen Herren jetzt bei der EM 2025 ebenfalls erreichen. Oder ist die Zielsetzung da so, dass man einfach eine bessere Platzierung anstrebt als bei der Heim-EM 2023 als damals Vierter?

Schultze: Letztendlich ist erstmal das Erreichen des Halbfinals das Ziel, und durch die Gruppenkonstellation dürfte es ja so sein, dass man dort entweder auf den Olympiasieger 2024 (Niederlande) oder den Olympiasieger 2020 (Belgien) trifft. Also sprich ab Halbfinale ist in alle Richtungen wieder alles drin. Das ist einfach so, dass die europäische Konkurrenz da immens groß ist - und da habe ich jetzt noch nicht mal England und Spanien erwähnt. Aber natürlich haben unsere Herren den Ehrgeiz, da nach Möglichkeit besser abzuschneiden als vor zwei Jahren. Das Halbfinale ist das Minimalziel, und dann müssen wir schauen, was sich danach noch entwickeln lässt. Bei den Damen sieht es ähnlich aus. Da lässt es sich im aktuellen Umbruch schwierig vorhersagen, wo das am Ende hinführt. Aber es ist doch selbstverständlich, dass man zu Hause immer möglichst lange im Turnier dabeibleiben möchte. Und dass unsere Herren grundsätzlich auch gerne mal wieder ein Finale im Hockeypark spielen wollen, davon darf man fest ausgehen.

 

Stichwort Magenta TV. Da ist Ihnen ja ein sehr guter Deal gelungen. Hockey wird seit Dezember 2024 einer größeren Öffentlichkeit ohne Bezahlschranke nähergebracht. Inwieweit macht sich das jetzt schon auch auf anderen Feldern bemerkbar? Gibt es Reaktionen?

Keibel: Definitiv. Wir sind nach wie vor sehr zufrieden und auch begeistert über unseren Partner, mit Magenta Sport haben wir, so glaube ich, den perfekten Partner gefunden, der uns eben nicht nur in der Übertragung weiterhilft, sondern eben auch im Social-Media-Bereich. Man geht da nicht auf einem eigenen Kanal irgendwo quasi verloren oder bleibt in seiner Nische versteckt, sondern Hockey ist jetzt auch auf diesem starken Social-Media-Kanal von Magenta Sport dabei, wo eben auch alle anderen Sportarten präsentiert werden. Man generiert auf diese Weise eben deutlich mehr Reichweite, als wenn man diese Verbindung nicht hätte. Von daher merken wir das im Bereich Social Media definitiv. Und natürlich ist eine TV-Sichtbarkeit auch wichtig in der in der Partner- und Sponsorensuche, weil das immer auch ein ausschlaggebendes Kriterium ist, da die Partner natürlich auch Sichtbarkeit im TV haben wollen. Von daher sind wir nach wie vor sehr zufrieden und haben uns genau so einen Partner gewünscht.

 

Können Sie denn bereits konkrete neue Abschlüsse bei der Suche nach weiteren Partnern und Sponsoren vorweisen?

Keibel: In der Vermarktung der Europameisterschaft hilft uns das natürlich, da haben wir ja auch schon ein, zwei Themen veröffentlicht, beispielsweise NEW. Da wird sicherlich noch in den nächsten Wochen was dazukommen, was jetzt aber noch nicht spruchreif zur Veröffentlichung ist.

 

Julien Keibel ist seit 1. Juli 2024 Kaufmännischer Direktor beim Deutschen Hockey-Bund. Foto: privat

Ein Ziel der EM 2025 sollte ja auch sein, für ein noch volleres Stadion zu sorgen, als das vor zwei Jahren manchmal der Fall. Wenn man da mal im Detail zurückblickt, war nicht immer alles nur freudestrahlend. So lief ein Damen-Halbfinale mit deutscher Beteiligung damals vor nicht mal halbvollen Zuschauerrängen ab. Haben Sie sich in der Analyse der 2023-EM Schritte überlegt, wie man zu mehr Leuten kommen kann?

