04.08.2024 -Im Viertelfinale der Herren am Sonntag gibt es in der Vormittagssession zwei Überraschungen. Indien trotzt einer 43-minütigen Unterzahl nach Roter Karte und schlägt Großbritannien im Shoot-out. Anschließend wirft Spanien den Titelverteidiger Belgien aus dem Rennen um die Medaillen. Am Abend setzen sich die europäischen Schwergewichte Niederlande (gegen Australien) und Deutschland (gegen Argentinien) durch.
Den Viertelfinaltag der Herren eröffnen Indien und Großbritannien. Nach normalem Beginn verändert die 17. Spielminute die Statik des Spiels fundamental. Bei einem Mittelfeld-Zweikampf, bei dem der ballführende Inder Amit Rohidas vom Briten David Calnan attackiert wird, zieht Rohidas plötzlich den Schläger hoch, trifft Calnan damit im Gesicht. Der südafrikanische Schiedsrichter Rapaport schaltet den VAR ein. Videoumpire Ben Göntgen erkennt nach Studium der Bilder eine Absicht des indischen Spielers und empfiehlt dem Feldschiedsrichter, eine Rote Karte zu zeigen, was dann auch geschieht.
Gegen ein gut stehendes indisches Abwehrbollwerk finden die britischen Spieler kein Durchkommen. Und am Ende verlieren sie im Shoot-out. Foto: DHZ
Indien zieht sich in der Folge zurück, lauert nur noch auf gelegentliche Konter. Ein solcher bringt nach 22 Minuten die vierte Ecke, die Kapitän Harmanpreet Singh halbhoch zum 1:0 ins Netz wuchtet. Die Briten laufen immer wieder an, können das indische Bollwerk aber nur selten aushebeln. So braucht es einen vom Gegner zu kurz abgewehrten Flankenball, der Lee Morton in freie Schussbahn bringt – 1:1 (27.). Die zweite Halbzeit ist schnell zusammengefasst: Großbritannien bespielt minutenlang das indische Viertel, ohne die entscheidende Lücke zu finden. Am gefährlichsten wird es für den Rekordolympiasieger immer dann, wenn man bei eigenem Ballbesitz die Kugel verliert und GB kontern kann. Doch spätestens bei Sreejesh im indischen Kasten ist Endstation. Trotz erwartbarer statistischer Vorteile (21:8 Torschüsse, 10:4 Ecken, 24:8 Kreiseintritte) schaffen die auch ein bisschen ideenlosen Briten bis zum Schlusspfiff das Siegtor nicht. Indien feiert den Einzug ins Shoot-out wie einen Sieg.
Und tatsächlich gibt es den dann auch. Zwar kann GB durch Albery und danach Wallace zwei Mal vorlegen, doch Harmanpreet und Sukjeet Singh nutzen ihre Möglichkeiten zum Ausgleich ebenso. Dann scheitert Williamson mit einem Schuss übers Tor. Lalit sorgt für die erste indische Führung. Als dann auch Roper den Ball nicht am Tausendsassa Sreejesh vorbeibringt, hat Indien alle Trümpfe in der Hand. Raj Kumar Pal nutzt gleich den ersten Matchball zum 4:2. Das Stadion tobt, Indien ist im Halbfinale und wäre dort der Gegner für die deutschen Herren, wenn diese ihr Abendspiel (20 Uhr) gegen Argentinien gewinnen.
Es ist geschafft: Spaniens Herren (in rot) bejubeln der 3:2-Sieg über den damit gestürzten Titelverteidiger Belgien. Foto: DHZ
Im zweiten Spiel zwischen Belgien und Spanien passiert 40 Minuten lang fast gar nichts Nennenswertes. Der routinierte Titelverteidiger (Altersdurchschnitt knapp 30 Jahre) müht sich lange vergeblich, gegen die junge spanische Mannschaft (nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Routinier Iglesias, 31, sinkt der Altersschnitt auf 24 Jahre) die Lücken zu finden. Bis auf zwei Ecken, beide abgelaufen, kann der Favorit in den ersten zwei Dritteln der Partie wenig Torgefahr erzeugen. Dann fällt bei einem der seltenen spanischen Konter das 0:1, als José Basterra eine abgefälschte Flanke ins Tor blockt (40.).
