DEUTSCHE
HOCKEY ZEITUNG

Mit Hockey erhalten Sie wertvolle Tipps und Informationen rund um den Hockeysport.

Stephan Haumann: Qualität und Wertschätzung für den Trainerbereich heben

18.03.2023

Veränderungen im Bildungswesen hat Stephan Haumann schon bald nach seinem Amtsantritt in Angriff genommen. Offiziell seit 1. August 2022 ist Haumann „Direktor Bildung“ beim Deutschen Hockey-Bund. In der DHZ Nr. 1 vom 3. Januar 2023 informierte der 39-Jährige ausführlich über seine Pläne. Nun geht es ganz konkret in die praktische Umsetzung.

Darüber hat sich DHZ-Redaktionsleiter Uli Meyer mit Stephan Haumann unterhalten. Ein Thema des Gesprächs sind auch die beim Bundesjugendtag am kommenden Wochenende in Lübeck zur Abstimmung stehenden Anträge. Da geht es um die Einführung einer verpflichtenden „Basis­informationskampagne“ (gekoppelt an Spielerpassausstellungen), eine verpflichtende und niederschwellige „Basisqualifikation“ für Trainerinnen und Trainer im gesamten Jugendbereich sowie eine Trainer-Lizenzpflicht im Jugend-Leistungssport.

Herr Haumann, Sie haben als DHB Direktor Bildung Neuerungen im Ausbildungswesen angekündigt. In Bälde geht es auch praktisch damit los. Auf was müssen sich angehende Trainerinnen und Trainer einstellen?
STEPHAN HAUMANN: Wir haben die Lehrgänge komplett umstrukturiert, haben sämtlichen Lehrgängen ein neues Curriculum gegeben. Unser bisheriges Ausbildungssystem war grundsätzlich in Ordnung, aber wir tragen jetzt vielen Veränderungen Rechnung. Sowohl beim Trainer, der keine Zeit mehr hat, zehn Tage am Stück in Präsenz bei der Ausbildung zu sein. Gleichzeitig haben sich einige Inhalte verändert, Hockey ist in taktischer und technischer Hinsicht anders geworden, auch bei pädagogischen Konzepten, wie man Dinge lehrt. Kurzum: Wir wollen uns moderner aufstellen. Dazu gehört auch der Bereich E-Learning, also die ortsunabhängige Lehre, die wir auf- und ausbauen. Wir wollen die kompetenzorientierte Lehre steigern, wollen nicht mehr nur darauf schauen, welche Inhalte zu Athletik-, Technik- oder Taktikfragen die Trainer weiterbringen, sondern wir sehen es jetzt aus der Trainer-Perspektive. Also welche Kompetenzen soll er am Ende eigentlich haben? Er soll Anforderungssituationen erfüllen können. Und das wollen wir viel mehr mit den Trainern vor Ort üben.

Und das soll sich von der C- bis zur A-Trainer-Ausbildung durchziehen?
Ja. Wir haben uns für die einzelnen Stufen verschiedene Leitsätze gegeben. Im C-Bereich lautet der: Schau in dich! Wir wollen die Trainer anleiten beziehungsweise inspirieren, sich selbst zu reflektieren, um zu erkennen: Was brauche ich noch, um ein guter Leistungssporttrainer zu werden? Und nirgends kann man das besser lernen als bei einem wirklichen Leistungssportlehrgang. Deswegen wollen wir in Zukunft immer an eine Maßnahme der Nationalmannschaft andocken. Zum Start des C-Trainer-Leistungssport-Lehrgangs wird das Anfang April der Zentrallehrgang der Männlichen U18 in Köln sein. Wir werden uns dort Besprechungen und die Trainingseinheiten anschauen, ohne den Ablauf groß zu stören. Auch mit den Bundestrainern zusammen wird man das Erlebte gemeinsam reflektieren, um es richtig einordnen zu können. Das ist der neue kompetenzorientierte Ansatz. Auch die davorliegende Stufe C-Trainer Breitensport haben wir umstrukturiert.
Bei der B-Trainer-Ausbildung heißt der Leitsatz: Schau um dich! Also: Wie machen das die anderen? Reflektiere sie und dich selbst. Der B-Trainer-Lehrgang wird in diesem Jahr an eine Veranstaltung des Westdeutschen Hockey-Verbandes angeknüpft. Wir stellen bei einem mehrtätigen Jugend-Camp die Trainer, zusammen mit den eigentlichen Camp-Coaches.
Und zur A-Trainer-Ausbildung lautet der Leitsatz: Schau über dich! Da geht es um das Top-Hockey, die Nationalmannschaften, das internationale Hockey. Da kommen dann auch sportwissenschaftliche Themen mit rein, wir werden da beispielsweise das IAT Leipzig mit an Bord haben, das ganz fundiertes Wissen reinbringt.    