Keibel: Ich selbst war in der Analyse noch nicht wirklich involviert, weil es vor meiner DHB-Zeit war. Dass es sicherlich keine einfache Aufgabe ist, solch ein für Hockeyverhältnisse großes Stadion über eine gute Woche hinweg immer möglichst gefüllt zu bekommen, hat man 2023 gesehen. Trotzdem wurde sie meiner Meinung nach schon relativ gut bewerkstelligt. Also das war sicherlich ein herausragendes Turnier, auch vom Rahmenprogramm und von der Organisation, die das Eventteam um Nina Holtgrewe geleistet hat. Zuschauermäßig geht immer mehr, natürlich, das ist auch unser Ziel. Nichtsdestotrotz versuchen wir die Geschichten um den Sport herum zu erzählen, um eben den Leuten, die jetzt vielleicht nicht direkt im Hockey zuhause sind, den Sport schmackhaft zu machen. Und da ist wieder die Brücke zu schlagen zu TV-Übertragungen im Vorfeld. Auch bei einer Pro League ist es für uns eben auch wichtig, dass unsere Nationalmannschaften quasi als Heißmacher schon über das ganze Jahr hinweg dort laufen und wir somit eine bessere Sichtbarkeit auch für unsere Events haben. Natürlich wollen wir möglichst viele Leute vor Ort haben, damit es auch eben genau die Bühne wird, die die Mannschaften und auch das Turnier verdient haben.

Schultze: Wir werden jetzt bei der Europameisterschaft erstmalig eine halbe Stunde Vorberichterstattung haben, was auch ein neuer Meilenstein in der Hockey- Berichterstattung ist. So etwas hat es im deutschen Hockey noch nie gegeben. Das ist auch in Grund, warum die Partnerschaft mit Magenta so interessant für uns ist, weil sie halt einfach neue Wege gehen und uns da deutlich mehr Zeit geben, als das irgendwo anders bisher abgebildet wurde.

Was die Zuschauer angeht, wäre ich wahrscheinlich schon glücklich, wenn wir die Zahlen vom 2023 wieder erreichen könnten. Also es zeigt sich schon, dass es deutlich schwieriger ist. Wir haben natürlich auch ein paar nicht beeinflussbare Faktoren, zum Beispiel die Gruppenauslosung. Da gibt es dieses Mal bei den Herren eben kein Deutschland-Niederlande-Gruppenspiel, das macht es alles nicht leichter. Und wir liegen diesmal mit der EM-Woche halt leider mitten in den NRW-Sommerferien. Aus dem Einzugsgebiet Nordrhein-Westfalen kommen normalerweise doch noch die meisten Zuschauer.

Ja, der Halbfinaltag der Damen war 2023 die große Enttäuschung bei der Ausrichtung. Auch beim Eröffnungstag (Freitag) hätte für meinen Geschmack schon etwas mehr los sein können, auch das ist ein Grund, warum wir diesmal mit zwei Herrenspielen ins Turnier starten werden. Dass wir an einem Dienstag oder Mittwoch das Stadion nicht besonders gut befüllen können, werden wir trotz aller Bemühungen kaum ändern. Die Wochenenden waren vor zwei Jahren eigentlich top ausverkauft, das wird jetzt wieder gut. Das Herrenfinale am Abschlusssonntag ist bereits kurz vor dem Ausverkauf, da sind nur noch Resttickets da. Wir können nur hoffen, dass das Damen-Spiel Deutschland gegen Holland am Montagabend genauso zieht wie vor zwei Jahren die gleiche Paarung auf männlicher Seite, was rückblickend ja der Highlight-Tag der EM war, sowohl sportlich als auch von der unfassbaren Stimmung. Das sowohl sportlich als auch atmosphärisch wieder so hinzubekommen, wird kein einfaches Unterfangen und kein Selbstläufer.

 

Könnte so ein Trend, den mancher Bundesligist feststellt, dass aufgrund eines nachhaltigen Streamingangebotes die Hockeyinteressierten das Spiel vermehrt lieber daheim im Wohnzimmer anschauen als auf der Tribüne, sich auch bei den Nationalmannschaften einstellen? Und im Gegensatz zur Bundesliga mit dem kostenpflichtigen DYN-Übertragung bekommen die Leute die EM ja sogar frei Haus geliefert.