Die belgische Reaktion? Beeindruckend! Denn keine 20 Spielsekunden später knallt Arthur de Sloover von halblinks am Kreis in den Kasten. Es ist die einzige schwache Situation des ansonsten glänzenden Torwarts Calzado – 1:1 (41.). So schläfrig die Partie bis dahin war, jetzt explodiert sie förmlich. Spanien hat Gefallen am Angreifen gefunden, erspielt sich mehrere brandgefährliche Situationen, aber auch Belgiens Offensive ist plötzlich „on fire“.
Fünf Minuten vor Ende kann Spanien wieder über rechts einen Flankenball in den Kreis abgeben, wo Marc Reyne den Ball entscheidend abfälscht. Nach dem 1:2 nimmt Belgien sogleich Vanasch für einen elften Feldspieler vom Platz. Auch mit Hilfe des VAR bekommt Spanien eine Hendrickx-Ecke als gefährlich gepfiffen. Im direkten Konter holt sich Spanien seine zweite Ecke, die Marc Miralles gegen die torwartlose belgische Abwehr nutzt. Dohmen fälscht den Ball noch ins eigene Netz ab. Gut drei Minuten vor Ende scheint mit dem 1:3 die Entscheidung gefallen.
Doch Spanien muss noch bange Momente überstehen. Erst verwandelt Alexander Hendrickx die vierte belgische Ecke zum 2:3 (58.), der Dauerdruck des Weltranglistenersten ist trotz Flüchtigkeitsfehler (zweimal van Doren!) naturgemäß groß. Als sechs Sekunden vor Ablauf der Zeit ein Zweikampf im spanischen Kreis zunächst gegen Belgien entschieden wird, rennen die spanischen Ersatzspieler schon jubelnd auf den Platz. Doch nach Beratung der beiden trotz aller Hektik guten Schiris Labate/van’t Hek gibt es zum Entsetzen der Iberer noch einmal Ecke für Belgien. Eine Calzado-Parade macht dann aber allen Zweifeln ein Ende. Spanien gewinnt 3:2 und hat den Titelverteidiger eliminiert. Die minimalen Vorteile in der Statistik (13:12 Torschüsse, 5:2 Ecken, 21:16 Kreiseintritte) helfen den gescheiterten Belgiern wenig.
Australien (in grün) bei einer seiner fünf Strafecken. Am Ende halfen auch die Standards nicht, man verlor sein Viertelfinale gegen die Niederlande mit 0:2. Foto: DHZ
Die Abendsession beginnt mit dem Spiel zwischen Niederlande und Australien. Ähnlich der Auseinandersetzung zwischen Belgien und Spanien ist eine Halbzeit lang erstaunlich wenig los, wenn man an das hohe Offensivpotenzial beider Teams denkt. Es ist eine Mischung aus Respekt, aber teilweise auch spielerisch-technischen Mängeln im Durchziehen von Angriffen. So passiert in den ersten 30 Minuten in den Schusskreisen herzlich wenig. Je eine jeweils geblockte Strafecke sind die gefährlichsten Torraumszenen.
Unter den Augen der holländischen Fußball-Trainerikone Louis van Gaal, der das Oranje-Hockeyteam auch schon im Olympischen Dorf besucht hat, werden die Niederländer im zweiten Durchgang aktiver. Bei der zweiten Ecke ist es dann soweit. Die Stechervariante klappt wie am Schnürchen. Den scharfen flachen Pass von Janssen lenkt Duco Telgenkamp hoch in die Maschen – 1:0 (35.). Spätestens jetzt müsste Australien offensiv eine Schippe drauflegen. Aber es kommt erstaunlich wenig. Ein Rückhandschuss von Brand, der zur sicheren Beute von Blaak wird (47.), ist neben drei von der Oranje-Abwehr geblockte Ecken das einzig wirklich Gefährliche Richtung holländisches Gehäuse. Acht Minuten vor Schluss setzt Thijs van Dam über links zum Kontersololauf an, lässt noch den letzten Gegner stehen und schlenzt aus vollem Lauf am reaktionslosen Charter vorbei flach ins lange Eck – 2:0. Dieser Vorsprung gerät überhaupt nicht mehr ernsthaft in Bedrängnis, auch wenn Australien in den letzten vier Minuten ohne Torwart den üblichen letzten Strohhalm zieht. 13:9 Torschüsse, 5:4 Ecken und 18:16 Kreiseintritte sprechen neben dem Spielergebnis für den Europameister.
Den Tag schließt die Partie zwischen Deutschland und Argentinien ab. Zum dramatischen 3:2-Sieg gibt es einen Extrabereicht.