Welche Änderungen sind bezüglich Umfang und Abschluss der Ausbildungen vorgesehen?
Beim C-Trainer-Leistungssportlehrgang machen wir durch die Anbindung an die U18-Maßnahme einen Tag mehr als bisher. Wir wollen ja in der Summe nicht weniger Inhalte haben als bisher, sondern sie künftig so anbieten, dass sie für den einzelnen besser zu meistern sind. Deshalb wird auch hier bereits in einem kleineren Bereich mit E-Learning-Inhalten gearbeitet. Nachher beim B-Trainer wird es eine noch größere Flexibilität geben. Die C-Trainer-Ausbildung endet mit einer Klausur, das ist neu. Das wird ein Multiple-Choice-Test sein, wo wir die wichtigsten Punkte abfragen, ohne großes Brimborium. Bei den B- und A-Trainer-Absolventen wird es eine Prüfungswoche geben, die zeitlich Ende Oktober zwischen DM-Jugend-Endrunden Feld und DHB-Trainer-Symposium liegen wird. Es muss nicht jeder die ganze Woche da sein, sondern aus Sicht des einzelnen erfolgt die Prüfung an einem Tag und wird öffentlich sein. Das Ganze dient für andere als Trainer-Fortbildung zur Verlängerung ihrer Lizenz. Die zu Prüfenden präsentieren ihr Thema vor einer Jury und den anderen Teilnehmern, aber die anschließende Bewertung bleibt intern.

Wird der Ansatz, eine höhere Qualität bei der Ausbildung der Trainer erreichen zu wollen, unter Umständen auch eine höhere Durchfallquote von Absolventen mitbringen?
Es ist korrekt, dass wir einen neuen Standard erreichen und die Qualität anheben wollen. Das heißt nicht zwangsläufig, dass Leute durchfallen müssen, auch wenn das im Zweifelsfall passieren kann. Auch zuletzt hatten wir schon ein paar Fälle, wo nicht alle zweifelsfrei bestanden hatten und die Lizenz nicht vergeben oder nur unter Auflagen erteilt wurde. Wir müssen ja in irgendeiner Weise garantieren, dass eine A-Trainer-Lizenz auch ein Prädikat ist und nicht einfach das Absitzen von Zeit zertifiziert. Natürlich ist es nicht so, dass nur wer einen A-Trainerschein besitzt, am Ende auch ein guter Trainer ist. Genauso kann man sagen, dass ein guter BWL-Absolvent noch kein erfolgreicher Unternehmer oder der Absolvent eines Medizinstudiums gleich ein guter Arzt ist. Das ist nicht die zwingende Schlussfolgerung. Aber wir wollen zumindest garantieren, dass die A-Trainer, die bei uns eine solche Ausbildung durchlaufen haben, einen wertigen Abschluss vorweisen können. Sonst wäre das Ganze ja auch nichts wert, und das darf nicht sein.

Seit August 2022 für das Ressort Bildung im Deutschen Hockey Bund zuständig: Stephan Haumann. Foto: privat

Das Ziel der neuen Kampagne im Bildungsbereich ist, mehr und bessere Trainer zu haben.
Richtig: Wir brauchen mehr Trainer, das ist das Entscheidende. Wir müssen oben die Spitze schärfen und unten natürlich die Breite streuen. Man muss einen niederschwelligen Einstieg haben und Erfolgserlebnisse am Anfang. Unsere These ist, dass alles zusammenhängt. Dass wir nur mit einer sehr guten A-Trainer-Ausbildung die ganze Qualität heben und damit auch die Wertschätzung für den Trainerbereich. A-Trainer zu sein, soll ein Prädikat sein. Es bringt uns nichts, wenn wir allen die Lizenz quasi schenken oder wild jeden von der Straße zum C-Trainer machen. Wir brauchen trotzdem einen niederschwelligen Einstieg, damit wir diejenigen abholen und anfüttern, die sich noch nicht ganz sicher sind und denen eine lange Ausbildung womöglich noch ein bisschen zu viel ist. Wir wollen auf allen Stufen informieren, qualifizieren und begeistern. Und manche haben dann Lust darauf, die Stufen weiterzugehen, andere eben nicht. Denen reicht dann so eine Eingangsstufe.

Ist es Zeit für neue Trainergenerationen?
Wir müssen die gesamtgesellschaftliche Entwicklung sehen: Die geburtenstarken Jahrgänge aus den 60er-Jahren gehen in Rente, da wird sich in den nächsten Jahren enorm viel tun. Das trifft auch uns im Hockey. Ganze Trainergenerationen, die jahrzehntelang den deutschen Hockeysport vertreten hat, scheiden aus dem Berufsleben aus. Wir wollen diese Leute, auch wenn sie im Ruhestand sind, im Idealfall nicht verlieren. Aber die, die wegfallen, müssen wir kompensieren. Das ist wichtig, und deshalb müssen wir da ran. Grundsätzlich denke ich, sich als Trainer zu engagieren, ist ein tolles, sinnstiftendes Engagement, egal in welchem Alter. Als 14-Jähriger, wenn deine U8-Kinder dir förmlich an den Lippen hängen, merkt man vielleicht erstmals im Leben, dass man anderen was beibringen kann. Und auch im Alter kann es eine schöne Erfahrung sein, wenn du Dein angesammeltes Wissen nochmal weitergeben kannst.