Keibel: Ich sehe das nicht als Störfaktor. Ich glaube, wir müssen sowieso noch mehr erzählen, dass Magenta Sport im Hockey einfach auch live und kostenlos ist. Das scheint noch nicht zu jedem in Hockey-Deutschland durchgedrungen zu sein, aber daran arbeiten wir. Ich glaube schon, dass gerade bei einer Europameisterschaft jetzt nicht durch die TV-Übertragung groß Zuschauer wegbrechen werden. Wir wollen ja eher in den Fokus stellen, dass eben für die Leute, die es nicht schaffen vorbeizukommen, und vor allen Dingen auch für die Leute, die außerhalb der klassischen Hockey-Blase sind, eine super Plattform geschaffen wird, um die EM-Spiele zu verfolgen. Es geht darum, auch eher zu den anderen Sportart-Zuschauern zu gelangen, wenn die Hockey-EM dort zum Beispiel auf dem Hauptkanal bei Magenta Sport läuft. Dass dann dort auch die Zuschauer-Einschaltquoten höher sind, weil dann eben auch der Otto-Normal-Verbraucher einschaltet oder der normale Eishockey-Fan oder der normale Basketball-Fan dann eben mal reinkommt in die Hockey-EM-Übertragung. Und dass wir mit unserer EM auch quer über alle Sportarten hinweg Erwähnung finden, ist sicherlich auch noch herauszustellen

Was die Bundesliga angeht, so habe ich leider keine genauere belegbare Kenntnis, ob und wie ein Zuschauerrückgang mit der Übertragung zusammenhängen.

 

Was anderes noch: Wie geht es denn im Bereich Bildung weiter? Wird denn die Position des im 1. Juli weggehenden Stephan Haumann eins-zu-eins nachbesetzt oder stehen Umstrukturierungen an?

Schultze: Wir sind momentan in intensiven Diskussionen. Es gibt sicherlich das Modell, dass man eins-zu-eins nachbesetzt, wobei man dann schauen muss, ob man wieder so eine Person findet, die diese Vielfalt abdeckt, die Stephan eben abgedeckt hat. Dieser Bereich war schon sehr auf ihn zugeschnitten.

Neben der reinen Trainer-Ausbildung hat Stephan ja auch sehr viele andere Module aufgebaut, zum Beispiel Eltern betreffend oder auch Sportfotografie, dazu hat er sich sehr um die Schiedsrichter-Ausbildung beziehungsweise das Online-Tool RefStart, in enger Absprache mit Christian Blasch, gekümmert. Das ist ja eine wirklich große Vielfalt, die in dieser Bildung drinsteckt. Natürlich haben wir aus dem Leistungssport heraus einen großen Fokus auf die Trainerausbildung, die uns in der Themenvielfalt nicht zu kurz kommen darf.

Es gibt jetzt zwei Modelle, die diskutiert und auch ins Präsidium getragen werden, und wo zeitnah eine Entscheidung ansteht, wie wir es für die Zukunft angehen. Da ist noch keine hundertprozentige Richtungsentscheidung gefallen.

 

Wird dann beim Bundestag mehr zum Sachstand zu erfahren sein?

Schultze: Die Frage wird beim Bundestag auch berechtigterweise kommen, sie kommt ja auch bereits jetzt aus dem Bundesrat und aus der Lehrkommission und aus vielen weiteren Bereichen. Da ist natürlich großes Interesse vorhanden, wie das jetzt in dem Bereich weitergeht. Wir brauchen jetzt einmal eine kurzfristige Lösung, dass der laufende Betrieb für dieses Jahr weiter gesichert ist. Und dann wollen wir uns halt mit der längerfristigen Entscheidung auch die gegebene Zeit lassen, um alles wirklich gut abzuwägen, weil das eine Kernentscheidungen und ein ganz wichtiger Bereich für das ganze Hockey ist. Da hängt viel dran an diesem ganzen Konstrukt, deswegen wollten wir jetzt auch nicht unbedingt nur eine kurzfristige, schnelle Entscheidung treffen. Ich denke schon, dass wir bis zum Bundestag die Kernentscheidung, in welche Richtung wir gehen, auf jeden Fall getroffen haben müssen.

