Die DM-Gewinner 2025 Harvestehuder THC und Crefelder HTC boten reichlich Stoff für außergewöhnliche Geschichten. Hier ein Meister, der seinem ruhmreichen Club nach 52 Jahren sehr unverhofft wieder einen Titel im Damenhockey schenken konnte, und dort ein Meister, der nach einem Drittel der Saison mal auf dem vorletzten Tabellenplatz stand und durch die erlittenen Niederlagen genauso gestählt wurde wie durch die anschließende Serie von 18 Pflichtspielsiegen in Folge.
Sie konnten es irgendwie nicht glauben, was da passiert ist. Deutscher Damenhockeymeister 2025 Harvestehuder THC – das überforderte im ersten Moment vor allem die Beteiligten selber. Dass sie es ihren Hockey-Ur-Ur-Ahnen im Verein nach über einem halben Jahrhundert nachgemacht hatten und wieder einen blauen Wimpel nach Hamburg an die Barmbeker Straße brachten, war nur einer von vielen Aspekten, die die neuen Meisterinnen einordnen mussten.
„Ich bin noch ein bisschen unter Schock, kann es noch nicht so richtig realisieren“, sagte Rosa Krüger, über die am Sonntag ein ganzes Füllhorn großer Dinge hereingebrochen war. Zwar konnte sich die 30-Jährige in den letzten Monaten ein bisschen auf die emotionale Situation vorbereiten, dass mit Abschluss der Feldsaison 2024/25 ihr selbst festgesetztes Karriereende kommt. Aber dass sie diesen Abgang als Deutsche Meisterin und obendrein noch als MVP der DM-Endrunde machen darf, hatte die Torhüterin im Vorfeld höchstens träumen können. „Es könnte nicht schöner sein“, so Krüger, die den Teamerfolg über die persönliche Auszeichnung stellte: „14 Jahre gekämpft in der Bundesliga und jetzt der erste Titel mit dem HTHC.“
Natürlich schickte sich auch Krüger an, im Spätherbst ihrer Laufbahn den etablierten Bundesligateams mit dem HTHC noch ein wenig enger auf den Leib zu rücken. Aber die Meisterschaft 2025 als Ziel auszugeben, wäre niemand ernsthaft in den Sinn gekommen. Für die Torhüterin war der Weg dorthin das, was man noch am meisten beeinflussen konnte: „Ich gönne es uns als Mannschaft unglaublich, weil wir das letzte Jahr so dafür gekämpft haben, die Mannschaft zu formen. Und dass es hintenraus noch geklappt hat, das macht mich unglaublich stolz.“
Die Unbeschwertheit, mit der der HTHC in dieses Final-Four gehen konnte, „weil wir einfach der Underdog waren“ (Krüger) und nichts zu verlieren hatte, habe natürlich viel dazu beigetragen. Aber auch das nötige Handwerk musste vorhanden sein. „Wir haben eine unfassbare Defensivleistung hingelegt, haben das Herz auf dem Platz gelassen und versucht, alles wegzuverteidigen, was ging“, so die Torhüterin, die mit starken Paraden ganz wesentlich zum Erfolg beitrug.
Wenn Bilder für sich sprechen: Niklas Wellen und die Fans des Crefelder HTC sind glückselig, dass auf der Gerd-Wellen-Hockeyanlage der große Coup gelingen konnte. Foto: Kaste
Die in der Bundesliga-Rückrunde erlittene 2:6-Heimniederlage gegen den späteren Endspielgegner Düsseldorfer HC war rückblickend eine willkommene Hilfe. „So ein Schuss vor den Bug, das tat ehrlicherweise mal ganz gut“, so Krüger, „und das hat man ja auch gesehen, dass wir es absolut anders können.“
Dass Tobias Jordan in seiner ersten Saison als HTHC-Cheftrainer am Ende den Meistertitel in den Händen halten kann, kam dem 33-Jährigen am Finaltag vor wie ein süßer Traum. „Noch warte ich darauf, dass mich einer weckt“, so der Mann mit Hockeywurzeln beim TSV Schott Mainz. „Wir haben nie damit gerechnet, dass wir dieses Jahr deutscher Meister werden. Vor der Saison haben wir gesagt: Wir wollen in drei, vier Jahren angreifen“, verriet der Coach nachträglich Einblicke in die interne Zielsetzung. Die vielen jungen Talente, die beim HTHC ausgebildet wurden und in den letzten Jahren schon manchen Jugend-DM-Wimpel ins Clubhaus brachten, sollten in der Bundesliga, von ein paar Routiniers angeführt, reifen.