Ihr Konzeptpapier sieht auch die Einführung von Lizenzpflichten für die Ausübung einer Trainertätigkeit in Clubs vor. Wie groß war der Aufschrei der Vereine, als Ihre Pläne öffentlich wurden?
So etwas wie eine Lizenzpflicht darf ja nur kommen, wenn die Anforderungen für die Clubs wie auch die Trainer auch ohne unverhältnismäßigen Aufwand erfüllt werden können. Aber mal andersherum betrachtet: Ich finde unsere Ausgangslage grotesk, dass es im deutschen Hockey an keiner Stelle überhaupt eine Lizenzpflicht gibt und dass weder DHB noch Landesverbände noch Vereine die gesicherte Möglichkeit haben, die Trainer direkt anzusprechen. Wie können wir garantieren, ihnen bestimmte Informationen (beispielsweise zu Präventionsthemen) vermitteln zu können? Dafür brauchen wir eine ganz niederschwellige Lizenzpflicht. Lizenz ist hierfür eigentlich das falsche Wort. Es geht darum, dass sich alle mal eine Stunde mit ein paar wichtigen Themen beschäftigt haben müssen und wir alle abgeholt haben. Dafür sind diese niederschwelligen Basisqualifikationen gedacht. Im Leistungssport können wir darüber reden, ob es nicht so etwas geben soll wie eine Lizenzpflicht. Da geht es unter anderem darum, wie ich meine Spielerinnen und Spieler gesund halte, wie ich ein Thema wie Verletzungsprävention angehen kann oder wie ich sie langfristig für den Leistungssport gewinne. Da braucht man einfach eine Grundlage an Expertise.

Aber welche Resonanz haben Sie bisher auf Ihre Bildungs-Kampagne gehabt?
Alle, mit denen ich über das Thema spreche, haben das Gefühl, dass sich in diesem Bereich was tun muss, und alle sind bereit dafür, dass es einen Aufbruch und eine Qualitätssteigerung gibt. Im Sinne der Vereine müssen wir deshalb ein paar Dinge verändern. Ich hoffe, dass klar wird, dass wir da alle an einem Strang ziehen, also Vereine, Landesverbände und DHB-Bildungsbereich. Ich habe ein zu hundert Prozent positives Feed-back.

Der anstehende Bundesjugendtag ist die erste Hürde bei Ihren Bemühungen, die Einführung von Basisqualifikationen für Spieler wie auch (angehende) Trainer oder Übungsleiter zu systematisieren. Werden die Verbandsjugendwarte den vorliegenden Antrag unterstützen oder ist auch ein Schiffbruch möglich?
In demokratischen Prozessen kann man immer Schiffbruch erleiden. Einer der zentralen Punkte bei geplanten Veränderungen ist ja immer, dass man es gut erklärt und den Prozess dann auch begleitet. Ich war kürzlich beim virtuellen Verbandsjugendtag des Westdeutschen Hockey-Verbandes dabei. Da habe ich extrem viel Positives erlebt. Trotzdem wird es so sein, dass man auch nochmal beim Bundesjugendtag Rede und Antwort stehen muss. Die Anträge aus dem Bildungsbereich sind ja streng genommen auch nur Empfehlungen in Richtung DHB-Spielordnungsausschuss, Dinge konkret umzusetzen. Das ist bewusst so formuliert. Aber nochmal: Ich bin zutiefst überzeugt von der inhaltlichen Sache und auch davon, dass man die Leute auch dafür gewinnen kann, wenn man sie entsprechend informiert und abholt.

Sie haben eingangs von den E-Learning-Angeboten gesprochen. Sind diese Module eigentlich schon vorbereitet und produziert?
Wir haben hier eine Förderung seitens des Bundesinnenministeriums bekommen. Diese Fördermittel wurden über den DOSB über das Projekt ReStart ausgeschüttet. Da geht es darum, nach der Coronazeit wieder mehr Engagierte im Sport zu gewinnen. Das haben wir für uns nutzbar gemacht, haben unsere ReStart-Kampagne angehängt an unser Vorhaben von „Coach Start“ und „Coach Next“. Im Rahmen dieser Förderung sind wir quasi gezwungen, das bis Ende dieses Jahres fertigzustellen. Aktueller Status ist, dass wir eine kleine Taskforce Curriculum haben, der acht Personen unterschiedlichster Expertise angehören. Hier werden gerade die E-Learning-Angebote entworfen. Zusammen mit dem Dienstleister HPSI, bei dem auch Bernhard Peters involviert ist, werden wir das realisieren. Das werden wir also bis Ende des Jahres haben. Diesen Service können wir den Vereinen versprechen, völlig unabhängig davon, ob wir die Sache zur Pflicht machen oder nicht.

Vielen Dank für das Gespräch!