 

In einem anderen Bereich hat eine Umstrukturierung bereits stattgefunden. Es gibt im DHB jetzt einen Sportdirektor Jugend. Was soll damit erreicht werden und wo liegen die Vorteile gegenüber der alten Struktur, wo die U21-Bundestrainer eine Art Oberaufsicht auf die darunterliegenden U18- und U16-Bereiche hatten, getrennt nach männlich und weiblicher Seite.

Schultze: Es überrascht mich ein bisschen, dass das jetzt so thematisiert wird. Ich hatte das schon mal beim Bundestag 2023 vorgestellt. Das scheint irgendwie nicht so ganz durchgedrungen zu sein. Die Umstellung hat auch aus verschiedensten Gründen länger genbraucht als geplant. Zum einen konnten wir die Förderstruktur des BMI ja nicht innerhalb eines olympischen Zyklus verändern, deswegen musste ich bis nach Paris 2024 warten, ehe wird das jetzt auch im Förder-Organigramm des BMI so abbilden konnten. Dann kamen natürlich auch noch ein paar Faktoren dazu, wie zum Beispiel der Abgang von Rein van Eijk als ehemaliger MU21-Hauptamtlicher (nach Belgien; d. Red.) oder der Wechsel von Akim Bouchouchi, der früher für die weibliche Linie zuständig war, auf das Amt des Bundestrainers Wissenschaft. Das Ganze ist aber von langer Hand so vorgesehen gewesen, weil wir der festen Überzeugung sind, dass wir da viel Kapazitäten bündeln können. Viele Absprachen sind bisher doppelt gelaufen, wo ein U21-Bundestrainer jeder für seine Linie international die ganzen Absprachen, die ganzen Planungen und das Sicherungskonzept gemacht hat. Da sehen wir nicht die großen Unterschiede zwischen männlich und weiblich. Es gibt ein paar geschlechterspezifische Unterschiede, wo wir jetzt auch das Konzept anpassen und umstellen wollen, aber ansonsten ganz viele identische Sachverhalte, die von einer Person besser gesteuert werden können. Und wir erreichen so auch Einheitlichkeit, was die Begleitung unserer Honorar-Bundestrainer in den unteren Bereichen angeht. Das hat früher jeder ganz gerne für seine Linie gekämpft und nicht so gerne übergeordnet betrachtet.

Ich sehe da schon viele positive Aspekte dabei, und es entlastet letztendlich mich auch sehr. Der Jugendbereich hätte da schon früher mehr Aufmerksamkeit bedurft, aber es war in den letzten zwei Jahren einfach nicht leistbar. Aber wir haben jetzt jemanden, der sich ausschließlich um diese Nachwuchsförderung kümmert. Das ist ja unsere Zukunft, das sind ja die Spieler und Spielerinnen, die Los Angeles 2028 spielen sollen und heute in der U16 und U18 sind, und da muss der langfristige Leistungsentwicklungsaufbau, insbesondere weiblichen Bereich, wo wir größere Lücken als im viel breiter aufgestellten männlichen Bereichen haben, eng begleitet werden.

 

Vorgesehen war für die Position ja eigentlich Janneke Schopman. Das wurde dann ziemlich kurzfristig auf Valentin Altenburg übertragen.

Schultze: Richtig. Janneke war für die Position ursprünglich geholt worden. Dann gab es ja die personelle Entwicklung im Herbst 2024, die nicht unbedingt so geplant war. Wir mussten in unserem Verband schauen, wie wir unsere Kapazitäten in anderen Positionen nutzen können. Vali hat das schon früher vor seiner Zeit als Damen-Bundestrainer auf der männlichen Schiene lange gemacht. Ursprünglich kommt er ja von dort her und genau aus dieser Position, und er hat sich auch – unabhängig von der eigenen Person – schon lange für eine Änderung im generellen Organigramm im oben beschriebenen Sinn eingesetzt. Letztendlich war es dann auch sehr reizvoll für ihn, dort weiterzumachen. Also die personelle Besetzung ist tatsächlich recht kurzfristig gewesen, aber von der Struktur her war die Stelle seit 2023 so angestrebt worden. Dass manche vermuten, es wurde noch schnell mal was neu geschaffen, um jemanden unterzubringen, ist echt Quatsch.

 

Vielen Dank für das Gespräch!