Die regelmäßige Teilnahme an Jugend-DM-Endrunden versetzte gerade die jungen HTHC-Spielerinnen der Jahrgänge 2005 bis 2007 in einen Zustand von Reife für K.O.-Spiele. „Die jetzt in Krefeld gespielt haben, die sind unfassbar erfahren, was Final-Fours angeht, aber natürlich in der Jugend“, sagt Jordan, der somit nicht zwingend damit rechnen konnte, dass so etwas auch sofort im Erwachsenenbereich funktioniert. „Dass sie es jetzt hier so cool runterspielen, konnte keiner irgendwie ahnen, aber zeigt einfach, wieviel Potenzial diese Mannschaft hat“, staunte am Ende selbst der Trainer.
Als eine Art Übervater des Erfolges durfte sich am Spielfeld Michael Green fühlen und freuen. Der frühere Welthockeyspieler (2002) hatte vor einigen Jahren als neuer Jugendvorstand im Verein die bis dahin eher mittelmäßige Nachwuchsarbeit in seinem HTHC rasant angekurbelt. Seine drei Kinder sind inzwischen mehrfach deutscher Jugendmeister geworden, und Tochter Maxi (Jahrgang 2007) ist mit 18 Jahren nun erstmals DM-Gewinnerin bei den Damen und letztlich ein Musterbeispiel für „unseren Weg im HTHC“, so Michael Green. Bereits im Jugendbereich häufig in engen, wichtigen Spielen dabei zu sein, verschaffe unbezahlbare Erfahrungswerte. „Das hilft enorm, und das brauchen die jungen Spielerinnen auch, um diese Qualität und Konstanz an so einem Final-Four-Wochenende zeigen zu können“, ist der frühere Weltklasseverteidiger sicher.
Und es geht immer weiter. Die besten aus dem 2008er Jahrgang gehören bereits zur Trainingsgruppe des Bundesligakaders „Die sehen wir dann nächstes Jahr. Und danach kommen die 2009er und so fort – wir hören nicht auf“, so Green, der sich erst neulich in seinem Amt als Jugendvorstand wiederwählen ließ. Es soll nicht wieder über 50 Jahre bis zum nächsten Damen-Meistertitel dauern.
Damen-Meister Harvestehuder THC. Das Hamburger Team, in der Bundesliga lediglich Fünfter der Hauptrunde, setzte sich in Krefeld überraschend durch. Es war der 15. DM-Titel für den Hamburger Verein, der letzte lag allerings lange 52 Jahre zurück (1973). Foto: Kramhöller
Erfahrungen aller Art, negative wie positive, haben entscheidend dazu beigetragen, dass sich die Herren des Crefelder HTC und mit ihnen der ganze Verein am Sonntag einen Traum erfüllen konnten: Auf eigener Anlage den blauen Wimpel in die Höhe zu reißen und nach fast 20 Jahren (2006) wieder deutscher Meister zu sein.
Vier Jahre nach der tiefen Tristesse eines unerwarteten Abstieges aus der ersten Liga herrschte auf dem gleichen Vereinsgelände wie damals das genaue Gegenteil der Emotionen. Die Krefelder und alle, die es mit dem CHTC gut meinen, waren einfach nur noch glückselig. „Ich bin unglaublich froh, dass wir es den ganzen Leuten im Verein schenken können, die lange gewartet haben, dass jetzt wieder unglaublich erfolgreiche Zeiten gekommen sind. Schön, dass wir ihnen das geben konnten, es macht mich happy“, sagte nach der Siegerehrung Niklas Wellen, und man durfte es dem Kapitän der CHTC-Mannschaft absolut abnehmen, dass er mit dem Titelgewinn nicht nur eigene sportliche Sehnsüchte gestillt hatte.
Ähnlich wie der kurvige Mehrjahresweg vom etablierten Erstligisten zum Absteiger und dann zum Meister verlief bekanntlich auch die aktuelle Saison. Als Krefeld zum Austragungsort des Final-Four 2025 von der Hockeyliga bestimmt wurde, da standen die CHTC-Herren tabellarisch gerade in der Abstiegszone der 1. Bundesliga. Eine Endrundenteilnahme war im Oktober 2024 weit weg für den CHTC. Die bereits im Spätherbst eingeleitete sportliche Wende nahm dann in der Rückrunde weiter Fahrt auf. Ohne Niederlage in 2025 kam Krefeld dem Zwischenziel („Der Traum war, erstmal hier beim Final-Four mitspielen zu dürfen“, so Clubchef Dirk Wellen am Sonntag) Sieg für Sieg näher. „Man hat es die letzten Wochen schon gemerkt, dass die Siege guttun, sie schweißen zusammen“, betonte Trainer Johannes Schmitz das ausgeprägt starke Teamgefühl, das beim CHTC am Wochenende tatsächlich noch größer schien als bei den anderen drei Endrundenteilnehmern.
„Wir sind durch die Saison, durch den schwachen Start, unglaublich gereift und haben gelernt, mit der Situation umzugehen und auch Rückschläge zu verarbeiten. Das bringt uns überhaupt nicht aus der Spur, wenn wir hinten liegen“, sah auch Weltmeister Niklas Wellen die Mischung aus der Siegesserie und überstandenen Negativphasen (zum Beispiel das dramatisch verlorene Hallen-DM-Endspiel) als Nährzelle für eine enorme Widerstandsfähigkeit, die Krefeld in den Stand versetzte, nominell überlegene Gegner wie den Ligagewinner Hamburger Polo Club im Halbfinale oder Rot-Weiss Köln im Endspiel in die Knie zu zwingen.
Einiges dazu beigetragen haben die beiden australischen Gastspieler Tim Howard und Lachlan Sharp. „Die haben dem Team sehr viel gegeben und sich dabei auch total im Verein integriert“, schwärmt Dirk Wellen vom Abwehrchef Howard und dem pfeilschnellen Offensivspieler Sharp, der für den CHTC-Präsidenten „der beste internationale Spieler, den wir je hatten“ ist. „Was für eine beeindruckende Atmosphäre hier“, genossen Howard und Sharp den Trubel und konnten sich am Ende einfach nur freuen: „Wir sind nach einem schwachen Start als Team immer mehr gewachsen, haben hart für Momente wie heute gearbeitet und hatten es am Ende auch verdient“, sagte Sharp. Bei einem bestehenden Zwei-Jahres-Vertrag wird man die beiden wohl auch kommende Saison beim CHTC sehen.
Dass am Ende nicht Sharp oder Howard oder Wellen oder Doppeltorschütze Bachmann oder Torwartgigant Joshua Onyekwue Nnaji als MVP der Meisterschaft erkoren wurden, sondern er „als Nicht-Torschütze, als Verteidiger und als Nicht-Nationalspieler“, wie er selber sagte, das erstaunte den tatsächlicher Preisempfänger Julius Hayner. Er hatte bei einem „Fast-Daumenbruch“ im Abschlusstraining ebenso Glück, die Endrunde spielen zu können, wie auch Mittelfeldspieler Linus Michler, der sich nach abgefälschtem Ball einen Jochbeinbruch zugezogen hatte. Eine Maske machte seinen Einsatz möglich. So ein historisches Ereignis wollte keiner verpassen.
lim